BGH,
Beschl. v. 6.6.2000 - 4 StR 208/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 208/00
vom
6. Juni 2000
in der Strafsache gegen
wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. Juni 2000
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Bielefeld vom 14. Februar 2000
a) im Schuldspruch dahin berichtigt, daß der Angeklagte des
räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit
schwerer räuberischer Erpressung, Freiheitsberaubung und
Fahren ohne Fahrerlaubnis schuldig ist,
b) mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen
worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen räuberischen
Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit räuberischer
Erpressung, Freiheitsberaubung und Fahren ohne Fahrerlaubnis" zu einer
Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und eine Sperre für
die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet. Gegen dieses Urteil
wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen
Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt
zur Aufhebung des Urteils, soweit eine Entscheidung über die
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben
ist; auch ist ein offensichtliches Fassungsversehen im Urteilstenor zu
berichtigen. Im Übrigen ist die Revision unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat in der rechtlichen Würdigung den die
räuberische Erpressung qualifizierenden Tatbestand des
§ 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB bejaht und diese Gesetzesbestimmung
auch in die Liste der angewendeten Vorschriften aufgenommen; da der
Angeklagte jedoch das Küchenmesser zur Bedrohung des
Geschädigten einsetzte, ist der Qualifikationstatbestand des
§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom
11. Mai 1999 - 4 StR 380/98, zum Abdruck in BGHSt bestimmt = NJW 1999,
2198; BGH NJW 1998, 2296, 2298; NStZ-RR 1999, 7). Unabhängig
davon hätte das Landgericht den Angeklagten in der
Urteilsformel wegen schwerer räuberischer Erpressung
verurteilen müssen. Da dies offensichtlich aufgrund eines
Fassungsversehens unterblieben ist, hat der Senat den Schuldspruch
entsprechend berichtigt (vgl. BGH NStZ 2000, 194).
2. Die Revision hat insoweit Erfolg, als das Landgericht nicht
geprüft hat, ob der Angeklagte gemäß
§ 64 StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist. Die
Erörterung dieser Frage drängte sich hier auf:
Nach den Urteilsfeststellungen nahm der Angeklagte schon seit geraumer
Zeit Rauschgift, zunächst Haschisch, später Heroin,
zu sich; nach seiner Entlassung aus der Bundeswehr ging er dazu
über, Heroin zu spritzen und zudem Alkohol zu konsumieren, um
die Wirkung des Betäubungsmittels zu verstärken. Der
Angeklagte hatte sich am Tattag bereits eine Injektion gesetzt; er
wollte sodann weiteres Heroin kaufen und konsumieren, weil er Angst vor
Entzugserscheinungen hatte. Um sich das für den Erwerb des
Rauschgifts erforderliche Geld zu verschaffen, überfiel er den
Geschädigten ("Beschaffungskriminalität"). Das
Landgericht hat ausdrücklich festgestellt, daß bei
dem Angeklagten eine Drogensucht bestand, die er vor der in diesem
Verfahren abgeurteilten Tat durch Diebstähle "finanziert"
hatte. Es konnte nicht ausschließen, daß bei ihm
aufgrund seines Alkohol- und Drogenkonsums sowie der drohenden
Entzugserscheinungen die Voraussetzungen des § 21 StGB
vorlagen.
Angesichts dieser Feststellungen lag die Anordnung der Unterbringung
des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nahe. Daß bei dem
Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges
nicht besteht (vgl. BVerfGE 91, 1 ff. = NStZ 1994, 578), ist den
Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Allein der Umstand,
daß er den Bitten seiner Eltern, sich einer Therapie zu
unterziehen, nur halbherzig Folge leistete und sich nach einer
Entgiftung alsbald wieder dem Drogenkonsum zuwandte, genügt
hierfür nicht (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 85; 163; 1998, 70; BGH,
Beschluß vom 21. Januar 1999 - 4 StR 697/98). Das Landgericht
hätte daher darlegen müssen, warum es gleichwohl von
der Unterbringung abgesehen hat (vgl. BGHSt 37, 5, 7; 38, 362, 363).
Die Sache bedarf somit insoweit neuer tatrichterlicher Prüfung
unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a
StPO). Daß nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert
die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2
Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5).
Der Senat schließt aus, daß der Tatrichter bei
Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt
hätte. Der Strafausspruch kann daher bestehen bleiben.
Meyer-Goßner Richter am BGH Dr. Kuckein Athing
ist wegen Urlaubs an der Unterzeichnung verhindert.
Meyer-Goßner Solin-Stojanovic Ernemann |