BGH,
Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 376/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 376/09
vom
6. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 6. Oktober 2009 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Krefeld vom 11. Mai 2009 im Rechtsfolgenausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "schwerer Brandstiftung und
wegen Diebstahls in vier Fällen, wobei es in zwei
Fällen beim Versuch blieb", zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner
Revision, die er mit der Rüge der Verletzung formellen und
materiellen Rechts begründet. Das Rechtsmittel hat mit der
Sachrüge im Rechtsfolgenausspruch Erfolg. Im Übrigen
ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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I. Nach den Feststellungen zur schweren Brandstiftung trank der
Angeklagte am Tattag ab etwa 18.00 Uhr 12 bis 13 Flaschen Bier. Gegen
23.30 Uhr betrat er die in einem Mehrfamilienhaus gelegene Dachwohnung
seiner früheren Freundin Nadine K. , zündete an der
Garderobe und am Schlafzimmerschrank hängende
Kleidungsstücke an und verließ die Wohnung. Dabei
hielt er es für möglich und nahm es billigend in
Kauf, dass das Feuer das Haus erfassen werde. Das Haus geriet in Brand
und die Wohnungen wurden unbewohnbar. Es entstand ein Schaden in
Höhe von 139.000 €.
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II. Der gesamte Strafausspruch hat keinen Bestand.
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1. Die sachverständig beratene Jugendkammer hat bei der
schweren Brandstiftung eine verminderte Schuldfähigkeit
(§ 21 StGB) des Angeklagten bejaht und hierzu im Wesentlichen
ausgeführt: Der Angeklagte leide an einer schweren
Borderline-Persönlichkeitsstörung impulsiven Typs bei
durchgängig bestehender Störung der Impulskontrolle.
Da seine Affektregulation deutlich herabgesetzt sei,
äußerten sich Wutausbrüche in
Körperverletzungen, Sachbeschädigungen,
Autoaggressionen und in Brandstiftungen. Zerstörerische Taten
zum Nachteil von Personen, mit denen er eine Beziehung gehabt habe,
hätten Symptomcharakter für die
Persönlichkeitsstörung. Bei dieser handele es sich
nach ihrem Gewicht um eine schwere andere seelische Abartigkeit, weil
durch sie das Selbstwertgefühl, die Beziehungsgestaltung, die
Affektregulation und damit insgesamt die Lebensführung des
Angeklagten in erheblichem Maße beeinträchtigt
seien. Infolge der Persönlichkeitsstörung in
Verbindung mit der Alkoholisierung sei von einer erheblichen
Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur
Tatzeit auszugehen.
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Das Landgericht hat auf die verfahrensgegenständlichen Taten,
die der Angeklagte zum Teil als Heranwachsender beging,
gemäß § 32 JGG Erwach-
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senenstrafrecht angewendet. Es hat einen minder schweren Fall der
schweren Brandstiftung verneint, den Strafrahmen des § 306 a
Abs. 1 StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert und
eine Einzelstrafe von zwei Jahren und drei Monaten festgesetzt. Aus
dieser Strafe sowie den Einzelstrafen für die jeweils zwei
Fälle des vollendeten und des versuchten Diebstahls von einmal
fünf, zweimal drei und einmal zwei Monaten Freiheitsstrafe hat
es dann eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren gebildet.
2. Gegen die Begründung, mit der die Jugendkammer einen minder
schweren Fall der schweren Brandstiftung abgelehnt hat, bestehen
durchgreifende rechtliche Bedenken.
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Sie hat nicht erkennbar geprüft, ob wegen der zu Gunsten des
Angeklagten angeführten Strafzumessungserwägungen und
der verminderten Steuerungsfähigkeit infolge der
Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit der
Alkoholisierung ein minder schwerer Fall der schweren Brandstiftung
bejaht werden kann (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 86;
§ 50 Rdn. 4). Die Jugendkammer hat lediglich darauf
abgestellt, dass die Alkoholisierung nicht ohne weiteres die Annahme
eines minder schweren Falles rechtfertigt, und zwar selbst dann nicht,
wenn infolge der Alkoholisierung die Voraussetzungen des § 21
StGB vorliegen sollten (UA S. 27). Damit hat sie weder die
Persönlichkeitsstörung des Angeklagten noch den
vertypten Milderungsgrund des § 21 StGB, den sie wegen der
Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit dem
Alkoholkonsum als gegeben angenommen hat, in ihre Abwägung
einbezogen.
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Weiterhin hat die Jugendkammer bei der Ablehnung des minder schweren
Falles und der konkreten Strafzumessung rechtsfehlerhaft zu Lasten des
Angeklagten gewertet, die Brandstiftung aus Wut darüber, dass
sich die Geschädigte K. einem anderen Mann zugewandt habe,
stelle sich als Aus-
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druck eines krassen, nicht mehr nachvollziehbaren Besitzdenkens und
damit eines besonders verachtenswerten Motivs dar. Diese Formulierung
lässt besorgen, dass das Landgericht dem Angeklagten diese
Tatmotivation uneingeschränkt vorgeworfen hat, obwohl sie ihre
Ursache in der festgestellten Persönlichkeitsstörung
hat (vgl. BGHR StGB § 21 Strafzumessung 5; Fischer aaO
§ 46 Rdn. 28).
Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass sich die
dargestellten Rechtsfehler bei der Bemessung der für die
schwere Brandstiftung verhängten Einzelstrafe zum Nachteil des
Angeklagten ausgewirkt haben.
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3. Die Aufhebung der wegen der schweren Brandstiftung
verhängten Einzelstrafe führt zum Wegfall der
Gesamtfreiheitsstrafe. Der Senat hat auch die Einzelstrafen
für die jeweils zwei Fälle des Diebstahls und des
versuchten Diebstahls aufgehoben, um dem neuen Tatrichter eine in sich
stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, zumal dieser wiederum
zu prüfen haben wird, ob auf alle Taten Erwachsenen- oder
Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Außerdem kann bei der
Anwendung von Jugendstrafrecht unter den Voraussetzungen des §
5 Abs. 3 JGG von einer Jugendstrafe abgesehen werden.
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III. Die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einem
psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) kann ebenfalls nicht
bestehen bleiben.
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Diese Maßregel setzt die positive Feststellung eines
länger andauernden, nicht nur vorübergehenden
Zustands voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung
der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher
begründet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 26 f.; 42, 385 f.).
Sie bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung,
weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das
Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt.
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Das Vorliegen eines länger andauernden Zustandes im Sinne des
§ 63 StGB beim Angeklagten ist nicht belegt. Vielmehr ist zu
besorgen, dass die Jugendkammer rechtsfehlerhaft den Zustand mit der
erheblich verminderten Schuldfähigkeit gleichgesetzt hat (vgl.
Fischer aaO § 63 Rdn. 6). Nach den Feststellungen war der
Angeklagte bei der schweren Brandstiftung, die entscheidend
für die Unterbringungsanordnung war, als Folge der
Persönlichkeitsstörung in Kombination mit der
Alkoholisierung, die regelmäßig nur
vorübergehender Natur ist, in seiner
Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert. Diese
Ausführungen legen es nahe, dass die
Persönlichkeitsstörung allein die verminderte
Schuldfähigkeit nicht bewirkte. In einem Fall, in dem die
erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf das
Zusammenwirken von Persönlichkeitsstörung und
Alkoholkonsum zurückzuführen ist, liegt ein die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigender
Zustand nur vor, wenn der Täter an einer krankhaften
Alkoholsucht leidet, in krankhafter Weise
alkoholüberempfindlich ist (vgl. BGHR StGB § 63
Zustand 9 und 30) oder eine länger andauernde
geistig-seelische Störung hat, bei der bereits geringer
Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die
erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit
auslösen können und dies getan haben (vgl. BGHSt 44,
369, 373 ff.). Dazu verhält sich das Urteil nicht.
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IV. Wegen der dargestellten Rechtsfehler hebt der Senat den
Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen zur
Schuldfähigkeitsbeurteilung und zu den Voraussetzungen des
§ 63 StGB auf. Der Schuldspruch kann bestehen bleiben, weil
eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten bei allen Taten sicher
auszuschließen ist. Sollte der neue Tatrichter die
Voraussetzungen des § 21 StGB auch aufgrund einer
Alkoholisierung bejahen und wiederum feststellen, dass vom Angeklagten
auch künftig erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind,
so wird er zu prüfen haben, ob dieser Gefahr schon durch die
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niger beschwerende Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ausreichend begegnet werden
kann (vgl. Fischer aaO § 72 Rdn. 5).
Becker Pfister von Lienen
Sost-Scheible Schäfer |