BGH,
Beschl. v. 6.3.2008 - 3 StR 9/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 9/08
vom
6.3.2008
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 6.3.2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hannover vom 19. Juli 2007
a) in den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe
jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei
Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei
Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und
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sechs Monaten verurteilt. Es hat festgestellt, dass der Angeklagte im
November oder Dezember 2003 einmal 100 Gramm und einmal 50 Gramm Kokain
durchschnittlicher Qualität gewinnbringend an den Zeugen D.
veräußerte. Nach diesen Taten schlossen sich der
Angeklagte, der Mitangeklagte Ö. , der Zeuge S. und der
gesondert Verfolgte A. zusammen, um künftig auf unbestimmte
Zeit in einer Mehrzahl von Fällen größere
Mengen Kokain zu erwerben und gewinnbringend zu
veräußern. Im Februar 2004 verkauften sie in zwei
Fällen jeweils 500 Gramm Kokain, das ihnen zuvor aus den
Niederlanden nach H. geliefert worden war, mit Gewinn an verschiedene
Abnehmer weiter. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft
des Angeklagten in den letzten beiden Fällen im Wesentlichen
aufgrund der Aussage des Zeugen S. sowie der Einlassung des
Mitangeklagten Ö. überzeugt.
Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer -
zulässig erhobenen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) -
Verfahrensrüge hinsichtlich der Verurteilung in den
Fällen des Bandenhandels Erfolg. Dies führt auch zur
Aufhebung der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Der Angeklagte beanstandet zutreffend, dass das Landgericht einen
Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen hat.
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Der Verteidiger des Angeklagten hat die Vernehmung des Zeugen B. zum
Beweis dafür beantragt, dass die Angaben des Mitangeklagten
Ö. aus einer polizeilichen Vernehmung falsch seien, soweit er
sich dahin eingelassen habe, der Angeklagte und der Zeuge
hätten in einem Hinterzimmer der Gaststätte "M. " in
H. 200 Gramm Kokain an einen Bo. und einen C. verkauft; der Zeuge werde
bekunden, dass er zu keinem Zeitpunkt in der betreffenden
Gaststätte gewesen sei, um dort Kokain zu verkaufen.
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Diesen Antrag hat das Landgericht mit der Begründung
zurückgewiesen, die behaupteten Tatsachen seien
gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO für
die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne
Bedeutung. Wenn der Zeuge die Beweisbehauptung bestätigen
sollte, sei dies zwar ein bei der Würdigung der Einlassung des
Mitangeklagten Ö. zu berücksichtigender Teilaspekt;
dieser lasse aber keinen zwingenden Rückschluss auf dessen
Glaubwürdigkeit zu. Die Strafkammer wolle einen solchen
Schluss auch nicht ziehen. Insofern sei nämlich auch die
Möglichkeit in Rechnung zu stellen, dass der benannte Zeuge
ein Interesse daran haben könnte, eigenes strafrechtlich
relevantes Verhalten zu leugnen. Gegen ihn werde wegen einer dem
Beweisthema spiegelbildlichen Tat ein strafrechtliches
Ermittlungsverfahren geführt. Vor diesem Hintergrund habe das
Landgericht nicht einmal die Möglichkeit einer
abschließenden Bewertung, ob gegebenenfalls der Zeuge oder
der Mitangeklagte Ö. bezüglich des Beweisthemas die
Wahrheit gesagt hätten.
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Mit dieser Begründung durfte der Beweisantrag nicht abgelehnt
werden; sie ist mit § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht vereinbar.
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Der Tatrichter darf eine Tatsache nur dann als bedeutungslos ansehen,
wenn zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung keinerlei
Sachzusammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen
Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht
beeinflussen kann, weil sie nur mögliche, nicht aber zwingende
Schlüsse zulässt, und das Gericht den
möglichen Schluss nicht ziehen will. Dies ist vom Tatrichter
in freier Beweiswürdigung auf der Grundlage des bisherigen
Beweisergebnisses zu beurteilen. Allerdings darf das Gericht dabei die
unter Beweis gestellte Tatsache nicht in Zweifel ziehen oder Abstriche
an ihr vornehmen; es hat diese vielmehr so, als sei sie voll erwiesen,
seiner antizipierenden Würdigung zu Grunde zu
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legen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit
20, 23; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 244 Rdn. 56;
Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 244
Rdn. 222).
Hieran gemessen sind die Ausführungen des Landgerichts
rechtsfehlerhaft; denn es hat zur Begründung dafür,
dass der Beweistatsache für die Entscheidung keine Bedeutung
zukomme, darauf abgestellt, dass die Glaubwürdigkeit des
benannten Zeugen bzw. die Glaubhaftigkeit seiner Aussage zweifelhaft
sei. Damit hat es die Wahrheit der Beweistatsache und den Wert des
angebotenen Beweismittels in Frage gestellt.
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Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil, soweit der Angeklagte wegen
bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei
Fällen verurteilt worden ist. Der Senat vermag nicht
auszuschließen, dass das Landgericht, hätte sich die
Beweisbehauptung bestätigt, die Glaubhaftigkeit der Einlassung
des Mitangeklagten Ö. anders als geschehen beurteilt
hätte und nicht zu der Überzeugung gelangt
wäre, dass der Angeklagte diese beiden Taten begangen hat.
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Der Wegfall der Verurteilung in den beiden Fällen des
Bandenhandels führt zur Aufhebung des Ausspruchs über
die Gesamtstrafe.
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Becker Pfister von Lienen
Hubert Schäfer |