BGH,
Beschl. v. 6.7.2010 - 3 StR 219/10
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 219/10
vom
6. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 6. Juli 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hildesheim vom 4. März 2010 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben im Ausspruch über
a) die Einzelstrafe wegen gefährlicher
Körperverletzung sowie
b) die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
- 3 -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher
Körperverletzung, Diebstahls in drei Fällen und wegen
Hehlerei zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er
das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts
rügt.
1
1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Zwar hat das Landgericht auch aus dem Umstand, dass er sich in der
Hauptverhandlung erst eingelassen und eine Notwehrsituation behauptet
hat, nachdem wesentliche Teile der Beweisaufnahme bereits
durchgeführt worden waren, rechtsfehlerhaft (vgl.
Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 261 Rdn. 16)
für den Angeklagten nachteilige Schlüsse gezogen (UA
S. 24 f.). Der Senat kann jedoch im Hinblick auf die übrigen
Teile der ausführlichen Beweiswürdigung
ausschließen, dass der Schuldspruch wegen
gefährlicher Körperverletzung auf diesem Rechtsfehler
beruht.
3
2. Die für die gefährliche Körperverletzung
verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten
kann jedoch nicht bestehen bleiben. Dies führt zur Aufhebung
des Urteils auch im Gesamtstrafenausspruch.
4
Das Landgericht hat bei der Ablehnung eines minderschweren Falles und
bei der konkreten Strafzumessung strafschärfend gewertet, der
Angeklagte habe durch die wahrheitswidrige Behauptung, er sei vom
Geschädigten grundlos mit einem Messer angegriffen worden und
dessen Verletzungen seien bei
5
- 4 -
seinen Abwehrbemühungen entstanden, diesen in
unzulässiger Weise in Misskredit gebracht und damit die
Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens
überschritten. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil unter den
gegebenen Umständen in einem solchen Verteidigungsverhalten
weder eine über das Leugnen eigener Schuld hinausgehende
Ehrverletzung des Tatopfers noch eine rechtsfeindliche Gesinnung
gesehen werden kann (BGH StV 1999, 536 f.).
Becker von Lienen Sost-Scheible
Schäfer Mayer |