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BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2005 - 3 StR 328/05


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 6.10.2005 - 3 StR 328/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 328/05
vom
6.10.2005
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6. Oktober 2005 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 28.02.2005 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen; jedoch wird der Strafausspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Remscheid vom 22. Mai 2003 verurteilt ist.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen "unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Remscheid" zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Unterbringung des Angeklagten hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB setzt u. a. die positive Feststel-
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lung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 26; 42, 385). Dass diese Voraussetzung gegeben ist, wird im angefochtenen Urteil nicht rechtsfehlerfrei belegt.
a) Bereits die Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit begegnet durchgreifenden Rechtsbedenken. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der damals 24-jährige Angeklagte im ersten Halbjahr 1989 in vier Fällen seinen damals neun Jahre alten Neffen sexuell missbraucht, indem er das Kind veranlasste, jeweils den Oralverkehr bis zum Samenerguss an ihm auszuüben. Die Taten wurden erst entdeckt, nachdem das Opfer sich rund 13 Jahre später anderen Personen anvertraut hatte. Nach diesen Missbräuchen hat der Angeklagte - neben kleineren Eigentums- und Betäubungsmitteldelikten - eine weitere Sexualstraftat begangen: Im Juni 2002 missbrauchte er eine 64-jährige, aufgrund eines Schlaganfalls halbseitig gelähmte und widerstandsunfähige Frau, die er zuvor gelegentlich gepflegt und die zu ihm Vertrauen gefasst hatte, und wurde deshalb 2003 zu der (hier einbezogenen) Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Das Landgericht führt aus, der Sachverständige habe "des weiteren bei dem Angeklagten eine Störung der Sexualpräferenz als eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB diagnostiziert, aufgrund derer sicher anzunehmen sei, dass die Steuerungsfähigkeit während der Begehung der vier Taten erheblich vermindert gewesen sei, die aber ebenfalls nicht zu einem völligen Ausschluss der Steuerungsfähigkeit geführt habe". Die Taten "deuteten zunächst auf das Vorliegen einer Pädophilie hin, dass jedoch, nimmt man die 2003 abgeurteilte Tat hinzu, sich klar das Bild einer Störung der Sexualpräferenz ergebe". Dem Angeklagten sei es "nicht um die Durchsetzung et-
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waiger sexueller Vorlieben, sondern vielmehr um die Möglichkeit der sexuellen Machtausübung" gegangen. "Der Angeklagte war letztlich nicht in der Lage, seinen Sexualtrieb so zu kontrollieren, wie andere das können" (UA S. 12).
Die im Urteil wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen, es liege keine Pädophilie, sondern eine Störung der Sexualpräferenz vor, lassen bereits daran zweifeln, ob überhaupt ein Störungsbild zutreffend festgestellt worden ist, denn die Pädophilie (ICD 10 F 65.4) ist eine von mehreren Störungen der Sexualpräferenz (vgl. Dilling, Mombour, Schmidt [Hrsg.], Internationale Klassifikation psychischer Störungen, 5. Aufl. S. 244 ff.). Es fehlt zudem an einer Beschreibung des Ausprägungsgrades der angenommenen Störung und ihrer Auswirkung auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Angeklagten, so dass der Senat nicht nachvollziehen kann, warum das Landgericht von einer beim Angeklagten vorliegenden schweren anderen seelischen Abartigkeit ausgegangen ist (vgl. BGHSt 49, 45, 52).
Zudem lassen die Darlegungen besorgen, es sei der Sachverständige gewesen, der aus einem Störungsbild unmittelbar auf die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit und von da wiederum unmittelbar auf die Bejahung erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit geschlossen hat, und das Landgericht habe die Verteilung der Verantwortlichkeit zwischen dem Sachverständigen und dem Richter verkannt. Die psychiatrische Diagnose eines Störungsbildes ist nicht mit einem Eingangsmerkmal des § 20 StGB gleichzusetzen. Ob der sachverständige Befund unter ein Eingangsmerkmal des § 20 StGB zu subsumieren ist, entscheidet nach sachverständiger Beratung der Richter. Gleiches gilt für die sich daran anschließende Frage, ob dadurch die Schuldfähigkeit des Angeklagten erheblich eingeschränkt ist (vgl. Boetticher/ Nedopil/Bosinski/Saß NStZ 2005, 57, 58).
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b) Erst recht ist der für die Unterbringung nach § 63 StGB notwendige länger andauernde, nicht nur vorübergehende Defekt (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 34) beim Angeklagten nicht festgestellt. Das Landgericht berücksichtigt nicht, dass die jetzt abgeurteilten Taten durch eine kurzzeitige räumliche Nähe zwischen Angeklagtem und Opfer begünstigt waren und damit Gelegenheitscharakter hatten, und der Angeklagte danach 13 Jahre lang nicht wegen eines Sexualdelikts aufgefallen ist.
2. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Insoweit beschwert die fehlerhafte Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit den Angeklagten nicht. Der Senat schließt auch aus, dass eine neue Verhandlung die Schuldunfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung im Jahr 1989 ergeben könnte und dass die erkannten Freiheitsstrafen zum Nachteil des Angeklagten von der Maßregelanordnung beeinflusst waren.
3. Bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB ist nicht das frühere Urteil, sondern nur die darin ausgesprochene Strafe in das neue Erkenntnis einzubeziehen (Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 55 Rdn. 38). Der Senat hat deshalb die Entscheidungsformel insoweit neu gefasst.
Winkler Miebach Pfister von Lienen Becker



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