BGH,
Beschl. v. 6.2.2002 - 2 StR 545/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 545/01
vom
6. Februar 2002
in der Strafsache gegen
wegen versuchter Vergewaltigung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 6. Februar 2002 beschlossen:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird
das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 14. Juni 2001
aufgehoben. Die Feststellungen bleiben jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung im
schweren Fall gemäß § 121 Abs. 2 StGB-DDR
zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Eine
Strafaussetzung zur Bewährung hat es abgelehnt. Wegen neun
weiterer Taten hat es das Verfahren wegen Verjährung
eingestellt. Gegen die Verurteilung richtet sich die Revision des
Angeklagten, der mit einer Verfahrensrüge und der
Sachrüge eine Aufhebung des Urteils in vollem Umfang anstrebt,
sowie die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision der
Staatsanwaltschaft, die sich mit der Sachrüge gegen Versagung
der Strafaussetzung zur Bewährung wendet.
Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlußformel
ersichtlichen Umfang Erfolg, die weitergehende Revision des Angeklagten
ist im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
Das Landgericht hat den Schuldspruch auf § 121 Abs. 2 StGB-DDR
gestützt, die Frage einer Strafaussetzung zur
Bewährung aber an § 56 Abs. 2 StGB ausgerichtet. Dies
ist rechtsfehlerhaft, denn dadurch wird der Grundsatz der strikten
Alternativität verletzt (vgl. BGHSt 37, 320, 322; 41, 247,
277; BGHR StGB § 2 Abs. 3 DDR-StGB 2 und 11; mildere Strafe 2;
BGH NJW 1995, 2861 = NStZ 1995, 505; NStZ-RR 1996, 201 = StV 1996, 297;
NStZ-RR 2000, 302 f.). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
verlangt in Fällen dieser Art einen Gesamtvergleich des
früher und des derzeit geltenden Strafrechts (vgl. BGHSt 37,
320, 322; 38, 18, 20). Dabei hat der Tatrichter die Strafrahmen der
unter Zugrundelegung einer konkreten Betrachtungsweise der besonderen
Umstände des Einzelfalles (vgl. BGHSt 20, 22, 25;
Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 2 Rdn. 10 ff.
m.w.N.) in Frage kommenden Strafvorschriften zu vergleichen und den
Grundsatz der strikten Alternativität zu beachten.
Einen solchen Gesamtvergleich des Tatzeitrechts der DDR mit dem in der
Bundesrepublik geltenden Recht hat die Strafkammer nicht vorgenommen.
Daß dieser Rechtsfehler sich auf Schuld- und Strafausspruch
ausgewirkt hat, kann der Senat nicht ausschließen. Die
rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können jedoch
bestehenbleiben.
Für die neue Hauptverhandlung ist auf folgendes hinzuweisen:
Der neu erkennende Tatrichter wird - unter Berücksichtigung
des Verbots der reformatio in peius (BGHSt 38, 66 f.) - in Anwendung
des § 121 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 4 Satz 3,
§ 62 StGB-DDR eine (zwei Jahre nicht überschreitende)
Strafe zu bilden haben und wird dann prüfen müssen,
ob diese aussetzungsfähig ist (Strafrahmen des § 121
Abs. 2 StGB-DDR: zwei bis zehn Jahre: vgl. §§ 1 Abs.
2 und 3, 39, 30-35 StGB-DDR; vgl. auch §§ 62, 25
StGB-DDR; zur Problematik der Aussetzung von Strafen nach DDR-Recht:
BGH, Urt. v. 4. April 2001 - 5 StR 68/01 = NJ 2001, 434 f.). Dieses
Ergebnis wird dann mit einer nach §§ 177, 22 StGB (in
der für den Angeklagten günstigsten Fassung:
§ 2 Abs. 3 StGB; vgl. dazu Tröndle/Fischer aaO
§ 177 Rdn. 45) zu bildenden Strafe, die ebenfalls zwei Jahre
nicht überschreiten darf, zu vergleichen sein. Die Strafkammer
wird, falls die nach DDR-Recht gebildete Strafe nicht
aussetzungsfähig sein sollte, feststellen müssen, ob
eine nach § 177 StGB gebildete Strafe nach § 56 StGB
zur Bewährung ausgesetzt werden könnte mit der Folge,
daß letztere als mildere Sanktion gemäß
Art. 315 Abs. 1 Satz 1 EGStGB, § 2 Abs. 3 StGB
verhängt werden müßte.
Der Senat weist im übrigen noch auf folgendes hin:
Das Landgericht hat eine Strafaussetzung zur Bewährung nach
§ 56 Abs. 2 StGB unter anderem mit folgender
Begründung verweigert:
"Der Angeklagte hat zur Aussage seiner Tochter erklärt, das
stimme alles nicht, er sei erschüttert, dass ihm so etwas
vorgeworfen werde. Dieses Verhalten läßt besorgen,
dass der Angeklagte auch heute noch nicht willens ist, seine
Verantwortung gegenüber der Tochter wahrzunehmen. Es
läßt weiter besorgen, dass er sich mit seinem
abnormen Sexualverhalten bisher nicht kritisch auseinandergesetzt hat."
Diese Ausführungen berücksichtigten rechtsfehlerhaft
(vgl. BGH StV 1998, 482; 1999, 602; BGHR StGB § 56 Abs. 2
Umstände, besondere 12) zulässiges
Verteidigungsverhalten des ein strafrechtlich erhebliches Verhalten
bestreitenden Angeklagten zu dessen Lasten.
Bode Detter Rothfuß
Fischer Ri´inBGH Elf ist durch Urlaub an der Unterschrift
gehindert.
Bode
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