BGH,
Beschl. v. 5.9.2008 - 2 StR 237/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 237/08
vom
5. September 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten schweren Raubes u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung der
Beschwerdeführer am 5. September 2008 gemäß
§ 349 Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten N. wird das Urteil des Landgerichts
Gera vom 12. November 2007, soweit es ihn betrifft, mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten S. gegen das Urteil des Landgerichts
Gera vom 12. November 2007 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben hat. Der Angeklagte S. hat die Kosten seines
Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
3. Die Revisionen des Nebenklägers gegen das Urteil des
Landgerichts Gera vom 12. November 2007 werden verworfen. Der
Nebenkläger hat die Kosten seiner Rechtsmittel sowie die den
Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
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Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten N. wegen versuchten schweren Raubes
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu
einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt, die Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und die Entscheidung
über die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Den
Angeklagten S. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum versuchten Raub
in Tateinheit mit Beihilfe zur Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr sechs Monaten verurteilt und die
Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt.
1. Die Revision des Angeklagten N. führt zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils, soweit es ihn betrifft. Die Prüfung und
Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts vom versuchten
schweren Raub hält hinsichtlich dieses Angeklagten rechtlicher
Überprüfung nicht Stand.
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a) Nach den Feststellungen beabsichtigte der gesondert Verfolgte D. ,
den Geschädigten zu überfallen, um ihm eine
"Abreibung" zu erteilen und ihm die mitgeführten
Wocheneinnahmen seines Weihnachtsmarktstands wegzunehmen. Der
Angeklagte N. erklärte sich auf Fragen D. s bereit
mitzuwirken. Vor der Tat übergab D. dem Angeklagten einen mit
vier Schuss scharfer Kleinkalibermunition geladenen Revolver "zur
Sicherheit, für den Notfall". Der Angeklagte S. hatte hiervon
sowie von der Mitwirkung des Angeklagten N. keine Kenntnis. Er
erklärte sich bereit, D. über eine günstige
Gelegenheit zum Überfall auf den Geschädigten, seinen
Arbeitgeber, zu unterrichten, und tat dies am Tattag auch
vereinbarungsgemäß.
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Am Tattag überfielen N. und D. den Geschädigten, als
dieser mit seinem Transporter zu seinem Haus zurückkehrte.
Zunächst schlugen beide Täter auf den
Geschädigten ein, bis dieser zu Boden fiel. Als der Ange-
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klagte N. von dem Geschädigten abließ, um das
Kraftfahrzeug nach Geld zu durchsuchen, gelang es dem
Geschädigten, den von D. verwendeten Gummiknüppel zu
ergreifen und festzuhalten. D. rief daraufhin N. zu Hilfe. Dieser zog
nunmehr, noch bevor er nach dem Geld gesucht hatte, (erstmals) den
Revolver und gab aus einer Entfernung von maximal einem Meter mit
bedingtem Tötungsvorsatz einen gezielten Schuss auf den
Geschädigten ab, "damit er und D. von dem
Geschädigten wegkommen könnten" (UA S. 17). Das
Projektil traf den Geschädigten am Oberkörper und
drang bis zu dessen Herzbeutel vor. Nach dem Schuss rief D. : "Es
reicht"; beide Täter flüchteten daraufhin. Der
Geschädigte, der zu diesem Zeitpunkt nicht bemerkt hatte, dass
er von dem Schuss getroffen und lebensgefährlich verletzt war,
verfolgte die Angreifer noch bis zur Straße.
b) Das Landgericht hat die Verurteilung auf die Erwägung
gestützt, der Angeklagte N. sei zwar gem. § 24 Abs. 1
Satz 1 StGB wirksam vom (unbeendeten) Versuch des
Tötungsdelikts zurückgetreten, nicht aber von dem
Versuch des schweren Raubes, denn er habe erkannt, dass er und D. den
Widerstand des Geschädigten nicht mehr hätten
überwinden können, ohne ihn zu töten. Dies
hätten sie jedoch zur Erlangung des Geldes nicht tun wollen.
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Die dem zugrunde liegende Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte
N. habe den Geschädigten nicht zur Ermöglichung der
Wegnahme des Geldes töten wollen, beruht nicht auf einer
widerspruchsfrei festgestellten Tatsachengrundlage. Es ist nicht
ersichtlich, auf welche Umstände das Landgericht seine
Überzeugung gründet, der Angeklagte habe nicht wegen
des Geldes töten wollen. Der Hinweis der Kammer, dies stehe
"aufgrund des objektiven Tatgeschehens" (UA S. 37) fest, findet in den
Feststellungen keine Stütze und versteht sich angesichts des
Umstands, dass der Angeklagte, unmittelbar bevor er und D. die Flucht
ergriffen, mit bedingtem Tötungsvorsatz auf den
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Geschädigten geschossen hat, auch nicht von selbst. Es ist
nicht erkennbar, warum der Angeklagte zwar zu einer Tötung des
Geschädigten bereit gewesen sein sollte, um von diesem
"wegzukommen", nicht aber, um die Wegnahme des Geldes zu
ermöglichen.
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Wäre der Angeklagte ursprünglich im Grundsatz bereit
gewesen, den Geschädigten "notfalls" auch deshalb zu
töten, um an das Bargeld zu gelangen, käme ein
Rücktritt vom unbeendeten Versuch des schweren Raubes in
Betracht. In diesem Fall wäre zu klären, ob der
Angeklagte freiwillig von der weiteren Tatausführung Abstand
genommen hat. Der Erwägung, gegen die Freiwilligkeit spreche
der Umstand, dass der Angeklagte nach seiner Vorstellung den Raub nur
noch durch Tötung des Geschädigten hätte
vollenden können, diese Änderung des Tatplans jedoch
nicht wollte, steht die Feststellung entgegen, dass der Angeklagte
unmittelbar zuvor mit Tötungsvorsatz auf den
Geschädigten geschossen hatte. Das Erreichen eines
außertatbestandlichen Ziels (hier: "Abreibung"), das sich in
dem Ruf D. s: "Es reicht!" ausgedrückt haben könnte,
würde einem strafbefreienden Rücktritt nicht von
vornherein entgegen stehen (vgl. BGHSt 39, 221, 230 ff.). Um insoweit
tragfähige Feststellungen zu ermöglichen, hebt der
Senat das Urteil, soweit es den Angeklagten N. betrifft, mit den
zugehörigen Feststellungen insgesamt auf.
c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich
darauf hin, dass ein ggf. nach § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB
anzuordnender Vorwegvollzug bei einer Unterbringung des Angeklagten in
einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz
1 StGB nach dem Halbstrafenzeitpunkt zu bemessen wäre. Der
Halbstrafenzeitpunkt ist auch dann maßgeblich, wenn eine
Entlassung des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt nicht zu erwarten ist
(vgl. BGH NStZ 2008, 212; NStZ-RR 2007, 372; 2008, 142; 2008, 182;
Fischer StGB 55. Aufl. § 67 Rdn. 11).
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d) Soweit erneut eine Anordnung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung
in Betracht kommt, wird das Landgericht zu beachten haben, dass
für die Beurteilung der Gefährlichkeit des
Angeklagten der Zeitpunkt der Aburteilung maßgeblich ist
(vgl. BGH NStZ 2006, 278, 279; 2007, 401; s. auch NStZ-RR 2004, 202,
203; Fischer aaO § 66 Rdn. 36 m.w.N.). Es begegnet
durchgreifenden rechtlichen Bedenken, auf den Zeitpunkt nach Beendigung
der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
abzustellen, wie es das Landgericht in dem angefochtenen Urteil getan
hat. Soweit das Landgericht die Anordnung des Vorbehalts der
Sicherungsverwahrung darauf gestützt hat, es könne
"nicht ausgeschlossen werden", dass die Gefährlichkeit des
Angeklagten zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr bestehen
werde, hat es daher einen unzutreffenden Maßstab angelegt.
Die Anwendungsvoraussetzungen des § 66 a Abs. 1 StGB waren,
wie die Revision zutreffend rügt, auf der Grundlage dieser
Feststellungen nicht gegeben. Der neue Tatrichter wird anhand eines
rechtlich zutreffenden Maßstabs zu prüfen haben, ob
die von § 66 a Abs. 1 StGB vorausgesetzte Unsicherheit
über die Gefährlichkeit zum gegenwärtigen
Zeitpunkt besteht. Einer Anwendung von § 66 StGB
stünde § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO entgegen.
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2. Die Revision des Angeklagten S. ist aus den vom Generalbundesanwalt
in seiner Zuschrift an den Senat dargelegten Gründen im Sinne
von § 349 Abs. 2 StPO offensichtlich unbegründet.
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3. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision
des Nebenklägers zum Nachteil des Angeklagten S.
lässt nicht erkennen, ob mit dem Rechtsmittel ein nach
§ 400 Abs. 1 StPO zulässiges Ziel verfolgt wird, und
ist deshalb unzulässig (st. Rspr.; BGHR StPO § 400
Abs. 1 Zulässigkeit 2, 5, 6, 10; Senat, Beschluss vom 15.
Februar 2008 - 2 StR 598/07). Ein Ausnahmefall, bei
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dem auf eine Klarstellung verzichtet werden kann (vgl. BGHR StPO
§ 400 Abs. 1 Zulässigkeit 3; § 401 Abs. 1
Satz 1 Zulässigkeit 2), liegt nicht vor.
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Die zum Nachteil des Angeklagten N. eingelegte Revision des
Nebenklägers ist aus den vom Generalbundesanwalt in seiner
Zuschrift an den Senat dargelegten Gründen
unbegründet.
VRinBGH Dr. Rissing-van Saan Rothfuß Fischer
ist wegen Urlaubs an der Unter-
schriftsleistung gehindert.
Fischer
Roggenbuck RiBGH Cierniak ist
wegen Urlaubs an der
Unterschriftsleistung
gehindert.
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