BGH,
Beschl. v. 7.7.2004 - 5 StR 412/03
5 StR 412/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 7. Juli 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juli 2004
beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Rostock vom 23. Dezember 2002 nach
§ 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
1. soweit der Angeklagte wegen Untreue (Fall II. 1
der Urteilsgründe) verurteilt worden ist; insoweit
wird das Verfahren auf Kosten der Staatskasse,
die auch die hierdurch entstandenen notwendigen
Auslagen des Angeklagten trägt, eingestellt
(§ 206a StPO);
2. mit den Feststellungen, soweit der Angeklagte im
übrigen verurteilt worden ist.
II. Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren, soweit
es nicht eingestellt ist, zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die verbleibenden Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freisprechung im
übrigen
- wegen Untreue, Betrugs in drei Fällen und versuchter
Steuerhinterziehung
in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren
und neun
Monaten verurteilt. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit
Verfahrensrügen
und der Sachrüge, ferner macht er ein Verfahrenshindernis gel-
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tend. Die Revision des Angeklagten führt zur Einstellung des
Verfahrens hinsichtlich
des Tatvorwurfs der Untreue wegen Verjährung und zur Aufhebung
des Urteils, soweit der Angeklagte im übrigen verurteilt
worden ist.
1. Die Verurteilung wegen Untreue hat keinen Bestand, weil insoweit
jedenfalls Verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 2 Nr. 4
StGB) eingetreten ist.
a) Das Landgericht hat hinsichtlich des Vorwurfs der Untreue folgende
Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte bemühte sich nach seinem Rücktritt als
Bundesminister,
eine Existenz als selbständiger Unternehmer aufzubauen. Im
Sommer
1993 erwarb er zu diesem Zweck 75 % der Gesellschaftsanteile der I
GmbH, die später als A I GmbH bzw. A I
GmbH firmierte (A I GmbH)
und deren alleinvertretungsberechtigter
Geschäftsführer er wurde. Darüber
hinaus wurde er Mehrheitsgesellschafter der in der Schweiz
gegründeten
Firma A I AG. In dieser Gesellschaft übernahm er die Funktion
des Präsidenten des Verwaltungsrates und wurde neben dem
Zeugen W
alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer.
Am 26. Juli 1993 erhielt der Angeklagte von der Bayerischen Landesbank
ein - nur unzureichend besichertes - Darlehen in Höhe von
elf Mio. DM, dessen Zweck nach dem zugrundeliegenden Rahmenvertrag die
Mitfinanzierung diverser Bauträgermaßnahmen war. Das
Geld aus dem
Darlehen stellte der Angeklagte der A I GmbH mit mehreren
Gesellschafterdarlehen
zur Verfügung und leitete es in der Folgezeit an die A
I AG weiter. Zu diesem Zweck wurden zwischen diesen beiden
Gesellschaften
Treuhandverträge abgeschlossen, nach denen die A I
AG das Geld „künftig für Rechnung der A I
GmbH verwalten und
möglichst zinsgünstig anlegen“ sollte; eine
Absicherung zugunsten der A
I GmbH war nicht vorgesehen. Die A I AG schloß mit
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der Firma F A S (FAS), welche ihrerseits mit der F
C T AG (FCT AG) zusammenarbeitete, einen Anlage- und
Treuhandvertrag ab, mit dem das Geld in einem angeblich risikolosen und
außerordentlich ertragreichen Dollar-Yen-Programm (5 % Zinsen
pro Monat)
angelegt werden sollte. Eine Absicherung des Investors war in dem
Vertrag
nicht vorgesehen. In der Folgezeit flossen insgesamt 8,7 Mio. DM an die
FAS, wobei der Angeklagte den Verlust des Geldes zumindest billigend in
Kauf nahm. Darüber hinaus wurde ein Teil der angeblichen
Renditen in das
Dollar-Yen-Programm reinvestiert, so daß sich eine
Anlagesumme von rund
9,78 Mio. DM ergab.
Im November 1993 bemühte sich der Angeklagte bei der Deutschen
Bank vergeblich um einen Kredit von bis zu 260 Mio. DM zur Umsetzung
eines
weiteren Projekts. Gelder aus dem Darlehen, die bei der Projektumsetzung
nicht unmittelbar benötigt wurden, sollten über die A
I AG bei
Investmentgesellschaften mit einer garantierten Rendite von 12 %
jährlich
angelegt werden. Bei der Ablehnung des Kreditwunsches warnten
Mitarbeiter
der Bank den Angeklagten ausdrücklich vor vermeintlich
hochverzinslichen
Geldanlagen, da diese oft hochspekulativ und risikobehaftet seien.
Im Anschluß daran versuchte der Angeklagte etwa ab Januar
1994,
Anteile einer in Deutschland ansässigen Bank zu erwerben, um
sich so eine
Geldquelle für seine Geschäfte zu
erschließen. Um den Kaufpreis für den in
Aussicht genommenen Erwerb von 50 % des Aktienkapitals der B C
N AG (BCN AG) aufzubringen, schlossen die A I AG und
die FAS am 3. Februar 1994 einen Darlehensvertrag über 10 Mio.
DM ab.
Als Sicherheit verpfändete die A I AG die Dollar-Yen-Anlage.
Der
Darlehensbetrag wurde bis Anfang März 1994
tatsächlich fast vollständig auf
privaten Konten des Angeklagten gutgeschrieben.
Etwa zur gleichen Zeit hatte der Finanzvermittler S dem ihm
bekannten R , der als Vertreter der FCT AG auftrat, eine weitere
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Investition in ein angeblich hochverzinsliches Tradingprogramm
angeboten.
Da R selbst nicht in der Lage war, das erforderliche Kapital
aufzubringen,
drängte er den Angeklagten, ihm das Geld zur
Verfügung zu stellen.
Unter erneuter Zurückstellung aller vernünftigen
Zweifel und Bedenken hinsichtlich
der Seriosität und Machbarkeit solcher Anlagen, ging der
Angeklagte
darauf ein, indem er 8,3 Mio. DM am 15. Juni 1994 an S
überwies.
S bestätigte mehrfach wahrheitswidrig, das Geld sei
- durch werthaltige Sicherheiten besichert - in das Investmentprogramm
geflossen.
Tatsächlich hatte er den gesamten Betrag am 2. Juli 1994 dem
anderweitig
verfolgten B zur freien Verfügung gestellt. Nach den
Feststellungen
des Landgerichts führte B damit kein Investmentprogramm
durch, sondern er verbrauchte das Geld bis zum 31. Dezember 1994 fast
vollständig im eigenen Interesse für andere Zwecke.
Bereits ab Februar 1994 gab es wegen angeblicher „interner
Probleme
bei der Abwicklung“ Unregelmäßigkeiten bei
den Renditezahlungen aus dem
Dollar-Yen-Programm. Ungeachtet dessen schlossen die A I AG
und die FCT AG (die FAS findet keine Erwähnung mehr) einen
weiteren Anlage-
und Treuhandvertrag, der mit dem ursprünglichen weitgehend
übereinstimmte
und diesen ersetzte. Nachdem auch in der Folgezeit keine weiteren
Renditezahlungen erfolgten, kam es bei einer Unterredung am 23. Juli
1994
zwischen dem Angeklagten und R zur vorfristigen Kündigung des
Dollar-Yen-Programms und der Investition der Anlagesumme in eine
„alternative
Finanzanlage“ bei einer monatlichen Verzinsung von 5 %.
Im Frühsommer 1995 erfuhr der Angeklagte, daß S die
ihm
zur Geldanlage überlassenen 8,3 Mio. DM an B weitergereicht
hatte.
Der Angeklagte erreichte, daß „die A I AG die
Anlage bei B in
Höhe von 5 Mio. US-Dollar nunmehr unmittelbar
übernahm“. Damit sollten
die Ansprüche der A I AG gegen die FAS und die FCT AG
abgegolten
sein. In Verhandlungen mit B gelang es dem Angeklagten, diesen
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in der Zeit zwischen Juni und August 1995 zu Rückzahlungen von
ca.
1,5 Mio. DM zu veranlassen.
Trotz des Abschlusses weiterer Nachfolgeverträge (unter
anderem mit
einer weiteren Firma A F G L mit Renditen von
jährlich bis zu 100 % sowie dem Abschluß von
Managementverträgen
betreffend wertlose goldgestützte Deutsche
Äußere Anleihen von 1924) blieben
Renditezahlungen aus. Im Jahr 1997 kam es zum Konkursverfahren
über
das Vermögen der FCT AG. Forderungen der A I AG konnten im
Konkurs wegen der durch den Angeklagten erklärten
Verrechnungen nicht
mehr durchgesetzt werden.
Die Weitergabe der als Gesellschafterdarlehen in die A I
GmbH eingebrachten Beträge an die A I AG und deren Anlage in
dem hochspekulativen und unseriösen Dollar-Yen-Programm
führten zu einer
Überschuldung der GmbH und letztlich zu deren Insolvenz.
Das Landgericht hat dieses Vorgehen des Angeklagten als Untreue
zum Nachteil der A I GmbH gewertet, weil die Weggabe fast des
gesamten Gesellschaftsvermögens der A I AG ohne erforderlichen
Gesellschafterbeschluß erfolgt sei und der Kapitalverlust zu
einer dauerhaften
Überschuldung der Gesellschaft geführt habe. Nach
Auffassung des
Landgerichts war insoweit auch keine Verjährung eingetreten.
Der für den
Beginn der Verjährungsfrist maßgebliche
Beendigungszeitpunkt der Untreue
sei hier in den von B auf Druck des Angeklagten vorgenommenen
Rückzahlungen
im Zeitraum Juni bis August 1995 zu sehen. Danach habe die
staatsanwaltschaftliche Anordnung der Beschuldigtenvernehmung wegen
des Vorwurfs der Untreue vom 20. Oktober 1999 die
Verjährungsfrist rechtzeitig
unterbrochen. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht
stand.
b) Nach § 78a Satz 1 StGB beginnt die Verjährung mit
der Beendigung
der Tat. Die Untreue im Sinne von § 266 StGB ist beendet mit
dem
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Eintritt des vom Vorsatz umfaßten Nachteils. Entsteht der
Nachteil erst durch
verschiedene Ereignisse oder vergrößert er sich nach
und nach, dann ist der
Zeitpunkt des letzten Ereignisses maßgebend (vgl. BGHR StGB
§ 78a Satz 1
Untreue 1; BGH NStZ 2003, 540 f. m.w.N.).
Es erscheint nicht gänzlich ausgeschlossen, die Beendigung der
Untreue
zum Nachteil der A I GmbH bereits in der ursprünglichen
Überweisung
des Geldes zur Anlage in ein völlig unseriöses
Investmentprogramm
wie das Dollar-Yen-Programm zu sehen. Aber auch wenn man eine
Ersetzung der ursprünglichen Geldanlage darin sieht,
daß der Angeklagte im
Juni 1994 einen - darlehensweise erlangten - Betrag von 8,3 Mio. DM
für ein
weiteres hochspekulatives Investmentprogramm bereitstellte, war der
Nachteil
im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB jedenfalls mit
Überweisung dieses Betrages
am 15. Juni 1994 durch den Angeklagten an S eingetreten
und spätestens durch dessen Überweisung an B am 2.
Juli 1994 endgültig.
Der Lauf der Verjährung wurde erstmals durch die Anordnung der
Beschuldigtenvernehmung
wegen des Vorwurfs der Untreue am 20. Oktober
1999 unterbrochen, mithin erst nach Ablauf der
fünfjährigen Verjährungsfrist
(§ 78 Abs. 2 Nr. 4 StGB).
Dabei kommt es nicht darauf an, ob bei dem vom Landgericht
festgestellten
Geschehen neben der ausgeurteilten Untreue (unbesicherte Verschiebung
fast des gesamten Gesellschaftsvermögens der A I
GmbH an die A I AG zur Anlage in hochspekulativen
Geldgeschäften)
weitere untreuerelevante Handlungen des Angeklagten vorliegen.
So könnte die zweckwidrige Verwendung des bei der FAS
aufgenommenen
Darlehens (Überweisung an S statt Erwerb von Anteilen der BCN
AG) ebenso als Untreue zu werten sein, wie die
„Verpfändung“ der Dollar-
Yen-Anlage als Sicherheit (insoweit verfügte die A I AG
über treuhänderisch
angelegtes Geld der A I GmbH und entwertete letztlich
deren Rückzahlungsanspruch). Eine genaue rechtliche Bewertung
ist indes
mangels ausreichend getroffener Feststellungen hinsichtlich der
jeweiligen
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konkreten vertraglichen Ausgestaltungen und der Verantwortlichkeiten
nicht
möglich. So bleibt unklar, auf welcher Grundlage die
Überweisung an S
erfolgte und wer insoweit Vertragspartner des S war (der Angeklagte
persönlich, R oder die A I AG). Weiterhin unterzeichnete
nach den Feststellungen des Landgerichts der Zeuge W
die für die A I AG abgeschlossenen Verträge.
Inwieweit der Angeklagte
auf den Abschluß der Verträge bzw. auf den Zeugen W
Einfluß
nahm, ist im Urteil nicht näher dargelegt.
Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil hier der Nachteil - sowohl
der vom Landgericht ausgeurteilten Untreue als auch der weiteren in
Betracht
kommenden Untreuehandlungen, die den ursprünglichen Nachteil
vertieften
- mit der Überweisung der 8,3 Mio. DM am 15. Juni 1994 an S
eingetreten war. Wie das Landgericht zutreffend feststellt, hatte sich
der Angeklagte durch die unbesicherte Weggabe der 8,3 Mio. DM aus der
Sphäre der A I AG jeglicher Zugriffsmöglichkeiten auf
die angelegten
Beträge beraubt; Sicherheiten waren nicht vereinbart. Der
Rückzahlungsanspruch
der A I AG gegen S war wertlos und damit
auch der Rückzahlungsanspruch der A I GmbH gegen die A
I AG. Nach Eingang des Geldes auf dem Konto des S und
spätestens mit der Weitergabe des Geldes durch S an B am
2. August 1994 bestand keine reale Möglichkeit mehr, das Geld
zurückzuerhalten.
Damit war die Untreue beendet. Selbst wenn man auf die
vertragsmäßige
Beendigung des ursprünglichen Dollar-Yen-Programms und dessen
Ersetzung durch eine alternative Finanzanlage abstellen würde
(einvernehmliche
vorfristige Kündigung am 23. Juli 1994) würde dies
nichts am Eintritt der
Verjährung ändern.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts wurde der Beendigungszeitpunkt
auch nicht durch die verschiedenen Teilrückzahlungen, die B
aufgrund des Drucks des Angeklagten bis Mitte 1995 erbrachte,
hinausgeschoben.
Weder durch diese zum Teil erfolgte Schadenswiedergutmachung,
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noch durch die verschiedenen vom Angeklagten nachträglich
abgeschlossenen
Vereinbarungen, die letztlich Rückzahlungsverpflichtungen von S
und B zum Gegenstand hatten, vertiefte sich der bei der GmbH
eingetretene Schaden.
2. Die Verurteilung wegen versuchter Steuerhinterziehung in zwei
Fällen war aufzuheben, weil die Revision insoweit zutreffend
das durchgeführte
Selbstleseverfahren (§ 261, § 249 Abs. 2 StPO)
beanstandet.
a) Das Landgericht hat am 35. und am 38. Hauptverhandlungstag die
Durchführung des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs.
2 StPO für eine
Vielzahl von Urkunden angeordnet und den Verfahrensbeteiligten jeweils
Kopien der Schriftstücke ausgehändigt. Dies wurde
jeweils im Protokoll vermerkt
ebenso wie der Hinweis des Vorsitzenden, daß die
Berufsrichter die
Schriftstücke gelesen hätten (Prot. Bd. III, Bl. 488
ff. und Bd. IV, Bl. 531 ff.).
Bis zum Abschluß der Hauptverhandlung findet sich dagegen
kein Eintrag im
Protokoll, daß auch die Schöffen vom Wortlaut der
Schriftstücke Kenntnis
genommen haben. Das Landgericht stützt seine
Beweisführung hinsichtlich
des Vorwurfes der versuchten Steuerhinterziehung maßgeblich
auf verschiedene
Beträge über Zinsen, Aufwendungen, Tilgungszahlungen
und Rechnungsabgrenzungsposten,
welche sie aus den Berichten über den Jahresabschluß
der A I GmbH zum 31. Dezember 1993 und 1994
entnommen hat. Die Revision rügt die Verletzung der
Förmlichkeiten des
Selbstleseverfahrens und bezieht sich dabei auf sechs Urkunden bzw.
Urkundenkonvolute,
darunter auch die maßgeblichen Jahresabschlüsse.
b) Macht das Tatgericht von der Möglichkeit des
Selbstleseverfahrens
nach § 249 Abs. 2 StPO Gebrauch, müssen sowohl die
Berufsrichter als
auch die Schöffen vom Wortlaut der Urkunden Kenntnis nehmen,
diese also
tatsächlich gelesen haben. Eine Differenzierung hinsichtlich
der Vorgehensweise
zwischen Berufsrichtern und Schöffen ist unzulässig.
Der Vorsitzende
muß gemäß § 249 Abs. 2 Satz 3
StPO die Feststellung über die Kenntnis-
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nahme in das Protokoll aufnehmen. Dabei handelt es sich um eine
wesentliche
Förmlichkeit im Sinne des § 273 StPO (vgl. BGH NStZ
2000, 47; 2001,
161; StV 2000, 603, 604). Der Nachweis hierüber kann somit nur
durch das
Protokoll geführt werden (§ 274 StPO).
Wurde die Feststellung der Kenntnisnahme durch die Schöffen
nicht
protokolliert, ist somit aufgrund der negativen Beweiskraft des
Protokolls davon
auszugehen, daß das Beweismittel nicht zur Kenntnis gelangt
ist (vgl.
Schlüchter in SK-StPO 6. Aufbau-Lfg. § 249 Rdn. 71;
Eisenberg, Beweisrecht
der StPO 4. Aufl. Rdn. 2070; a.A. Diemer in KK 5. Aufl. § 249
Rdn. 39;
Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 249 Rdn. 31). Dem
Revisionsgericht ist es
damit verwehrt, freibeweislich nachzuforschen, ob die Kenntnisnahme
tatsächlich
unterblieben ist (abw. Diemer aaO; Meyer-Goßner aaO). Die
Beweiskraft
des Protokolls kann nur bei offenkundiger Fehler- oder
Lückenhaftigkeit
entfallen (vgl. BGHR StPO § 274 Beweiskraft 12 m.w.N.);
solches ist
hier insoweit nicht ersichtlich. Eine Lückenhaftigkeit ergibt
sich auch nicht
schon daraus, daß die Anordnung des Selbstleseverfahrens,
nicht aber die
nach § 249 Abs. 2 StPO notwendige Feststellung über
dessen erfolgreiche
Durchführung vermerkt ist. Denn die Anordnung des
Selbstleseverfahrens
läßt keinen Schluß auf die weitere
Beachtung des Verfahrens nach § 249
Abs. 2 StPO zu (vgl. BGH NStZ 2000, 47 m.w.N.).
Der Inhalt der verwendeten Jahresabschlußberichte, namentlich
die
vom Landgericht hieraus entnommenen Zahlenwerke, konnte auch nicht im
Wege des Vorhalts an Zeugen zulässig in die Hauptverhandlung
eingeführt
werden. Denn bei Jahresabschlußberichten handelt es sich um
umfangreiche,
inhaltlich schwierige und komplexe Urkunden (vgl. BGHR StPO §
249
Abs. 1 Verlesung, unterbliebene 1). Für die Erfassung des
Sinns der verwendeten
Zahlen kommt es auf den genauen Kontext an, in dem diese in der
Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung bzw. deren
Erläuterungen stehen.
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3. Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Betrugs in drei
Fällen
hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Feststellungen des Landgerichts
zum Eintritt eines Vermögensschadens bei den
Geschädigten sind
nicht ausreichend.
a) Das Landgericht ist in bezug auf die Betrugsvorwürfe von
folgenden
Feststellungen ausgegangen:
Die Zeugen Sc , Ka , F und Ra waren Arbeitnehmer
der A I GmbH. Sie beendeten ihre Arbeitsverhältnisse, nachdem
die GmbH nicht mehr in der Lage war, ihre Gehälter zu
bezahlen. Um
Zeit zu gewinnen, legte der Angeklagte in dem vom Zeugen Sc betriebenen
arbeitsgerichtlichen Mahnverfahren Widerspruch ein und bot dem
Zeugen eine außergerichtliche Einigung an; im Januar 1997
erkannte er dessen
Forderungen in Höhe von 21.080 DM an und verpflichtete sich zu
Ratenzahlungen.
Auch gegen den vom Zeugen Ka beantragten Mahnbescheid
legte der Angeklagte Widerspruch ein; er nahm aber
Gesprächstermine für
eine außergerichtliche Einigung nicht wahr, so daß
Ka ein Versäumnisurteil
über 37.091 DM erwirkte. Um die drohende Erzwingungshaft zur
Abgabe
der eidesstattlichen Versicherung und das Insolvenzverfahren
für die A
I GmbH, insbesondere im Hinblick auf seine Kandidatur bei der
Bundestagswahl 1998, zu vermeiden, übernahm der Angeklagte am
11. Januar
1998 jeweils eine selbstschuldnerische, unbeschränkte
Bürgschaft für
die ausstehenden Lohnforderungen von Ka und Sc . Im Gegenzug
stundeten diese jeweils zwei Drittel ihrer Forderungen. Der Angeklagte
zahlte
- wie von Anfang an beabsichtigt - jeweils nur die erste Rate der
Ratenzahlungsvereinbarung.
Zahlungen bei Fälligkeit der zweiten Rate - kurz nach
der Bundestagswahl im September 1998 - erfolgten nicht mehr.
Auch zur Abwendung der Vollstreckung des vom Zeugen F
erwirkten Versäumnisurteils über 49.741 DM
übernahm der Angeklagte im
März 1998 eine selbstschuldnerische Bürgschaft und
vereinbarte mit dem
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Zeugen einen Ratenzahlungsvergleich, den er ebenfalls nicht einhielt.
Erst
auf Drohung mit einer Strafanzeige zahlte der Angeklagte einmalig
4.000 DM. Die rückständigen Lohnforderungen seiner
langjährigen Sekretärin
Ra in Höhe von 108.126 DM erkannte der Angeklagte nach
längerer
Hinhaltetaktik schließlich im Oktober 1998 an; er
verbürgte sich auch für diese
Forderungen persönlich. Die gleichzeitig abgeschlossene
Ratenzahlungsvereinbarung
erfüllte der Angeklagte - seiner ursprünglichen
Absicht entsprechend
- nicht. Im Wege der Zwangsvollstreckung eines im Oktober 1999
erwirkten Versäumnisurteils konnte die Zeugin nur noch 14.000
DM beitreiben.
Die A I GmbH verfügte 1998 noch über laufende
Mieteinnahmen
von monatlich mindestens 10.000 DM sowie über nicht
unerhebliche,
zumindest teilweise einbringliche Werklohnforderungen. Auch der
Angeklagte
hatte in den Jahren 1998 und 1999 noch Einnahmen. So erlöste er
im Dezember 1998 aus dem Verkauf seiner Gesellschaftsanteile an der A
I GmbH 10.000 DM und erhielt für seinen Verzicht auf eine
stille
Beteiligung an der B V GmbH einen Barscheck über
75.000 DM. Ab Januar 1999 erhielt er von der Firma A&I B GmbH
ein monatliches Beraterhonorar von 8.000 DM.
b) Die vier Fälle stellen jeweils einen Stundungsbetrug dar.
Der Angeklagte
hielt im Ergebnis die Geschädigten (vorübergehend)
von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
ab, indem er Versprechungen hinsichtlich der Zahlungen
durch die A I GmbH machte und persönliche
Bürgschaften übernahm.
Ein solcher Stundungsbetrug ist indes nur dann strafbar, wenn die
Chancen für die Erfüllung eines Anspruchs gerade
durch den Zeitablauf verschlechtert
werden und damit die Forderung an Wert verliert (vgl. BGHSt 1,
262, 264; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 211, 229
m.w.N.). Dies kann
dann der Fall sein, wenn der Angeklagte zum Zeitpunkt der Stundung noch
zahlungsfähig oder in höherem Maße
zahlungsfähig war als später (BGHSt
aaO).
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Zwar hat das Landgericht - das in rechtlich nicht zu beanstandender
Weise von Zahlungsunwilligkeit des Angeklagten ausgeht - dargelegt,
daß
sowohl die A I GmbH als auch der Angeklagte selbst in den Jahren
1998 und 1999 über laufende Einnahmen und werthaltige
Forderungen
gegenüber Dritten verfügten. Indes wird nicht
hinreichend deutlich, daß bei
Abschluß der Stundungsvereinbarungen
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
gegen die GmbH bzw. den Angeklagten hinsichtlich der nicht unerheblichen
Verbindlichkeiten erfolgversprechender gewesen wären als zu
einem späteren
Zeitpunkt. Es wird insoweit nicht mitgeteilt, ob der Angeklagte auch
tatsächlich
über die bezeichneten Einnahmen verfügen konnte.
Angesichts der
schlechten finanziellen Lage der GmbH und der desolaten Finanzlage des
Angeklagten versteht sich dies nicht von selbst. Das Landgericht
hätte folglich
darlegen müssen, daß
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zum Zeitpunkt
der jeweiligen Stundungsvereinbarungen eine größere
Erfolgsaussicht gehabt
hätten, als zu den Zeitpunkten, in denen der Angeklagte die
Vereinbarungen
nicht einhielt.
Harms Häger Raum
Brause RiBGH Schaal
ist wegen urlaubsbedingter
Abwesenheit an der Unterschrift
gehindert
Harms |