BGH,
Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 303/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 303/09
vom
6. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 6. Oktober 2009 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Mönchengladbach vom 18. Februar 2009
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des
schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer Vergewaltigung schuldig ist;
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im
Rechtsfolgenausspruch und soweit von einer Anordnung nach § 64
StGB abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
- 3 -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes und wegen
Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und
sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine
Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat den aus
der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen
hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler
zum Nachteil des Angeklagten erbracht.
1
1. Die Annahme zweier selbständiger Straftaten hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen
des Landgerichts brach der Angeklagte auf der Suche nach Geld in den
frühen Morgenstunden maskiert in das Haus der
Nebenklägerin, seiner 72jährigen
Stiefgroßmutter, ein. Er überwältigte die
Frau, drückte sie auf ihr Bett zurück, fesselte ihr
die Hände mit einem Kabelbinder und nahm ihren Geldbeutel, in
dem sich ca. 15 Euro befanden, an sich. Als er der
Nebenklägerin, die nur mit einem Nachthemd bekleidet war, die
Füße fesseln wollte, geriet er in sexuelle Erregung.
Seinem spontan gefassten Entschluss folgend, drang er zuerst mit dem
Finger in Scheide und Anus des sich vergeblich wehrenden Opfers ein und
vollzog sodann den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss. Danach
löste er die Fesseln an den Händen und
verließ mit dem Geldbeutel das Haus.
2
Das Landgericht ist von einem schweren Raub gemäß
§ 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB sowie von einer schweren
Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 3 Nr. 2
StGB ausgegangen und hat die Qualifikation jeweils zutreffend durch die
Verwendung des Kabelbinders als Fesselungswerkzeug als erfüllt
angesehen. Dabei hat es indes verkannt, dass diese
durchgängige Gewaltanwendung beide Tatbestände zur
Tateinheit verbindet. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend
abgeändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil
sich der im Wesentli-
3
- 4 -
chen geständige Angeklagte gegen den Vorwurf tateinheitlicher
Tatbegehung nicht anders als geschehen hätte verteidigen
können. Bei der Schuldspruchänderung war auch die
qualifizierte Begehung der Vergewaltigung mit der Bezeichnung als
"schwere Vergewaltigung" zum Ausdruck zu bringen (vgl. Fischer, StGB
56. Aufl. § 177 Rdn. 78 m. w. N.).
2. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des
Strafausspruchs. Die Gesamtstrafe kann als Einzelstrafe nicht bestehen
bleiben. Zwar wird der Schuldumfang durch die geänderte
Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses im Grundsatz nicht
entscheidend bestimmt; indes kann der Senat nicht
ausschließen, dass die Gesamtstrafe, die durch eine deutliche
Erhöhung der Einsatzstrafe gebildet worden ist, auf der vom
Landgericht angenommenen tatmehrheitlichen Begehungsweise beruht.
4
Die Gesamtstrafe hält zudem aus einem weiteren Grund
rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die
verfahrensgegenständliche Tat hat der Angeklagte am 30.
März 2008 begangen. Am 16. Juli 2008 ist er zu einer
Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit Strafaussetzung zur
Bewährung verurteilt worden wegen eines am 17. Juli 2007
begangenen versuchten schweren Diebstahls. Am 18. Juli 2007, 22.
Oktober 2007 und 18. März 2008 ist er jeweils zu Geldstrafen
verurteilt worden. Das angefochtene Urteil teilt lediglich hinsichtlich
der Vorverurteilung vom 22. Oktober 2007 mit, dass die Vollstreckung
der Geldstrafe durch Verbüßung von
Ersatzfreiheitsstrafe erledigt ist. Der Senat kann deshalb nicht
überprüfen, ob das Landgericht rechtsfehlerfrei davon
abgesehen hat, mit der Freiheitsstrafe von sechs Monaten
nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden.
5
- 5 -
3. Zuletzt hat auch die Entscheidung des Landgerichts, von einer
Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB abzusehen, keinen
Bestand. Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte seit seinem
18. Lebensjahr regelmäßig und in steigenden Dosen
Amphetamin und Ecstasy und benutzte jeweils Cannabis, um sich danach
wieder zu beruhigen. Im Jahr 2006 entgiftete er sich selbst und blieb
längere Zeit drogenfrei, bis er nach dem Ende einer Beziehung
zu einer Freundin im Jahr 2007 einen Rückfall erlitt und
zuletzt etwa 2 bis 3 Gramm Amphetamin pro Tag sowie gelegentlich
Cannabis und Ecstasy konsumierte. Zur Tatzeit stand der wohnungslose
Angeklagte unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln, mit denen
er sich vor der nächtlichen Kälte schützen
wollte.
6
Das Landgericht hat die hinreichend konkrete Aussicht auf einen
Behandlungserfolg verneint und dies auch damit begründet, der
Angeklagte habe sich bislang noch in keiner Weise mit seiner Sucht
auseinandergesetzt, sich nicht um Hilfe bemüht, eine
Beratungsstelle aufgesucht oder eine Entwöhnungsbehandlung
beantragt; zu einer längeren Abstinenzphase sei es nicht
gekommen. Danach ist zu besorgen, dass das Landgericht den Selbstentzug
7
- 6 -
des Angeklagten und dessen ca. einjährige Abstinenz
außer Betracht gelassen hat. Dass der Angeklagte danach
rückfällig geworden ist, belegt ein Fehlen der
hinreichenden Erfolgsaussicht nicht.
Becker Pfister von Lienen
Sost-Scheible Schäfer |