BGH,
Beschl. v. 5.5.2009 - 4 StR 99/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 99/09
vom
5. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag, im
Übrigen nach Anhörung des Generalbundesanwalts und
nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Mai 2009
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Rostock vom 18. November 2008, soweit es den Angeklagten betrifft, im
Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten des schweren Raubes in Tateinheit
mit vorsätzlicher Körperverletzung und der schweren
räuberischen Erpressung für schuldig befunden und ihn
zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er
die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat
zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg; im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund
der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler
zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hält der
Rechtsfolgenausspruch der rechtlichen
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Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht mit nicht
tragfähiger Begründung von der Anordnung einer
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§
64 StGB) abgesehen hat.
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
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"Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte an einem
Alkoholabhängigkeitssyndrom und einem
Abhängigkeitssyndrom von Cannabinoiden. Er konsumiert seit
seinem 15. Lebensjahr Alkohol und Cannabis, seit seinem 16. Lebensjahr
regelmäßig Cannabis und an den Wochenenden
zusätzlich Ecstasy und Speed. Seit seinem 18. Lebensjahr
trinkt der Angeklagte regelmäßig Alkohol (UA S. 4).
Vor den beiden festgestellten Taten trank der Angeklagte jeweils nicht
unerhebliche Mengen Alkohol, rauchte Cannabis und konsumierte Speed (UA
S. 11 und 12). Bei beiden Taten hat das Landgericht nicht
auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte aufgrund des
Zusammenwirkens des konsumierten Alkohols mit den verschiedenen Drogen
im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert
steuerungsfähig war.
Das Landgericht, das davon ausging, dass beide Taten in unmittelbarem
Zusammenhang mit der Suchterkrankung des Angeklagten stehen (UA S. 19),
hat von der Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB
abgesehen, da infolge der fehlenden Krankheitseinsicht und ernsthaften
Therapiemotivation des Angeklagten keine hinreichend konkrete
Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB bestehe.
Dies begegnet durchgreifenden Bedenken. Zwar kann die fehlende
Therapiemotivation bei Abwägung aller Umstände ein
Indiz für die mangelnden Erfolgsaussichten einer Therapie sein
(BGH NStZ 1996, 274). Geprüft werden muss aber, ob die
konkrete Aussicht besteht, dass eine Therapiebereitschaft für
eine erfolgversprechende Behandlung geweckt werden kann (BGH NStZ-RR
2007, 171, 172; Fischer StGB 56. Aufl. § 64 Rn. 20; Stree in
Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 64
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Rn. 11). Auf die Frage, ob nicht mit therapeutischen
Bemühungen eine positive Beeinflussung des Angeklagten zu
erreichen wäre (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1
Erfolgsaussicht 7), ist das Landgericht jedoch nicht eingegangen.
Hierfür bestand aber schon deshalb Anlass, weil die
Suchterkrankung des Angeklagten bislang nicht behandelt wurde (UA S.
19).
Die Frage einer Unterbringung nach § 64 StGB bedarf demnach
der erneuten Verhandlung und Entscheidung durch ein neues Tatgericht.
Dieses wird zu berücksichtigen haben, dass trotz der
Ausgestaltung des § 64 StGB n.F. als Ermessensvorschrift ein
Absehen von der Unterbringung nach dem Willen des Gesetzgebers nur in
besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen soll (vgl. Senat
NStZ-RR 2008, 8).
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert
gemäß § 358 Abs. 2 StPO die Nachholung
einer Unterbringungsanordnung nicht (vgl. BGHSt 37, 5). Die
Entscheidung über die Maßregelanordnung hat der
Angeklagte ausdrücklich nicht von seinem Rechtsmittelangriff
ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362)".
Dem schließt sich der Senat an. Der zu § 64 StGB
aufgezeigte Rechtsfehler nötigt mit Blick auf die Regelung des
§ 5 Abs. 3 JGG auch zur Aufhebung des Strafausspruchs. Zwar
liegt nach den bisherigen Feststellungen die Annahme, dass die
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt die Ahndung
seiner Taten durch die Verhängung einer Jugendstrafe
entbehrlich machen könnte, eher fern. Der Senat kann aber
gleichwohl nicht ausschließen, dass das Landgericht bei
Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
in Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG davon abgesehen
hätte, Jugendstrafe zu verhängen (vgl. BGH,
Beschlüsse vom 29. April 2003 - 4 StR 119/03 - und vom 4.
März 2008 - 3 StR 30/08; Eisenberg JGG 13. Aufl. § 5
Rdn. 28).
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Der neue Tatrichter wird daher über den gesamten
Rechtsfolgenausspruch nochmals zu befinden haben. Zur Prüfung
der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
bedarf es dabei erneut der Hinzuziehung eines Sachverständigen
(§ 246 a StPO).
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Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Franke |