BGH,
Beschl. v. 7.4.2005 - 2 StR 524/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 524/04
vom
7.04.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Menschenhandels u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 7.04.2005
gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Aachen vom 28. Januar 2004 mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben
a) im Fall 3 der Urteilsgründe (Fall 13 der Anklage) und
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
gewerbsmäßigen Einschleusens
von Ausländern in zwei Fällen, davon in einem Fall in
Tateinheit
mit Zuhälterei und mit Erpressung, wegen Menschenhandels und
wegen unerlaubten
Erwerbs und Ausübens der tatsächlichen Gewalt
über eine halbautomatische
Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm sowie
wegen
unerlaubten Erwerbs von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren und drei Monaten verurteilt. Von weiteren Tatvorwürfen
hat es ihn frei-
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gesprochen. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit
seiner auf
zwei Verfahrensrügen und auf die Sachrüge
gestützten Revision. Das Rechtsmittel
hat nur hinsichtlich der Verurteilung wegen Menschenhandels Erfolg.
1. Die Verfahrensrügen sind aus den Gründen der
Antragsschrift des
Generalbundesanwalts vom 27. Dezember 2004 unbegründet. Die
Verurteilung
wegen der Waffendelikte und wegen des gewerbsmäßigen
Einschleusens von
Ausländern in zwei Fällen sowie wegen
tateinheitlicher dirigierender Zuhälterei
weist, wie der Generalbundesanwalt gleichfalls zutreffend dargelegt
hat, keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Dies gilt im Ergebnis
auch für
die tateinheitliche Erpressung zum Nachteil der G.. Ergänzend
bemerkt
der Senat:
a) Das Landgericht hat der Verurteilung des Angeklagten wegen
gewerbsmäßigen
Einschleusens von Ausländern § 92 a Abs. 1 Nr. 1,
Abs. 2 Nr. 1,
§ 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG zugrunde gelegt. Das
Ausländergesetz ist zwar mit
Wirkung vom 1.01.2005 aufgehoben und durch das Aufenthaltsgesetz
(AufenthG) ersetzt worden. Die Strafbarkeit des Angeklagten beurteilt
sich jedoch
weiterhin nach dem zur Tatzeit geltenden Recht, weil § 96 Abs.
1 Nr. 1,
Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthaltsG
ebenfalls das
Hilfeleisten zum unerlaubten Aufenthalt von Ausländern unter
Strafe stellt und
auch die Strafrahmen beider Vorschriften identisch sind. Das
Ausländergesetz
bleibt deshalb in diesem Fall anwendbar (§ 2 Abs. 1 und 3
StGB). Zwar ist das
Aufenthaltsgesetz auf polnische Staatsangehörige nach dem
Beitritt Polens zur
Europäischen Union zum 1. Mai 2004 grundsätzlich
nicht mehr anwendbar (§ 1
Abs. 2 Nr. 1 AufenthG). Der Beitritt führt jedoch nicht zur
Straflosigkeit des damaligen
unerlaubten Aufenthalts eines polnischen Staatsangehörigen
gemäß
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§ 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG vor diesem Zeitpunkt. § 2
Abs. 3 StGB gilt insoweit
nicht.
b) Die Tatbestandsvoraussetzungen der (tateinheitlichen) Erpressung
der G. sind dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe mit noch
ausreichender Gewißheit zu entnehmen. Zwar hat der Angeklagte
der Geschädigten
zunächst nur angedroht, sie nach H. zur Arbeit zu bringen, wenn
sie nicht vernünftig, ohne Alkohol, arbeite. Im weiteren
Verlauf hat der Angeklagte
dann aber über den Zeugen C. 4.000 DM dafür
gefordert, daß er die
Geschädigte „freigebe“ und sie weiter im
Club ... bleiben könne. Die vom Angeklagten
zunächst angedrohte Verbringung nach H. in ein anderes
Bordell stand damit für den Fall der Nichtzahlung weiter im
Raum und stellte für
die Geschädigte, die gern im Club … arbeitete und
diesen nicht verlassen wollte,
auch ein empfindliches Übel dar. Die dann an den Angeklagten
gezahlten
4.000 DM stammten jedenfalls teilweise aus ihrem
Prostitutionserlös und wären
ohne die Drohung des Angeklagten nicht gezahlt worden.
2. Hingegen hält die Verurteilung wegen Menschenhandels zum
Nachteil
der R. der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die
Verurteilung nach
§ 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB ist schon deshalb fehlerhaft, weil
die Feststellungen
eine vollendete Tat nach dieser Vorschrift nicht belegen (a).
§ 180 b StGB ist
im übrigen durch das am 19.02.2005 in Kraft getretene 37.
Strafrechtsänderungsgesetz
vom 11.02.2005 (BGBl. I 2005 S. 239) aufgehoben und
durch § 232 StGB ersetzt worden. Möglicherweise ist
das neue Recht in diesem
Fall milder und deshalb gemäß § 2 Abs. 3
StGB hier anwendbar (b).
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils war die am 25.
November
1984 geborene R. mit der Tochter des Angeklagten, F.,
befreundet. Beide Mädchen erwogen, durch Prostitution schnell
viel Geld zu
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verdienen. F. erwähnte, daß ihr Vater
Zuhälter sei und man im Club …
als Prostituierte arbeiten könne. Nach einiger Zeit reifte in
R. die Idee,
sich vom Angeklagten „auf den Strich“ schicken zu
lassen. Beide Mädchen
sprachen mit dem Angeklagten ab, daß R. gemeinsam mit ihm den
Club
… aufsuchen und sich dann überlegen solle, ob sie
dort arbeiten wolle oder
nicht. Der Angeklagte riet ihr wegen ihres Alters, keinen
Personalausweis mitzunehmen
und bei Razzien zu sagen, sie sei 18 Jahre alt und habe den
Personalausweis
verloren. Im März 2002 fuhr der Angeklagte mit R. zum Club
…, wo ihr eine dort angestellte Bardame die
Räumlichkeiten zeigte. Am anderen
Tag erklärte sie F. auf Befragen, daß sie noch nicht
wisse, ob sie
dort arbeiten wolle. Nach einem Gespräch mit ihrem
früheren Freund entschied
sich R., doch nicht als Prostituierte arbeiten zu wollen. Als sie dies
F. mitteilte, reagierte diese „sauer“ und forderte
sie auf, es dem Angeklagten
selbst zu sagen. Als R. dem Angeklagten ihre Entscheidung telefonisch
mitteilte, hielt er ihr vor, sie hätte eher Bescheid sagen
können, es sei schon
alles abgeklärt.
a) Nicht jede Form der Beeinflussung erfüllt das
Tatbestandsmerkmal
„Einwirken“ des § 180 b Abs. 2 Nr. 2 StGB.
Vielmehr ist unter „Einwirken“ eine
intensive Einflußnahme zu verstehen, die über eine
bloße entsprechende unmittelbare
psychische Beeinflussung hinausgeht, also mit einer gewissen
Hartnäckigkeit
geschieht. Als Mittel kommen wiederholtes Drängen,
Überreden,
Versprechungen, Wecken von Neugier, Einsatz der Autorität,
Täuschung, Einschüchterung,
Drohung oder auch Gewaltanwendung in Betracht (BGHSt 45,
158, 161 f.; BGHR StGB § 180 a Abs. 4 Einwirken 1 und 2). Nach
den bisherigen
Feststellungen hat der Angeklagte nicht in diesem Sinne auf die
Geschädigte
eingewirkt. Die Geschädigte war von sich aus an den
Angeklagten herangetreten,
weil sie erwog, als Prostituierte zu arbeiten. Der Angeklagte hatte
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sie auf eigenen Wunsch zu dem in Betracht gezogenen künftigen
Arbeitsplatz
gefahren, damit sie sich den Club anschauen konnte. Soweit der
Angeklagte
ihr anschließend vorwarf, sie hätte eher Bescheid
sagen können, daß sie doch
nicht dort arbeiten wolle, lassen die Feststellungen - entgegen der
Auffassung
des Landgerichts bei seiner rechtlichen Würdigung - schon
nicht hinreichend
erkennen, daß der Angeklagte diesen Vorhalt gemacht hat, um
die Geschädigte
damit noch umzustimmen. Im übrigen würde es auch bei
einem einmaligen
Vorhalt an der vom Gesetz erforderten Hartnäckigkeit der
Einflußnahme fehlen.
Daß der Angeklagte weitere „Vorhalte“
gemacht hat (UA S. 43), ist nicht ausdrücklich
festgestellt.
Nach den bisherigen Feststellungen hat sich der Angeklagte aber des
versuchten Menschenhandels strafbar gemacht, indem er der
Geschädigten
den Club … gezeigt hat, in dem sie die Prostitution
aufnehmen sollte. Die Tatbestandsalternative
des „ dazu Bringens“ setzt nicht die für
ein „Einwirken“ erforderliche
Hartnäckigkeit voraus; vielmehr reicht ein schlichtes Angebot
oder -
wie hier - die Vermittlung an einen Prostitutionsbetrieb (vgl. zum
„Zuführen“
nach § 180 Abs. 4 StGB a. F. BGH StV 1986, 297). Da es in der
Folge nicht zu
Prostitutionshandlungen der Geschädigten gekommen ist, liegt
allerdings nur
ein Versuch vor. Der Senat hat davon abgesehen, den Schuldspruch selbst
umzustellen, weil zum einen weitere Feststellungen insoweit
möglich erscheinen
und zum anderen auch eine Verurteilung nach § 232 StGB in
Betracht
kommt.
b) Nach § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB in der Fassung des 37.
StrÄndG wird
mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wer
eine
Person unter einundzwanzig Jahren zur Aufnahme oder Fortsetzung der
Prostitution
oder zu sexuellen Handlungen bringt, durch die sie ausgebeutet wird.
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Der Versuch ist nach § 232 Abs. 2 StGB strafbar; §
232 Abs. 3 Nr. 3 StGB sieht
eine erhöhte Strafdrohung von einem Jahr bis zu zehn Jahren
vor, wenn der
Täter die Tat gewerbsmäßig begeht, was hier
naheliegt. Dennoch vermag der
Senat nicht auszuschließen, daß das neue Recht im
konkreten Fall milder sein
könnte. § 232 Abs. 5 StGB sieht für minder
schwere Fälle des Absatzes 1 eine
Freiheitsstrafe von drei Jahren bis zu fünf Jahren,
für solche des Absatzes 3
von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor. Die Strafdrohung
für einen minder
schweren Fall ist damit selbst bei gewerbsmäßigem
Handeln milder als die
Strafdrohung nach altem Recht. Der Senat vermag angesichts der
bisherigen
Feststellungen nicht auszuschließen, daß der
Tatrichter hier auch ohne Berücksichtigung
des vertypten Strafmilderungsgrundes nach § 23 Abs. 2,
§ 49
Abs. 1 StGB einen minder schweren Fall annehmen könnte, so
daß das neue
Recht milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB wäre.
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 3 führt auch zur
Aufhebung
der Gesamtfreiheitsstrafe. Der Senat schließt aus,
daß die anderen Einzelstrafen
von dem Rechtsfehler beeinflußt sind.
Rissing-van Saan Detter Otten
Rothfuß Roggenbuck |