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BGH, Beschluss vom 6. März 2001 - 4 StR 558/00


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 6.3.2001 - 4 StR 558/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 558/00
vom
6. März 2001
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. März 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum - Strafkammer Recklinghausen - vom 15. September 2000 im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen Vergewaltigung in 2 Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung", unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Soweit sich das Rechtsmittel gegen den Schuldspruch richtet, ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Dagegen halten die Aussprüche über die Einzelfreiheitsstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen hatte sich Frau U. von dem Angeklagten getrennt, lebte aber mit ihm bis zu ihrem Auszug nach den beiden Taten im Mai 1999 weiterhin in der gemeinsamen Wohnung. Auch nach der Trennung kam es "in Einzelfällen zum einverständlichen Geschlechtsverkehr". Im Mai 1999 erzwang der Angeklagte zweimal gewaltsam den Analverkehr. Nachdem Frau U. gegen ihn Strafanzeige erstattet hatte, kam es vor Weihnachten 1999 zu einer Aussprache zwischen ihr und dem Angeklagten. Danach traf sich Frau U. "wiederholt mit ihm, es kam auch in einigen Fällen zum Geschlechtsverkehr. ... Seit kurzem ist jeder Kontakt abgebrochen, nachdem die Zeugin U. erfahren hat, daß der Angeklagte einen Freund hat, zu dem er nach ihrer Information eine homosexuelle Beziehung unterhält".
Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat das Landgericht dem Angeklagten angelastet, daß er "auch in der Hauptverhandlung durch die Behauptung einverständlichen Geschlechtsverkehrs an den Tagen vor der Hauptverhandlung noch versucht hat, die Zeugin im Ansehen herabzuwürdigen". Darin liegt unter den hier gegebenen Umständen eine unzulässige Berücksichtigung des Verteidigungsverhaltens des Angeklagten.
Ein Angeklagter darf im Rahmen seiner Verteidigung einen Belastungszeugen als unglaubwürdig hinstellen, ohne für den Fall des Mißerfolgs schon deshalb eine schärfere Bestrafung befürchten zu müssen. Inwieweit dabei Angriffe auf die Ehre eines Zeugen erlaubt sind, beurteilt sich nach § 193 StGB (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 1, 14). Daß der Angeklagte mit seinem Vorbringen "versucht hat, die Zeugin im Ansehen herabzuwürdigen" und damit die Grenzen der rechtlich geschützten Verteidigungsinteressen überschritten hat, ist aber nicht dargetan.
Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten bestritten und geltend gemacht, Frau U. habe an den Tattagen den Analverkehr und - zuvor jeweils auch - den Vaginalverkehr freiwillig mit ihm ausgeübt. Der darin liegende Vorwurf der uneidlichen falschen Aussage ist, da er inhaltlich zugleich das Leugnen belastender Tatsachen bedeutet, durch den Verteidigungszweck gerechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 14). Dies gilt aber auch für das dem Angeklagten strafschärfend angelastete Vorbringen. Es richtet sich ebenfalls gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin U. und hält sich im Hinblick darauf, daß sie sich nach ihren Bekundungen nach den Taten "wiederholt" mit dem Angeklagten traf und daß es dabei "auch in einigen Fällen zum Geschlechtsverkehr kam", ebenfalls innerhalb der Grenzen der rechtlich geschützten Verteidigungsinteressen des Angeklagten.
Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet ferner die Erwägung des Landgerichts, die "ausgeworfene Gesamtfreiheitsstrafe" sei "zur nachhaltigen Einwirkung auf den in der Hauptverhandlung völlig ungerührt auftretenden Angeklagten erforderlich." Da der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Taten bestritten hat, konnte von ihm in der Hauptverhandlung ein anderes Verhalten, etwa das Zeigen von Mitgefühl gegenüber der ihn - nach seiner Darstellung fälschlicherweise belastenden - Zeugin, nicht erwartet werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 6).
Soweit das Landgericht bei der Strafrahmenwahl lediglich die Voraussetzungen für die Annahme eines minder schweren Falles nach § 177 Abs. 5 StGB geprüft und verneint hat, weist der Senat für die neue Hauptverhandlung darauf hin, daß bei Vorliegen eines Regelbeispiels des § 177 Abs. 2 StGB bei der Strafrahmenwahl zunächst zu prüfen ist, ob trotz Vorliegens des Regelbeispiels wegen anderer erheblich schuldmindernder Umstände der Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB nicht anzuwenden, sondern von dem Normalstrafrahmen des Absatzes 1 auszugehen ist. Erst bei Annahme eines solchen Falles kann - in extremen Ausnahmefällen - eine weiter gehende Milderung des Normalstrafrahmens und die Bemessung der Strafe aus dem Rahmen für den minder schweren Fall (§ 177 Abs. 5 StGB) in Betracht zu ziehen sein (vgl. BGH NStZ 1999, 615; NStZ-RR 1999, 355; BGH, Beschluß vom 11. April 2000 - 1 StR 78/00).
Meyer-Goßner Maatz Athing
Solin-Stojanovic Ernemann



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