BGH,
Beschl. v. 5.5.2009 - 5 StR 132/09
5 StR 132/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 5. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Mai 2009
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Göttingen vom 12. November 2007 nach § 349 Abs. 4
StPO unter Aufrechterhaltung der Feststellungen
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des
sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 4 Nr. 1 und 4
StGB in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen)
schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung
in Tateinheit mit versuchtem sexuellem Missbrauch von Kindern in
Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in zwei rechtlich
zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem
Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung
ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten führt mit
1
- 3 -
der Sachrüge zur Änderung des Schuldspruchs und zur
Aufhebung des Strafausspruchs. Das weitergehende Rechtsmittel ist
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch kann insoweit keinen Bestand haben, als der
Angeklagte wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit
versuchtem sexuellem Missbrauch von Kindern verurteilt worden ist.
2
a) Das Landgericht ist rechtsfehlerhaft von einem Versuch der
Nötigung nach § 240 StGB ausgegangen. Der Angeklagte
hat dem geschädigten Kind gedroht, er werde ihm den
„Penis in den Arsch stecken“, falls dieses nicht
seiner Forderung nachkomme, seinen - des Angeklagten - Penis anzufassen
und zu reiben. Bei einem solchen Verhalten ist eine Drohung mit Gewalt
gegen den Leib des Opfers gegeben (vgl. BGH NStZ 2001, 246; NStZ-RR
2003, 42). Damit stellt sich die Tat als Versuch einer sexuellen
Nötigung nach § 177 Abs. 1 Nr. 2,
§§ 22, 23 StGB dar.
3
4
b) Vom danach gegebenen Versuch der sexuellen Nötigung ist der
Angeklagte jedoch strafbefreiend zurückgetreten. Das
Landgericht hat hierzu festgestellt, dass das Kind sich der Drohung des
Angeklagten nicht gebeugt habe (UA S. 6). Der Angeklagte habe nunmehr
erkannt, dass er den Widerstand des Jungen ohne Anwendung noch
massiverer Drohungen oder gar von Gewalt nicht brechen und sein
ursprüngliches Vorhaben somit nicht habe in die Tat umsetzen
können; deswegen habe er von seinem ursprünglichen
Tatplan abgesehen und vor dem Jungen masturbiert (UA S. 7).
Mit Recht beanstandet die Revision, dass auf der Grundlage dieser
Feststellungen die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts
vom Versuch der (sexuellen) Nötigung keinen Bestand haben
kann. Die Strafkammer orientiert sich maßgebend daran, welche
Nötigungsmittel der Angeklagte nach seinem Tatplan
ursprünglich zur Tatvollendung einsetzen wollte, und nimmt
danach einen fehlgeschlagenen Versuch an. Das steht nicht in Einklang
mit
5
- 4 -
der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Hiernach reicht der
freiwillige Verzicht auf eine ohne weitere Zäsur als noch
möglich erkannte Tatbestandsverwirklichung, auch wenn sie
über den ursprünglichen Tatplan hinausgeht, zum
strafbefreienden Rücktritt vom unbeendeten (dann nicht etwa
fehlgeschlagenen) Versuch aus (vgl. BGHSt 39, 221, 228; BGH NStZ-RR
1997, 259; 2002, 168; jeweils m.w.N.). Für die Beurteilung der
Rücktrittsfrage ist es unerheblich, dass der Angeklagte seine
geschlechtliche Befriedigung dann durch andere sexuelle Handlungen zu
erlangen suchte (BGH NStZ 1997, 385; NStZ-RR 2002, 168; s. auch BGH StV
1996, 372).
Der Senat vermag dem Gesamtzusammenhang der Urteilsfeststellungen nicht
zu entnehmen, dass der Angeklagte zur Anwendung massiverer
Nötigungsmittel aus subjektiven Gründen
außerstande gewesen wäre. Er schließt aus,
dass dies noch festzustellen ist, so dass dem Angeklagten ein
strafbefreiender Rücktritt vom unbeendeten Versuch der
(sexuellen) Nötigung zuzubilligen ist.
6
7
c) Entgegen der Rechtsauffassung des Generalbundesanwalts gilt
für den Versuch des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach
§ 176 Abs. 1 StGB nichts anderes. Auch insoweit ist ein
strafbefreiender Rücktritt möglich, wenn der
Täter seine Aufforderung zur Vornahme sexueller Handlungen
unter Ausnutzung seiner vom Tatopfer anerkannten Autorität mit
größerem Nachdruck hätte wiederholen
können (BGH StV 1995, 634; 1996, 372; NStZ-RR 1996, 161). Dass
der Angeklagte vorliegend in unmittelbarem Zusammenhang mit der
Aufforderung an das geschädigte Kind zu einer Drohung griff,
belegt nicht seine Einschätzung, nur noch mit gesteigerten
Nötigungsmitteln zum Ziele kommen zu können. Denn er
verfügte weiterhin über eine breite Palette von
Handlungsmöglichkeiten unterhalb von Gewalt oder Drohung. So
hätte er, was ihm gewiss auch bewusst war, seine Aufforderung
wiederholen und mit größerem Nachdruck, etwa in
schärferem Ton, erneuern können. Wenn er im
Bewusstsein dieser Möglichkeiten von der weiteren Tat-
- 5 -
ausführung Abstand nahm, so war dies ein freiwilliger und
mithin strafbefreiender Rücktritt.
d) Der Senat ändert den Schuldspruch
demgemäß in entsprechender Anwendung des §
354 Abs. 1 StPO dahingehend ab, dass der Angeklagte des sexuellen
Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 4 Nr. 1 und 4 StGB (in
zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen) schuldig ist.
Im Hinblick auf den Wegfall der - im Vergleich dazu schwerer wiegenden
- Vorwürfe des Versuchs der Nötigung und des Versuchs
des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 1 StGB
ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht auf eine
geringere Strafe erkannt hätte, wenn es insoweit zutreffend
vom Rücktritt vom Versuch ausgegangen wäre. Der
Strafausspruch war deshalb aufzuheben.
8
9
e) Sämtliche Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen
und können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht ist
nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, soweit
sie den bisherigen nicht widersprechen.
2. In Übereinstimmung mit den Ausführungen des
Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 30. März
2009 ist das Verfahren aufgrund vom Angeklagten nicht zu vertretender
Umstände um etwa ein Jahr verzögert worden. Dies wird
das neue Tatgericht nach den dafür geltenden
Grundsätzen (BGHSt [GS] 52, 124, 146 ff., Rdn. 55 ff.) zu
berücksichtigen haben.
10
Basdorf Schaal Schneider
Dölp König |