BGH,
Beschl. v. 7.1.2008 - 5 StR 417/07
5 StR 417/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
7.1.2008
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7.1.2008
beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Chemnitz vom 16. Mai 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO im
Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
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G r ü n d e
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Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Mit ihrer Revision
rügt die Angeklagte die Verletzung förmlichen und
sachlichen Rechts. Soweit es den Schuldspruch betrifft, ist das
Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO. Dagegen kann der Strafausspruch keinen Bestand haben.
1. Im Rahmen der Strafzumessungserwägungen hat die Strafkammer
zunächst einen minder schweren Fall (§ 213 StGB)
geprüft und hat hierzu ausgeführt, dass die
Angeklagte die Tat im Zustand erheblich verminderter
Schuldfähigkeit begangen habe, dass sie nicht vorbestraft sei
und lediglich bedingter Tötungsvorsatz vorliege. Zugunsten der
Angeklagten ist die Schwurgerichtskammer „naheliegend und
nach dem Grundsatz in dubio pro
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reo“ weiter davon ausgegangen, dass die Tat der stark
alkoholisierten Angeklagten eine Reaktion auf eine verbale und auch
körperliche Auseinandersetzung mit ihrem ebenfalls stark
alkoholisierten Ehemann gewesen sei. Au-ßerdem habe sie ihrem
Ehemann durch Verständigung eines Zeugen noch medizinische
Hilfe zukommen lassen wollen. Die Tat sei daher als sonstiger minder
schwerer Fall im Sinne des § 213 StGB zu werten. Eine weitere
Milderung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB hat das
Schwurgericht nicht vorgenommen, weil sich die Eheleute in der
Vergangenheit auch bei verbalen Auseinandersetzungen gegenseitig
geschubst und geboxt hätten und die Tat naheliegend auf die
erhebliche Alkoholisierung beider Ehegatten
zurückzuführen sei. In nüchternem oder
weniger alkoholisiertem Zustand hätte die Angeklagte ihrem
Mann das Messer nicht in den Bauch gestoßen.
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2. Die Strafrahmenwahl des Schwurgerichts hält rechtlicher
Prüfung nicht stand.
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a) Angesichts der Feststellungen zu Verletzungen, welche das Opfer der
Angeklagten zugefügt hat und die naheliegend Anlass zur
Tatbegehung gegeben haben könnten, war eine vorrangige
Prüfung der ersten Alternative des § 213 StGB
unerlässlich. Bei Annahme der ersten Alternative des
§ 213 StGB wäre eine weitere Strafrahmenverschiebung
gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nach
§ 50 StGB nicht verwehrt.
b) Aber auch zur zweiten Alternative des § 213 StGB gilt:
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Liegt mit § 21 StGB ein so genannter vertypter Milderungsgrund
vor und trifft ein derartiger Milderungsgrund mit allgemeinen (nicht
vertypten) Milderungsgründen zusammen, so ist im Rahmen der
gebotenen Gesamtbetrachtung aller maßgebenden
Strafzumessungstatsachen zunächst - unter Ausklammerung des
besonderen Grundes - allein auf die allgemeinen
Milderungsgründe abzustellen. Führt diese
Prüfung nach Auffassung des Tatrichters bereits zur Annahme
eines minder schweren Falles, dann kann (§§ 21,
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23 Abs. 2 StGB) oder muss (§ 27 Abs. 2 Satz 2 StGB) der so
gefundene Strafrahmen nochmals nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert
werden. Das Verbot der Doppelverwertung (§ 50 StGB) steht dem
nicht entgegen, weil der besondere Milderungstatbestand durch die
Annahme eines minder schweren Falles noch nicht
„verbraucht“ ist (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl.
§ 50 Rdn. 4, 4a m.w.N.). Im Hinblick auf die im Rahmen der
Strafbemessung vom Landgericht erörterten
Strafmilderungsgründe liegt es nicht fern, dass diese allein
schon hinreichender Anlass für die Annahme eines sonstigen
minder schweren Falles im Sinne des § 213 StGB gewesen
wären.
c) Zudem sind die von der Schwurgerichtskammer genannten konkreten
Gründe für die Versagung einer nochmaligen
Strafmilderung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB
fragwürdig. Dass die Angeklagte ohne die Einwirkung des
Alkohols nicht zugestochen hätte, zeigt gerade, dass sie sich
in einem psychischen Ausnahmezustand befand, der nach den
Feststellungen des sachverständig beratenen Landgerichts zu
einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne
des § 21 StGB führte und deshalb den Weg zu einer
Milderung der Strafe gemäß § 49 Abs. 1 StGB
überhaupt erst eröffnete.
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Im Übrigen wäre eine Tragfähigkeit der
Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21,
49 Abs. 1 StGB unter Berufung auf BGHSt 49, 239 hier
fragwürdig, weil die Feststellungen darauf hindeuten, dass die
körperlichen Übergriffe eher von dem
späteren Opfer ausgegangen sind.
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