BGH,
Beschl. v. 7.12.2000 - 1 StR 414/00
§§ 211 Abs. 2, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB
Zum Verhältnis der Mordmerkmale Habgier und Verdeckung einer
anderen Straftat bei einem der Tötung des Tatopfers
vorausgegangenen vollendeten, aber noch nicht beendeten Raub.
BGH, Beschl. vom 7. Dezember 2000 - 1 StR 414/00 - LG - SchwG
Ravensburg -
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 414/00
vom
7. Dezember 2000
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Dezember 2000
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts
Ravensburg vom 4. Mai 2000 aufgehoben, soweit die besondere Schwere der
Schuld des Angeklagten festgestellt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
2. Die Revision der Angeklagten S. gegen das oben genannte Urteil wird
als unbegründet verworfen.
Die Angeklagte trägt die Kosten ihrer Revision und die dem
Nebenkläger durch dieses Rechtsmittel im Revisionsverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe:
Den Angeklagten liegt zur Last, im Juli 1999 den 70 jährigen
K. in seiner Wohnung beraubt und getötet zu haben. Das
Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen schweren Raubes in
Tateinheit mit Mord zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.
Hinsichtlich des Angeklagten G. hat es die besondere Schwere der Schuld
festgestellt. Der Angeklagte G. erhebt mit seiner Revision die
Sachrüge. Im einzelnen wendet er ein, das Landgericht habe die
besondere Schwere der Schuld zu Unrecht u.a. damit begründet,
bei der Tötungshandlung seien zwei Mordmerkmale verwirklicht
worden. Die Angeklagte S. erhebt eine Verfahrensrüge und die
Sachrüge. Das Rechtsmittel des Angeklagten G. dringt mit der
Sachrüge durch, soweit es sich um seine Beweggründe
bei der Tat und um die Feststellung der besonderen Schuldschwere
handelt; im übrigen ist sie unbegründet. Die Revision
der Angeklagten S. ist unbegründet.
I. Die Revision des Angeklagten G.
1. Die Überprüfung des Schuldspruchs auf die vom
Angeklagten erhobene Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zu
seinem Nachteil ergeben. Allerdings begegnet die Annahme der
Strafkammer, die Angeklagten hätten das Tatopfer nicht nur zur
Verdeckung einer anderen Straftat, sondern auch aus Habgier
getötet, durchgreifenden rechtlichen Bedenken, ohne
daß der Schuldspruch aufgehoben werden
müßte.
a) Zur Planung und zur Tatausführung hat die
Schwurgerichtskammer folgendes festgestellt: Die Angeklagten befanden
sich in einer finanziellen Notlage. Sie hatten jeweils Geldschulden,
Rechnungen standen offen und am Pkw des Angeklagten G. war Totalschaden
entstanden. Sie beschlossen gemeinsam, sich bei K. auf illegale Weise
Geld zu beschaffen. Dabei gingen sie von einer nicht unbedeutenden
Beute aus. Sie planten von vornherein, das Tatopfer zunächst
nur zu überwältigen, damit es für
Auskünfte über Geldverstecke zur Verfügung
stehe und es danach zu töten, um später nicht als
Täter identifiziert zu werden und auch unerkannt entkommen zu
können. In Ausführung des gemeinsamen Planes begaben
sich die Angeklagten zum Haus des K. . Dort versetzte der Angeklagte G.
dem bis dahin völlig Ahnungslosen wuchtige
Faustschläge ins Gesicht und setzte auch ein Messer gegen ihn
ein. Anschließend fesselten die Angeklagten ihn. Dabei oder
danach nahm die Angeklagte S. dem Tatopfer den Geldbeutel samt Bargeld
und Scheckkarte aus der Gesäßtasche. K.
mußte die zum Gebrauch der Scheckkarte notwendige
Geheimnummer nennen. Dieses Vorgehen war - plangemäß
- noch nicht von einem Tötungsvorsatz getragen. Zielrichtung
war vielmehr, sich K. gefügig zu machen und ihn massiv
einzuschüchtern, um die Wegnahme von Geld und Wertsachen ohne
Widerstand des Tatopfers zu ermöglichen und weitere
Auskünfte über Aufbewahrungsorte von Geld oder
Wertsachen zu erhalten. Die Angeklagte S. durchsuchte das Haus des
Opfers, fand jedoch kein Bargeld mehr. In Ausführung des
ursprünglichen Planes kam es - nachdem sie ihr Ziel,
Vermögenswerte an sich zu bringen, erreicht hatten - nun zur
Tötung des K. . Der Angeklagte G. stach mit direktem
Tötungsvorsatz vielfach in die Herz- und Brustgegend und
schnitt dem Opfer die Kehle durch. Der Tod trat durch Verbluten ein.
Nach Verlassen des Tatortes versuchten die Angeklagten zweimal
vergeblich, mit der entwendeten Scheckkarte bei einem Geldautomaten
Geld abzuheben.
b) Das Landgericht hat die Wegnahme der Wertgegenstände und
die Tötung von K. zu Recht als schweren Raub in Tateinheit mit
Mord zur Verdeckung einer anderen Straftat nach § 211 Abs. 2
StGB einer Straftat gewertet. Der Senat vermag der Auffassung des
Generalbundesanwalts nicht zu folgen, es liege entsprechend der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kein Verdeckungsmord vor, weil
die Angeklagten keine andere Tat beabsichtigten, sondern
planmäßig nur den Raubmord, den sie gerade begingen,
"verdecken" wollten (BGH, Beschl. v. 10. Mai 2000 - 1 StR 617/99 -; BGH
NStZ 1992, 127, 128; 1990, 385; 1983, 34, 35; BGH, Urt. v. 1. Oktober
1985 - 5 StR 450/85 -; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl.
§ 211 Rdn. 9b).
Die Angeklagten hatten schon vor Begehung der zu verdeckenden Straftat
die Tötung des Opfers beabsichtigt. Sie hatten von Anfang an
ein zweiaktiges Geschehen geplant. Zunächst sollte das Opfer
mit Gewalt zur Preisgabe der Aufbewahrungsorte der Wertsachen gezwungen
und beraubt werden; sodann sollte zur Verdeckung dieses Raubes - der
eine andere Tat im Sinne des § 211 StGB war - getötet
werden. Nach diesem Tatplan begingen die Angeklagten einen
wohlüberlegten - die besondere Verwerflichkeit
begründenden - Verdeckungsmord (BGHSt 35, 116 ff. m.w.Nachw.).
Diesen Tatplan führten die Angeklagten auch aus.
c) Dagegen tragen die Urteilsgründe nicht die Annahme des
Landgerichts, die Angeklagten hätten K. auch aus Habgier
getötet.
Ein Täter handelt aus Habgier, wenn sich die Tat als Folge
eines noch über bloße "Gewinnsucht" hinaus
gesteigerten abstoßenden Gewinnstrebens um jeden Preis
(insbesondere um den Preis des Todes des Geschädigten)
darstellt (BGH NJW 1995, 2365, 2366; Tröndle/Fischer aaO Rdn.
5 m.w.Nachw.). Handelt der Täter aus einem
"Motivbündel" heraus, so muß eine Gesamtbetrachtung
der verschiedenen Motive ergeben, daß dieses Gewinnstreben
tatbeherrschend und damit bewußtseinsdominant war
(Tröndle/ Fischer aaO; BGH StV 1993, 360; 1986, 47, BGH NStZ
1989). Feststellungen dazu fehlen.
Zwar liegt Habgier bei einem Raub mit anschließender
Tötung des Raubopfers in der Regel nahe, wenn es dem am Tatort
befindlichen Täter bei der Tötungshandlung auch um
die Sicherung und die ungestörte Verwertung der Beute geht.
Der Annahme der Habgier hätte deshalb hier nicht entgegen
gestanden, daß die Angeklagten erst mit der
Tötungshandlung begonnen hatten, als die Raubhandlung bereits
vollendet war. Denn der Raub war zu diesem Zeitpunkt noch nicht
beendet. Somit hätte die Habgier für die Angeklagten
mitbestimmend sein können, sich mit der Tötung des
Geschädigten den noch gefährdeten Besitz an der Beute
endgültig zu sichern (BGH NStE 1988, Nr. 18; BGH NJW 1991,
1189; Tröndle/Fischer aaO Rdn. 5). Hier war K. aber bereits
gefesselt und es war gerade nicht zwingend, daß die
Angeklagten das Tatopfer zur Sicherung der Beute noch hätten
töten müssen. Da die Kammer angenommen hat, die
Angeklagten hätten von Anfang an geplant, den
Geschädigten zur Verdeckung ihres Raubes zu töten,
hätte es angesichts dieser tatberrschenden Motivlage
näherer Ausführungen zu weiteren
bewußtseinsdominierenden Vorstellungen und Motiven der
Angeklagten in Richtung auf Habgier bei der Tötungshandlung
bedurft.
2. Der festgestellte Rechtsfehler nötigt nur zur Aufhebung des
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache, soweit
hinsichtlich des Angeklagten die besondere Schwere der Schuld nach
§ 57a StGB festgestellt worden ist. Das Landgericht
muß darüber neu entscheiden. Dabei wird es auf der
Grundlage der getroffenen Feststellungen, die von dem Rechtsfehler
nicht berührt sind und deshalb bestehen bleiben,
zunächst prüfen, ob der Angeklagte nicht nur zur
Verdeckung einer anderen Straftat, sondern auch aus Habgier
getötet hat. Insoweit sind auch ergänzende
Feststellungen zur inneren Tatseite, die den bereits getroffenen nicht
widersprechen dürfen, zulässig (BGHSt 41, 222, 223;
noch offengelassen in BGHSt 41, 57, 61; BGH NStZ 1994, 583). Denn diese
neu zu treffenden Feststellungen beziehen sich zwar auf ein
Tatbestandsmerkmal, sie können aber unter den Voraussetzungen
des vorliegenden Falles weder auf den Schuldspruch noch auf den
Strafausspruch Einfluß haben.
Zwar hätte die Schwurgerichtskammer auch ohne das Vorliegen
zweier Mordmerkmale die besondere Schuldschwere feststellen
können. Denn sie weist auch im übrigen auf den
erhöhten Unrechtsgehalt der Tatausführung hin. Das
gesamte Tatgeschehen zeige die rohe und brutale Gesinnung des
Angeklagten, der das Opfer während des gesamten Tatgeschehens
rücksichtslos und erbarmungslos behandelt habe. Auch hat das
Landgericht das Gewinnstreben als Triebfeder der Mordtat erkannt und
als straferschwerend das Hinzutreten des nicht unerheblichen Delikts
des schweren Raubes gewertet. Der Senat ist an einer eigenen
abschließenden Entscheidung über die besondere
Schuldschwere gehindert, weil er sonst seine Wertung an die Stelle der
vom Tatrichter vorzunehmenden Gesamtwürdigung setzen
würde (BGHR StGB § 57a Abs. 1 Schuldschwere 18
m.w.Nachw.).
II. Die Revision der Angeklagten S.
1. Die von der Angeklagten erhobene Verfahrensrüge ist aus den
Gründen, die der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift
angeführt hat, unbegründet.
2. Die Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen die
Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Das Schwurgericht hat
die Angeklagte wegen Mordes verurteilt; jedoch hat es die besondere
Schuldschwere nicht festgestellt. Der Wegfall des weiteren Mordmerkmals
der Habgier läßt die rechtliche Einordnung der Tat
und den Strafausspruch im Ergebnis unberührt (vgl. zum
Hinzutreten eines weiteren Mordmerkmals BGHSt 41, 57, 60).
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