BGH,
Beschl. v. 5.11.2008 - 1 StR 583/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 583/08
vom
5. November 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
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StPO § 228 Abs. 1, § 229 Abs. 1, § 229 Abs.
4 Satz 1
Zur Wahrung der Unterbrechungsfrist nach § 229 Abs. 1 StPO,
wenn eine Hauptverhandlung aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse nur in
wesentlich geringerem Umfang als vorgesehen, insbesondere nur durch
eine Entscheidung über die Unterbrechung des Verfahrens nach
§ 228 Abs. 1 StPO gefördert werden kann.
BGH, Beschl. vom 5. November 2008 - 1 StR 583/08 - LG München I
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Anstiftung zur gefährlichen
Körperverletzung u.a.
zu 2.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. November 2008
beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 7. Mai 2008 werden als unbegründet
verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der
Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 8.
Oktober 2008 bemerkt der Senat:
Ein Verstoß gegen § 228 Abs. 1 Satz 1 und §
229 Abs. 1 StPO liegt nicht vor. Eine Hauptverhandlung gilt dann im
Sinne des § 229 Abs. 4 StPO als fortgesetzt und muss nicht
wegen Überschreitung der Frist des § 229 Abs. 1 StPO
ausgesetzt werden, wenn in dem Fortsetzungstermin zur Sache verhandelt
und das Verfahren gefördert wird (vgl. BGHR StPO §
229 Abs. 1 Sachverhandlung 6 m.w.N.). Insofern ist auch nach der
Verlängerung der Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1
StPO durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004
(BGBl. I 2198) anerkannt, dass hierfür jedenfalls eine auch
nur geringfügige Beweisaufnahme genügt. Aber auch die
Erörterung von Verfahrensfragen reicht zumindest dann, wenn
der Sitzungstag nicht von vornherein als sog. Schiebetermin konzipiert
war.
Diesen Anforderungen wird der Hauptverhandlungstermin vom 18.
März 2008 gerecht. Denn es war ein Zeuge geladen, der an
diesem Tag vernommen werden sollte. Der Umstand, dass es zu der
beabsichtigten Vernehmung des Zeugen nicht kam, sondern die
Hauptverhandlung alsbald nach deren Beginn erneut durch
Verfügung des Vorsitzenden unterbrochen wurde, lag darin
begründet, dass die Kammer den drei Angeklagten unmittelbar
vor dem Fortset
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zungstermin neu gefasste Haftbefehle verkündet hatte, die auf
der Grundlage der bisherigen Beweisaufnahme ergangen waren, und einer
der Verteidiger im Termin wegen dieser Haftbefehle die erneute
Unterbrechung der Hauptverhandlung beantragt hatte. Zwar war mit dem
unerwarteten Antrag lediglich eine zweistündige Unterbrechung
begehrt worden. Dass der Vorsitzende ihm stattgab und dem Verteidiger
nicht nur wenige Stunden, sondern bis zum nächsten
Verhandlungstag Zeit gab, sich auf die neue prozessuale Situation
einzustellen, war aber eine im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis und
aus Gründen der Fairness mögliche Entscheidung, durch
die das Verfahren gefördert wurde. Dieser Verfahrensablauf
stellt ein Verhandeln zur Sache dar, mit dem die Unterbrechungsfrist
des § 229 Abs. 1 StPO gewahrt wurde.
Hierfür spricht auch folgende Überlegung: Es sind
regelmäßig Situationen vorstellbar, in denen eine
Hauptverhandlung aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse nur in wesentlich
geringerem Umfang als geplant, möglicherweise nur durch eine
Entscheidung über die Unterbrechung des Verfahrens nach
§ 228 StPO gefördert werden kann. Dies ist zum
Beispiel dann der Fall, wenn der Angeklagte ohne vorherige
Ankündigung nicht zum Termin erscheint oder unmittelbar nach
Terminsbeginn plötzlich feststellt, dass er aufgrund einer
Erkrankung der weiteren Verhandlung nicht weiter folgen kann, wenn
für einen Hauptverhandlungstermin nur ein Zeuge geladen wurde
und dieser überraschend ausbleibt oder wenn die
Verfahrensbeteiligten aufgrund etwa von der Staatsanwaltschaft
kurzfristig überlassener Unterlagen, wie etwa
Sachverständigengutachten oder Ermittlungsberichte, nicht in
der Lage sind, sich auf die weitere Beweisaufnahme vorzubereiten.
Würde in diesen für das Gericht jeweils
unvorhersehbaren - Fallgestaltungen die Entscheidung über die
Unterbrechung einer Hauptverhandlung nicht zur Fristwahrung ausreichen,
hätte dies zur Folge, dass mit der Verhandlung neu begonnen
werden müsste (§ 229 Abs. 4
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Satz 1 StPO). Dies stünde aber weder mit der
Verfahrensökonomie noch mit dem Anspruch des Angeklagten auf
einen zügigen Abschluss des Verfahrens in Einklang (so auch
BGHR StPO § 229 Abs. 1 Sachverhandlung 7).
Nack Wahl Elf
Graf Sander |