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BGH, Beschluss vom 6. August 2008 - 2 StR 317/08


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 6.8.2008 - 2 StR 317/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 317/08
vom
6. August 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. August 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 12. März 2008
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist;
b) im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - allgemeine - Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dieses Urteil hat der Senat auf eine Verfahrensrüge des Angeklagten mit Beschluss vom 24. August 2007 - 2 StR 322/07 - mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht den Angeklagten nun erneut wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Mo-
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naten verurteilt. Seine Revision führt mit der Sachrüge zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts geriet der Angeklagte am Tatabend in einer Gastwirtschaft in einen Streit mit dem späteren Tatopfer D. Nach mehrfachen Rangeleien verwies ihn die Wirtin des Lokals und erteilte ihm Hausverbot. Der mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,62 ‰ alkoholisierte Angeklagte fühlte sich hierdurch gedemütigt; er beschloss, in das Lokal zurückzukehren. Er begab sich in seine 80 m entfernte Wohnung und holte dort ein Messer mit 15 cm langer Klinge, das er einsteckte. Etwa auf der Hälfte des Rückwegs zu der Gastwirtschaft rief er mit seinem Mobiltelefon einen im Lokal befindlichen Freund an; dieser forderte ihn dazu auf, nach Hause zu gehen und seinen Rausch auszuschlafen. Durch das Gespräch war D. darauf aufmerksam geworden, dass der Angeklagte sich dem Lokal wieder näherte. Er begab sich auf die Straße und ging zu dem Angeklagten hin. Es kam zu einer erneuten kurzen verbalen Konfrontation. Als sich D., der die Sache für erledigt hielt, abwandte, um zum Lokal zurückzugehen, zog der Angeklagte das Messer hervor und stieß es dem D. mit der Bemerkung: "Hier, Du Schlampe", in den linken Unterbauch. Er wollte ihm damit die erlittenen Kränkungen heimzahlen; den Tod des D. nahm er billigend in Kauf. Seine Steuerungsfähigkeit war zum Tatzeitpunkt erheblich vermindert.
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Zum Fortgang nach dem Stich hat das Landgericht festgestellt: D. "realisierte, dass der Angeklagte ihn gestochen hatte … (Er) setzte sich sofort in Bewegung zurück in Richtung Kneipe. Als er kurz darauf dort eintraf, brach er im Kreis der übrigen Gäste zusammen" (UA S. 11). Der Angeklagte begab sich nach dem Stich in seine Wohnung, wo er kurz darauf festgenommen wurde.
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Der Geschädigte wurde durch den Stich lebensgefährlich verletzt, durch eine Notfalloperation aber gerettet; die Verletzung ist folgenlos ausgeheilt.
2. Die Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen offensichtlich unbegründet.
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3. Dagegen hält die Verurteilung wegen versuchten Totschlags der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand, da die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei von dem Versuch des Totschlags nicht strafbefreiend zurückgetreten, in den Feststellungen keine Grundlage findet.
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a) Das Landgericht hat diese Ansicht (abschließend) wie folgt begründet: "Indem der Angeklagte mit dem Zustechen das aus seiner Sicht Erforderliche getan hatte, um den jedenfalls in Kauf genommenen Tötungserfolg herbeizuführen, war dieser Versuch bereits beendet." Der Angeklagte habe keine Rettungsaktivitäten entfaltet, sondern den Tatort verlassen (UA S. 24). Mit dieser Begründung stellt das Landgericht zur Prüfung der Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht, wie nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlich, auf die Vorstellung des Angeklagten nach Ausführung der (letzten) Tathandlung ab (sog. Rücktrittshorizont; vgl. dazu Fischer StGB 55. Aufl. § 24 Rdn. 15 ff. m.w.N.), sondern auf den Blickwinkel des Tatplans. Selbst wenn die unklare Formulierung "indem" im Sinne von "nachdem" auszulegen wäre, würde es für die vom Landgericht vorgenommene Würdigung an einer Tatsachengrundlage fehlen. Voraussetzung wäre nämlich, dass der Angeklagte nach Ausführung des Stichs davon ausging, schon dieser eine Stich werde sicher oder möglicherweise zum Tod des Geschädigten führen. Eine solche Annahme des Angeklagten ist nicht festgestellt; sie ist hier auch weder offensichtlich noch nahe liegend. Aus der Sicht des Angeklagten blieb der Stich vielmehr ohne unmittelbare Folgen: D. wandte sich ab und ging über eine Stre-
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cke von etwa 20 bis 40 m zum Eingang der Gastwirtschaft, in die er eintrat. Sichtbare Beeinträchtigungen oder Auffälligkeiten, aus welchen der Angeklagte auf eine schwere, unter Umständen tödliche Verletzung hätte schließen können, sind nicht festgestellt. Auf dieser Tatsachengrundlage kann nicht von einem beendeten Versuch ausgegangen werden. War aber der Versuch unbeendet, so reichte das festgestellte Unterlassen weiterer auf den Erfolg gerichteter Handlungen zum strafbefreienden Rücktritt aus (§ 24 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. StGB).
b) Der Schuldspruch hat daher insoweit keinen Bestand. Der Senat schließt aus, dass in einer abermaligen Hauptverhandlung weitergehende Feststellungen zum Tatablauf getroffen werden könnten. Der Angeklagte hat zum Vorwurf geschwiegen; die Feststellungen beruhen auf den Angaben des Geschädigten D.; weitere Augenzeugen des Geschehens auf der Straße gab es nicht. Der Senat hat daher den Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5 StGB) schuldig ist.
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4. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht. Sie können bestehen bleiben; ergänzende Feststellungen sind möglich. Die Sache war insoweit an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
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