BGH,
Beschl. v. 7.1.2009 - 3 StR 458/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 458/08
vom
7. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 7. Januar 2009 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Kiel vom 12. Juni 2008 mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten
in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit
Urkundenfälschung unter Einbeziehung von Strafen aus einer
früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren sowie wegen banden- und gewerbsmäßigen
Betrugs in sieben Fällen, davon in fünf
Fällen jeweils in Tateinheit mit banden- und
gewerbsmäßiger Urkundenfälschung, sowie
wegen Urkundenfälschung zu einer weiteren
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die
auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte
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Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel
ersichtlichen Teilerfolg.
Zum Schuld- und Strafausspruch hat die Überprüfung
des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
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Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung
zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
unterblieben ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der
Angeklagte seit 2003 bis zu seiner Festnahme im November 2007 Kokain zu
sich und benötigte zuletzt pro Woche ca. vier bis
fünf Gramm des Betäubungsmittels. Die abgeurteilten
Straftaten beging der Angeklagte, um sich Drogen zu beschaffen und
seine finanzielle Notlage zu verbessern. Dies drängte zu der
Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt gegeben sind.
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Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt muss nach alledem - unter Hinzuziehung eines
Sachverständigen (§ 246 a StPO) - neu verhandelt und
entschieden werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte
nicht gefährlich im Sinne dieser Vorschrift ist oder keine
hinreichend konkrete Aussicht besteht, ihn durch die Behandlung in
einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder über
eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren
(§ 64 Satz 2 StGB), sind nicht ersichtlich.
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Der Generalbundesanwalt hat die Verwerfung der Revision des Angeklagten
beantragt und im Hinblick auf die fehlende Entscheidung zu §
64 StGB
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ausgeführt, der Beschwerdeführer sei durch die
Nichtanordnung der Maßregel nicht beschwert. Insoweit gilt
Folgendes:
Die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB
beschwert den Angeklagten nach bisheriger Rechtsprechung nicht. Dies
führt zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels des
Angeklagten, mit dem dieser allein die Nichtanordnung der
Maßregel beanstandet (st. Rspr.; BGHSt 28, 327, 330; 37, 5,
7; 38, 4, 7; 38, 362, 363; BGH NStZ-RR 2008, 142). Dies hindert das
Revisionsgericht indes nicht, auf eine zulässig erhobene - und
die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich
vom Angriff ausnehmende (vgl. BGHSt 38, 362 f.) - Revision des
Angeklagten das Urteil aufzuheben, wenn eine Prüfung der
Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen
Feststellungen dazu gedrängt haben (st. Rspr.; BGHSt 37, 5;
BGH, Beschl. vom 5. Februar 2002 - 1 StR 9/02; Beschl. vom 20. Februar
2008 - 2 StR 37/08; Beschl. vom 3. März 2008 - 3 StR 51/08;
Beschl. vom 7. Oktober 2008 - 4 StR 257/08; Beschl. vom 13. November
2008 - 5 StR 507/08). Aus Gründen der
Prozesswirtschaftlichkeit ist das Revisionsgericht nicht gezwungen,
auch bei solchen Rechtsfehlern einzugreifen, die den Angeklagten nicht
beschweren. Die Berechtigung zu einem Eingriff ist dadurch nicht
berührt. "Durch das Verschlechterungsverbot ist der Angeklagte
nur davor geschützt, dass das Urteil in Art und Höhe
der Strafe zu seinem Nachteil geändert wird. Eine
Verschärfung im Schuldspruch muss er dagegen mit der Einlegung
des Rechtsmittels in Kauf nehmen (BGHSt 21, 256, 260; BGH JZ 1978,
245). Ebenso wenig ist er davor bewahrt, dass in der
Rechtsmittelinstanz oder nach Zurückverweisung die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer
Entziehungsanstalt angeordnet wird (§ 331 Abs. 2, §
358 Abs. 2 Satz 2 [jetzt: Satz 3] StPO). Auch diese Folge nimmt er mit
der Einlegung des Rechtsmittels in Kauf. Deshalb kann das
Revisionsgericht, ohne dass es auf eine Beschwer des Angeklagten
ankommt, auf die Sachrüge in den
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Rechtsfolgenausspruch eingreifen, sofern dieser keine Entscheidung
über die Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt enthält" (BGHSt 37, 5).
An dieser Möglichkeit des Revisionsgerichts hat die
Novellierung der §§ 64, 67 StGB durch das Gesetz zur
Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in
einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) nichts
geändert. Gegenteiliges kann auch dem Beschluss vom 22. Januar
2008 - 1 StR 607/07 - (juris - bei dem in NStZ 2008, 353 abgedruckten
Beschluss vom selben Tag unter demselben Aktenzeichen handelt es sich
um eine Parallelsache) nicht entnommen werden. Der 1. Strafsenat hat in
dieser Sache der Revision des Angeklagten, mit der neben anderen
Beanstandungen auch die Nichtanwendung des § 64 StGB
gerügt worden war, den Erfolg versagt, weil "die Strafkammer
bei der Prüfung und Verneinung der Notwendigkeit einer
Unterbringung von zutreffenden Maßstäben ausgegangen
ist" (BGH aaO). Auf eine Beschwer des Angeklagten kam es, nachdem die
Prüfung einen Rechtsfehler gerade nicht erbracht hatte, nicht
an.
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Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei
Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt
hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
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Der neue Tatrichter wird im Falle der Anordnung der Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 Satz
2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB über die Reihenfolge der
Vollstreckung von Strafe und Maßregel zu befinden haben (vgl.
BGH NStZ 2008, 28; NStZ-RR 2008, 74). Die Dreijahresgrenze des
§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB ist auch überschritten, wenn
- wie hier - zwei Gesamtstrafen gebildet worden sind, die nur zusammen
mehr als drei Jah
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re betragen. Bei Vorwegvollzug eines Teils der verhängten
Freiheitsstrafe wird es für dessen Berechnung notwendig sein,
die für den Angeklagten voraussichtlich erforderliche
Therapiedauer zu bestimmen.
Becker Miebach Pfister
Sost-Scheible Hubert |