BGH,
Beschl. v. 6.7.2006 - 4 StR 48/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 48/06
vom
6.7.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Raub u.a.
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6.07.2006
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Krefeld vom 22.08.2005, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen
aufgehoben
a) hinsichtlich der Verurteilung im Fall II 6 der
Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere - allgemeine - Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum
räuberischen Angriff auf Kraftfahrer in Tateinheit mit Raub
und Freiheitsberaubung sowie wegen Betruges in drei Fällen,
wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision,
mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts
rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus
dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1
- 3 -
1. Die Rüge der Verletzung des
Öffentlichkeitsgrundsatzes ist bereits nicht zulässig
erhoben. Hinsichtlich des Beweisantrags unterlässt die
Revision die Mitteilung, dass dieser später
zurückgenommen worden ist (Bd. VI Bl. 1310 d.A.). Im Hinblick
auf die Einlassung des Angeklagten trägt die Revision deren
Inhalt nicht vor. Der Senat kann daher nicht prüfen, ob - wie
dies bei der Übergabe der Polizeikelle ersichtlich der Fall
ist - sich diese Einlassung unmittelbar auf diejenige des
Mitangeklagten Markus L. bezog oder ob es sich um die Abgabe einer
eigenständigen, davon unabhängigen Einlassung
handelte, die von dem Ausschließungsbeschluss nicht mehr
gedeckt gewesen wäre (vgl. BGH StV 1998, 364).
2
2. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der
Sachrüge führt zur Aufhebung der Verurteilung im Fall
II 6 der Urteilsgründe. Die hierzu getroffenen Feststellungen
belegen nicht, dass sich der Angeklagte insoweit - auch - einer
Beihilfe zum räuberischen Angriff auf Kraftfahrer,
§§ 316 a Abs. 1, 27 StGB, schuldig gemacht hat.
3
Nach den Urteilsfeststellungen war dem Angeklagten der Plan der
früheren Mitangeklagten Markus L. und Jens G. bekannt, die
durch einen Überfall auf einen Lkw-Fahrer eine große
Menge Zigaretten erbeuten wollten. Er wusste, dass das Opfer
während der Fahrt mit dem Tode bedroht und gezwungen werden
sollte, an einen abgelegenen Ort zu fahren, um es zu berauben. Das
Landgericht hat sich aber - trotz gewichtiger Indizien - nicht davon zu
überzeugen vermocht, dass sich der Angeklagte von Beginn an
als Mittäter an der plangemäß
durchgeführten Tat beteiligte. Es hat vielmehr festgestellt,
dass sich der Angeklagte erst zu dem Zeitpunkt in Kenntnis aller
Umstände zur Unterstützung der Täter
entschloss, als diese das Opfer bereits gefesselt und aus dem Lkw in
den Kofferraum eines Pkw verbracht hatten, wo es bis zur Siche-
4
- 4 -
rung der Beute verbleiben musste, und der Lkw vom Tat- zum Abladeort
gefahren worden war. Der Angeklagte fuhr den Lkw in eine Halle, half
dort beim Entladen der Beute und stellte das Fahrzeug
abschließend in einem Gewerbegebiet ab.
Mit diesen Handlungen konnte der Angeklagte nur noch solche Delikte der
Haupttäter fördern, deren Verwirklichung zu diesem
Zeitpunkt noch andauerte, denn nach Beendigung der Haupttat ist eine
Beihilfe ausgeschlossen (vgl. hierzu Tröndle/Fischer StGB 53.
Aufl. § 27 Rdn. 4 m.w.N.). Möglich war hier daher
noch ein Hilfeleisten zur Beutesicherung nach dem vollendeten Raub
sowie ein solches zu der fortdauernden Freiheitsberaubung (vgl. BGHR
StGB § 27 Rdn. 1, 25), nicht dagegen zur Begehung eines
räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer. Dieses Delikt war
bereits beendet, denn es bestand ein längerer zeitlicher und
räumlicher Abstand zu dem Angriff auf das Opfer.
5
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass - wie der Angeklagte
wusste - das Opfer aus dem Lkw, in dem der Angriff stattgefunden hatte,
gefesselt in den Pkw verbracht worden war, mit dem der frühere
Mitangeklagte G. solange auf öffentlichen Straßen
umherfuhr, bis der Lkw entladen und an einen abgelegenen Abstellort
verbracht war. Dieses Verhalten des Mitangeklagten erfüllt
für sich genommen nicht den Tatbestand des § 316 a
Abs. 1 StGB, da es an einem (fortdauernden) Angriff unter Ausnutzung
der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs
fehlt (vgl. BGHSt 49, 8 f.; BGHR StGB § 316 a Abs. 1
Straßenverkehr 11).
6
3. Die Sache bedarf hinsichtlich des Falles II 6 der
Urteilsgründe insgesamt erneuter Verhandlung und Entscheidung,
was auch die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe bedingt.
7
- 5 -
Es erscheint dabei nicht ausgeschlossen, dass in der erneuten
Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden, die eine Beteiligung
des Angeklagten als Mittäter oder Gehilfe an dem
räuberischen Angriff auf Kraftfahrer belegen.
8
Der neue Tatrichter wird nämlich - ohne Bindung an die zum
Nachteil des früheren Mitangeklagten Markus L. getroffenen
Feststellungen - auch zu der Haupttat eigene Feststellungen zu treffen
haben, da das Urteil in Bezug auf den Angeklagten insgesamt aufgehoben
ist. Er wird ferner zu prüfen haben, inwieweit das Vorgehen
gegen den Lkw-Fahrer auch den Tatbestand des § 239 a Abs. 1
StGB erfüllt (vgl. BGHR StGB § 239 a
Anwendungsbereich 1; BGH NStZ-RR 2003, 328 f.), hinter dem die
Freiheitsberaubung möglicherweise zurücktreten
würde (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 45, 46).
9
- 6 -
Der Senat verweist die Sache im Umfang der Aufhebung an eine allgemeine
Strafkammer des Landgerichts zurück, nachdem sich das
Verfahren nicht mehr gegen einen die Zuständigkeit der
Jugendkammer begründenden Angeklagten richtet.
10
Tepperwien RiBGH Maatz ist infolge Kuckein urlaubsbedingter Ortsab-
wesenheit gehindert zu unterschreiben Tepperwien
Solin-Stojanović Sost-Scheible |