BGH,
Beschl. v. 6.11.2008 - 4 StR 495/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 495/08
vom
6. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Nötigung
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. November
2008 gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4,
354 Abs. 1 b Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Saarbrücken vom 14. Mai 2008 im Ausspruch über die
Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine
nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die
Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die der Nebenklägerin im
Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die
Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem
für das Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO
zuständigen Gericht vorbehalten.
Gründe:
Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken
vom 14. Dezember 2005 wegen Vergewaltigung in neun Fällen
unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts
Landau vom 8. Juni 2004 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
zwölf Jahren verurteilt worden. Auf die Revision des
Angeklagten hat der Senat das vorbezeichnete Urteil mit den
Feststellungen aufgehoben, da keine der Tatbestandsalternativen des
§ 177 Abs. 1 StGB durch die vom Landgericht insoweit
getroffenen Feststellungen belegt war.
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Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Landgericht den
Angeklagten wegen Nötigung in neun Fällen unter
Einbeziehung der Freiheitsstrafe von zwei Monaten aus dem Urteil des
Amtsgerichts Zweibrücken vom 24. April 2008 zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil
wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die
Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das
Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel
ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es
unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den
Schuldspruch.
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Sie ergeben, dass der Angeklagte die Zeugin B. in neun Fällen
in Gegenwart weiterer Mitangeklagter zur Durchführung des
Oral- und/oder Vaginalverkehrs, in einem Fall (Tat 26c) gleichzeitig
mit dem Mitangeklagten Ba. , genötigt hat (§ 240 Abs.
1, Abs. 4 Satz 1 und 2 Nr. 1 StGB). Die Zeugin hat die sexuellen
Handlungen nicht freiwillig vorgenommen. Sie war zwar illegal
eingereist, um in Deutschland der Prostitution nachzugehen; sie lehnte
aber, wie der Angeklagte wusste, "Sex mit mehreren Personen
gleichzeitig oder nacheinander oder die Ausübung sexueller
Handlungen in Anwesenheit weiterer Personen" entschieden ab. Dem
Angeklagten war bei den jeweiligen Taten bewusst, dass die Zeugin
seinem Ansinnen nur deswegen nachkam, weil ihr von ihm und anderen
Mitgliedern der Gruppe um den Angeklagten J. wiederholt zumindest
konkludent angedroht worden war, sie im Falle der Widersetzlichkeit zu
den äußerst gewaltbereiten Zuhältern
zurückzubringen, denen sie zuvor ausgeliefert gewesen war. Vor
diesen hatte sie deshalb große Angst, weil sie ihren
damaligen Freund getötet hatten. Eine solche Drohung muss
nicht direkt ausgesprochen werden, es genügt vielmehr, wenn
sie versteckt "zwi-
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schen den Zeilen" erfolgt (vgl. Träger/Altvater in LK 11.
Aufl. § 240 Rdn. 56), wie dies vor der Tat 3a geschehen ist.
Der Angeklagte und die Mitangeklagten Ba. und S. haben der Zeugin durch
ihre Äußerungen unmissverständlich
klargemacht, dass sie nur so lange vor den gewaltbereiten
Zuhältern sicher sei, wie sie den sexuellen Wünschen
der Gruppe nachkomme.
Außerdem schürten der Angeklagte und weitere
Mitangeklagte die Angst der Zeugin vor Abschiebung und langzeitiger
Inhaftierung sowohl in Deutschland als auch in ihrem Heimatland, mit
der sie im Falle des Bekanntwerdens ihres illegalen Aufenthalts
rechnete, indem sie drohten, sie der Polizei auszuliefern [UA 14, 48].
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Diese Drohkulisse wurde während des gesamten Tatzeitraums
aufrechterhalten. Wie der Senat in dem Beschluss vom 4. April 2007 - 4
StR 345/06 (= NJW 2007, 2341 ff.; NStZ 2008, 50 ff.) im Einzelnen
ausgeführt hat, wird dadurch noch keine schutzlose Lage der
Zeugin im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB
begründet. Für die Erfüllung des
Nötigungstatbestandes reicht die ausdrückliche oder
konkludente Androhung der geschilderten Übel dagegen aus, auch
soweit sie nicht vom Angeklagten selbst ausgesprochen wurde; denn diese
ist ihm zuzurechnen.
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2. Die Bemessung der Einzelstrafen weist ebenfalls keinen Rechtsfehler
auf; der Gesamtstrafausspruch hat dagegen keinen Bestand.
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Die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe ist, wie die
Revision zutreffend rügt, rechtsfehlerhaft erfolgt. Das
Landgericht hätte die Einzelstrafen von drei Jahren sowie
einem Jahr und sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Landau vom
8. Juni 2004 erneut in die Gesamtstrafe einbeziehen müs-
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sen, auch wenn die vom Landgericht Landau verhängte
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten mittlerweile
vollständig vollstreckt ist. Grundsätzlich hat nach
Aufhebung einer Gesamtstrafe in der erneuten Hauptverhandlung die
Gesamtstrafbildung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nach
Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten
Verhandlung zu erfolgen. Dies gilt nicht nur in dem speziellen Fall, in
dem die Urteilsaufhebung gerade wegen fehlerhaft unterbliebener
nachträglicher Gesamtstrafbildung erfolgt ist. Vielmehr ist
regelmäßig so zu verfahren, damit einem
Revisionsführer ein durch nachträgliche
Gesamtstrafbildung erlangter Rechtsvorteil nicht durch sein
Rechtsmittel genommen wird (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 2001, 645; BGH,
Beschlüsse vom 24. Juni 1999 - 4 StR 200/99 - und vom 18.
Januar 2000 - 4 StR 633/99; vgl. auch Fischer StGB 55. Aufl. §
55 Rdn. 37a m.w.N.).
Durch die rechtsfehlerhafte Gesamtstrafbildung ist der Angeklagte nicht
ausschließbar beschwert. Auch wenn das Landgericht einen
Härteausgleich vorgenommen hat, liegt es nahe, dass gegen den
Angeklagten bei zutreffender Gesamtstrafbildung eine
Gesamtfreiheitsstrafe verhängt worden wäre, deren
Höhe die Summe der Gesamtstrafen aus dem vorliegenden Urteil
und dem des Landgerichts Landau nicht erreicht hätte.
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Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach §
354 Abs. 1 b Satz 1 StPO zu entscheiden. Die nachträgliche
Gesamtstrafbildung aus den nunmehr rechtskräftigen neun
Einzelstrafen und den Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts
Landau obliegt danach dem nach § 462 a Abs. 3 StPO
zuständigen Gericht.
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3. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass
die Freiheitsstrafe von zwei Monaten, die das Amtsgericht
Zweibrücken mit Urteil vom 24. April 2008 wegen einer am 16.
August 2007 begangenen Straftat gegen den Angeklagten verhängt
hat, wegen der Zäsurwirkung des Urteils des Landgerichts
Landau nicht gesamtstraffähig ist. Im Hinblick auf das
Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 StPO wird bei der
Bildung der neuen Gesamtstrafe weiterhin zu beachten sein, dass diese
nur so hoch bemessen werden darf, dass sie die Summe der in den beiden
landgerichtlichen Urteilen verhängten Gesamtfreiheitsstrafen
abzüglich der zweimonatigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des
Amtsgerichts Zweibrücken nicht übersteigt (vgl. BGHR
StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Fehler 1).
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4. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels ist von
dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462
StPO zuständigen Gericht zusammen mit der
abschließenden Sachentscheidung zu treffen (vgl. BGH NJW
2005, 1205, 1206). Obwohl der Angeklagte das Urteil auch hinsichtlich
des Schuldspruchs angegriffen und mit seinem Rechtsmittel lediglich
einen Teilerfolg zur Gesamtstrafe erzielt hat, erscheint es nicht
gänzlich ausgeschlossen, dass im Nachverfahren das Gewicht der
Rechtsfolge so gemildert wird, dass es unbillig wäre, dem
Angeklagten die gesamten Rechtsmittelkosten aufzuerlegen.
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Die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen waren gemäß § 473 Abs.
1 Satz 2 StPO dem Angeklagten aufzuerlegen. Dem steht nicht entgegen,
dass der Angeklagte nur wegen eines nicht nebenklagefähigen
Delikts verurteilt worden ist, da der Schuldspruch die
Nebenklägerin im Sinne des § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO
betrifft (vgl. BGHSt 38, 93; BGH bei Kusch NStZ 1997, 71, 74;
Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 473 Rdn. 10).
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Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Mutzbauer |