BGH,
Beschl. v. 5.9.2001 - 5 StR 226/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
5 StR 226/01
vom
5. September 2001
in der Strafsache gegen
wegen fahrlässigen Vollrausches
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. September 2001
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Neuruppin vom 30. November 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO im
Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässigen
Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Während der Schuldspruch rechtsfehlerfrei ist, hat die auf die
Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten zum
Strafausspruch Erfolg.
Bei der Strafzumessung hat das Landgericht zum Nachteil des Angeklagten
gewertet, daß dieser vier Jahre zuvor ein der vorliegend
abgeurteilten Tat sehr ähnliches Delikt begangen hat, indem er
in stark alkoholisiertem Zustand ohne erkennbaren Anlaß zwei
Menschen mit einem Messer angegriffen und sie dabei erheblich verletzt
hat. Soweit die Strafkammer darauf abstellt, daß der
Angeklagte erneut Alkohol im Übermaß zu sich
genommen hat, obwohl er wissen mußte, daß er im
Rausch zu Gewalttaten neigt, ist dies nicht zu beanstanden.
Rechtsfehlerhaft ist dagegen die vom Landgericht in diesem Zusammenhang
angestellte Erwägung, der Angeklagte habe aus der seinerzeit
durch Strafbefehl erfolgten Verurteilung nicht die gebotenen
Schlußfolgerungen gezogen, sondern - im Gegenteil - versucht,
seine damalige Tat in der Hauptverhandlung als Notwehrhandlung
darzustellen. Mit dem Bestreiten einer einschlägigen Vortat
hat der Angeklagte, ebenso wie mit dem Bestreiten der
verfahrensgegenständlichen Tat, die Grenzen
zulässigen Verteidigungsverhaltens jedoch nicht
überschritten. Nachteile dürfen ihm aus einer solchen
Einlassung nicht entstehen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 -
Verteidigungsverhalten 17 m.w.N.). Bedenklich, da in die gleiche
Richtung weisend, ist auch die zu Lasten des Angeklagten angestellte
Erwägung, der Angeklagte sei "vom Ausmaß seiner
Schuld keineswegs überzeugt".
Ebenso halten auch die Ausführungen des Landgerichts zur
Alkoholproblematik des Angeklagten und seiner subjektiven Einstellung
hierzu rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ohne
konkrete Feststellungen zu den Trinkgewohnheiten des Angeklagten zu
treffen, wertet das Landgericht - wohl auf der Grundlage der nicht
näher beschriebenen Ausführungen des
Sachverständigen, daß keine
Alkoholabhängigkeit vorliege - das Versprechen des
Angeklagten, in Zukunft vom Alkohol wegzukommen, als
"Entlastungsversuch durch das Vorgaukeln einer Suchtproblematik".
Andererseits zieht die Strafkammer im Rahmen der Prüfung einer
möglichen Strafaussetzung zur Bewährung eine
günstige Sozialprognose des Angeklagten mit der
Begründung in Zweifel, daß "auch künftig
zumindest gelegentliche Alkohol-exzesse erwartet werden
müssen", die die Gefahr neuerlicher unkontrollierter
Gewaltausbrüche befürchten ließe. Trifft
letzteres zu, kann das vom Angeklagten geäußerte
Bemühen, sein Trinkverhalten zu ändern, schwerlich zu
seinen Lasten gewertet werden. Sowohl die Entscheidung über
die Höhe der zu verhängenden Strafe als auch die
Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung
können auf den unzutreffenden Erwägungen des
Landgerichts beruhen und müssen daher neu getroffen werden.
Harms Häger Tepperwien
Raum Brause
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