BGH,
Beschl. v. 6.5.2008 - 1 StR 176/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 176/08
vom
6.5.2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 6.5.2008 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München I vom 10. August 2007 im Schuldspruch dahin
abgeändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs
eines Kindes in zwei Fällen, des schweren sexuellen
Missbrauchs eines Kindes in sieben Fällen und der Misshandlung
einer Schutzbefohlenen in fünf Fällen, davon in vier
Fällen in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Die Revision des Angeklagten führt zu einer Änderung
des Schuldspruchs hinsichtlich der Fälle II. 2. - 4. der
Urteilsgründe; im Übrigen ist sie
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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I.
Der Generalbundesanwalt weist zu Recht darauf hin, dass die
Verurteilung des Angeklagten wegen in den vorgenannten Fällen
jeweils tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs von
Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1
StGB keinen Bestand hat, da insoweit Verfolgungsverjährung
eingetreten ist.
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Er hat dazu ausgeführt:
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„Das Landgericht hat in den genannten Fällen als
Tatzeiten einen Zeitraum ‘vom 06.04.1998 bis Oktober/November
1999‘ festgestellt (UA S. 10). Die erste zur Unterbrechung
der Verjährung geeignete Handlung im vorliegenden
Strafverfahren sowie im Ermittlungsverfahren 459 Js der
Staatsanwaltschaft München I, das wegen der nämlichen
prozessualen Taten gegen den Angeklagten geführt, jedoch
bereits am 08.02.2001 eingestellt worden war, war der Haftbefehl vom
23.05.2006 (I 87). Zu diesem Zeitpunkt war die für §
174 Abs. 1 StGB und § 223 Abs. 1 StGB geltende
fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78
Abs. 3 Nr. 4 StGB) bereits abgelaufen. Dass diese Vorwürfe
jeweils mit dem nicht verjährten sexuellen Missbrauch eines
Kindes in den unter II. 2. festgestellten zwei Fällen oder dem
schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes in den unter II. 3. und 4.
festgestellten sieben Fällen in Tateinheit stehen, ist
insoweit ohne Bedeutung; denn die Verjährung bestimmt sich bei
tateinheitlichem Zusammentreffen für jede Gesetzesverletzung
gesondert (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 78a Rdn. 5 m.w.N.).
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Die Anwendung von Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung der
Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung vom 27.
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Dezember 2003 (BGBl I 3007), durch den bestimmt ist, dass nach
§ 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB auch bei Straftaten nach §
174 StGB die Verjährung bis zur Vollendung des 18.
Lebensjahres des Opfers ruht, ist im vorliegenden Fall ausgeschlossen,
weil zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes am 01.04.2004
bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten war (vgl. BGHR
StGB § 78b Abs. 1 Ruhen 12; BGH, Beschl. vom 28.06.2005 - 3
StR 178/05).
Danach ist der Angeklagte in den beiden Fällen II. 2. der
Urteilsgründe jeweils allein des sexuellen Missbrauchs eines
Kindes gemäß § 176 Abs. 1 StGB a. F. und in
den sieben Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe
jeweils allein des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes
gemäß § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB
schuldig.“
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II.
Der Senat hat dementsprechend den Schuldspruch geändert und
neu gefasst.
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Die Korrektur des Schuldspruchs nötigt nicht zur Aufhebung des
Strafausspruchs. Sowohl die Einzelstrafen wie auch die Gesamtstrafe
können bestehen bleiben (§ 354 Abs. 1 StPO). Zwar hat
das Landgericht bei den Einzelstrafaussprüchen
strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte tateinheitlich
mehrere Delikte verwirklicht hat, also strafschärfend auch auf
die verjährten Taten abgestellt. Angesichts der jeweiligen
Tatbilder, welche in mindestens drei Fällen
zusätzlich noch die Begehung einer Vergewaltigung nahe legen,
schließt
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der Senat jedoch aus, dass das Landgericht ohne die tateinheitlich
begangenen, verjährten Straftaten des sexuellen Missbrauchs
von Schutzbefohlenen auf niedrigere Einzel- oder auf eine niedrigere
Gesamtstrafe erkannt hätte.
Wahl Boetticher Kolz
Hebenstreit Graf |