BGH,
Beschl. v. 7.7.2009 - 3 StR 204/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 204/09
vom
7. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 7. Juli 2009 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Mönchengladbach vom 9. Dezember 2008 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels und die der
Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit
Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, versuchten Mordes und
gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen zu
einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen gerichtete
Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
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Nach den Feststellungen ging der Angeklagte davon aus, dass seine
Lebensgefährtin die Beziehung mit ihm beendet hatte.
Hierüber war er verzweifelt. Er beschloss deshalb, aus dem
Leben zu scheiden, und öffnete die Gasleitung in seiner in
einem Mehrfamilienhaus befindlichen Wohnung, um sich zu vergiften.
Nachdem das Erdgas 10 bis 15 Minuten ausgeströmt war,
verschloss er den Gashahn wieder und führte ein
Telefongespräch mit einer Freundin, in des-
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sen Verlauf er sich beruhigte. Dieses beendete er, als seine
Lebensgefährtin klingelte, um ihre Sachen abzuholen. Er
öffnete ihr die Tür. Sodann ließ er es
geschehen, dass seine Lebensgefährtin sich eine Zigarette
anzündete. Die Flamme des Feuerzeuges entzündete das
in dem Raum befindliche Luft-Gas-Gemisch; die hierdurch verursachte
Explosion brachte das gesamte Haus zum Einsturz. Von den
Trümmern wurde ein Mitbewohner des Hauses erschlagen. Der
Angeklagte und seine Lebensgefährtin erlitten schwere
Verletzungen.
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Durch diese Feststellungen wird die allein auf die Verwirklichung des
Mordmerkmals "mit gemeingefährlichen Mitteln"
gestützte Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes zum
Nachteil des getöteten Nachbarn I. nicht belegt. Der
Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift u. a.
ausgeführt:
"Die Kammer hat übersehen, dass nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs sowie der herrschenden Meinung in der Literatur eine
mit gemeingefährlichen Mitteln begangene Tötung durch
Unterlassen grundsätzlich nicht möglich ist (BGHSt
34, 13 f.; Schneider in MK StGB § 211 Rdnr. 13; Eser in
Schönke/Schröder 27. Aufl. § 211 Rdnr. 29;
Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 211 Rdnr. 11; Arzt in
FS Roxin S. 855, 858; a. A. Fischer StGB 56. Aufl. § 211 Rdn.
61; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdnr. 58; offen
gelassen von BGHSt 48, 147, 149). Danach muss der Täter das
gemeingefährliche Mittel einsetzen, es reicht nicht, wenn er
eine bereits vorhandene gemeingefährliche Situation nutzt,
unabhängig davon, ob die Gefahr zufällig entstanden,
von einer dritten Person verursacht oder von ihm selbst ohne
Tötungsvorsatz herbeigeführt worden ist (vgl.
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BGHSt 34, 13, 14). Es kommt somit eine Tötung mit
gemeingefährlichen Mitteln durch Unterlassung dann in
Betracht, wenn der Täter bei der Gefahrsetzung mit
Tötungsvorsatz handelt, die Feststellungen vermögen
hier einen solchen Vorsatz zur Zeit der Öffnung des Gashahns
jedoch nicht zu belegen. Die Strafkammer hat es vielmehr
ausdrücklich als möglich angesehen, dass der
Angeklagte zu diesem Zeitpunkt das Risiko nur raumbezogen gesehen und
gedacht habe, nur er sei gefährdet. Diese Schlussfolgerung im
Rahmen der Erörterung des Tötungsvorsatzes zu Lasten
des getöteten Nachbarn steht im Einklang mit den
Ausführungen im Rahmen der Tatdarstellung, die das Bewusstsein
der Explosionsgefahr nur im Zusammenhang mit der Zündflamme
des Feuerzeugs der Nebenklägerin feststellt und der darauf
bezogenen Beweiswürdigung. Zwar könnte den
Formulierungen zur Gefährlichkeit des Tatmittels und zur
Tatbegehung durch Unterlassen entnommen werden, dass die Kammer auch
von einer Kenntnis des Angeklagten von der nicht beherrschbaren
Gefahrenlage zur Zeit der Öffnung des Gashahns ausgegangen
sein könnte. Dies gilt jedoch nur, wenn diese Urteilspassagen
für sich gelesen werden, im Zusammenhang mit der darauf
folgenden, direkt den Vorsatz zur Zeit der Gasöffnung
behandelnden Abschnitt ergibt sich, dass die Passagen UA S. 19 und 20
lediglich zum Ausdruck bringen sollen, dass der Angeklagte sich zur
Zeit der Anwesenheit der zu Zigaretten und Feuerzeug greifenden
Nebenklägerin bewusst war, dass er vorher die Gefahr einer
Explosion herbeigeführt hatte. Dies folgt insbesondere daraus,
dass sich nur die Ausführungen auf UA S. 21 mit dem
für den Vorsatz des Angeklagten bedeut-
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samen Indiz der Chinchilla-Bewahrung auseinandersetzten. Der Angeklagte
hatte nämlich vor Öffnen des Gashahns den
Käfig mit seinem Chinchilla aus dem - mit Gas zu flutenden -
Wohnzimmer in den Flur verbracht und die Tür dorthin mit einem
Tuch abgedichtet. Die Kammer hält es nicht für
ausgeschlossen, dass der Angeklagte in diesem Moment davon ausging, der
Chinchilla sei im Flur sicher, Todesgefahr bestehe mithin nur im
Wohnzimmer. Die damit vorgenommene Differenzierung zwischen der
Bewusstseinslage des Angeklagten zur Zeit des Suizidversuchs und zur
Zeit des Besuchs der Nebenklägerin wird wiederum durch
konkrete Beweisumstände gestützt. Ausweislich der von
der Kammer als glaubhaft bewerteten Angaben der Zeugin J. befand der
Angeklagte sich nämlich noch unmittelbar nach dem Fehlschlag
des Versuchs, sich mit Gas zu vergiften, in völlig
aufgelöstem Zustand. Er habe verzweifelt gewirkt als habe er
keinen Ausweg mehr gesehen, erst im Verlauf des Telefonats habe er sich
beruhigt und sich bis zum Ende des Gesprächs, als die
Nebenklägerin bei ihm eintraf, wieder gefasst.
Damit scheidet nach der Entscheidung des 5. Strafsenats (BGHSt 34, 13,
14) sowie der herrschenden Meinung in der Literatur die Anwendbarkeit
des Mordmerkmals Heimtücke (richtig: mit
gemeingefährlichen Mitteln) aus."
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Dem schließt sich der Senat an. Er ist sich zwar der durchaus
bedenkenswerten Einwände gegen die zitierte Rechtsprechung
bewusst, sieht aber dennoch keinen Anlass, hier von ihr abzuweichen.
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Der Senat hebt die Feststellungen zum objektiven und subjektiven
Tatgeschehen auf, um dem neuen Tatgericht die Gelegenheit zu geben,
insgesamt einheitliche Feststellungen zu treffen. Sollte der neue
Tatrichter wiederum feststellen, dass der Angeklagte unmittelbar vor
dem Eintreffen der Nebenklägerin ein Telefongespräch
mit der Zeugin J. führte und sich in dessen Verlauf beruhigte,
wird er zu erwägen haben, inwieweit dieser Umstand im Rahmen
der Beweiswürdigung zum Tötungsvorsatz des
Angeklagten zu berücksichtigen ist. Sollte der
Tötungsvorsatz des Angeklagten erneut festgestellt werden,
wird die neu berufene Strafkammer das Mordmerkmal der
Heimtücke auch bezüglich der Tötung des
Nachbarn I. in den Blick zu nehmen haben.
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Becker von Lienen Sost-Scheible
Schäfer Mayer |