BGH,
Beschl. v. 7.3.2006 - 3 StR 52/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 52/06
vom 7.3.2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren räuberischen Diebstahls
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 7.03.2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Wuppertal vom 11. Oktober 2005 im Maßregelausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung
wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende
Revision wird verworfen. Gründe: Das Landgericht hat den
Angeklagten wegen schweren räuberischen Diebstahls zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf
die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte
Revision des Angeklagten hat nur den aus der Entscheidungsformel
ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie
unbegründet. 1 1. Der Schuldspruch wegen schweren
räuberischen Diebstahls hält rechtlicher
Überprüfung im Ergebnis stand. Allerdings hat das
Landgericht fehlerhaft die Qualifikation gemäß
§§ 252, 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (zutreffende
Bezeichnung: besonders schwerer räuberischer Diebstahl, vgl.
BGHR StPO 2
- 3 -
§ 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4; BGH NStZ-RR 2003, 328;
BGH, Beschl. vom 16. Juni 2004 - 5 StR 230/04) als verwirklicht
angesehen. Die Verwendung einer ungeladenen Schreckschusspistole sowie
einer Spielzeugwaffe (vom Tatrichter jeweils mit "Scheinwaffe"
bezeichnet) als Drohmittel erfüllt nur die Qualifikation des
schweren räuberischen Diebstahls gemäß
§§ 252, 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB. Die Liste der
angewendeten Vorschriften ist deshalb zu berichtigen. 2. Die
Unterbringung des Angeklagten hält rechtlicher
Prüfung nicht stand. Die Maßregelanordnung nach
§ 63 StGB setzt u. a. die positive Feststellung eines
länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts
voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der
Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher
begründet (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 26; 42, 385). 3 Die
richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Angeklagten,
das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln,
aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei
Begehung der Tat erheblich vermindert war, erfolgt in einem aus
mehreren Schritten bestehenden Verfahren (vgl. im einzelnen
Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß NStZ 2005, 57). Zuerst ist
die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische
Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht
hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des
§ 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der
Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf
die soziale Anpassungsfähigkeit zu untersuchen. Durch die
festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die
psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der
Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Bei diesem
Entscheidungsprozess wird der Richter häufig - soweit die
Verhängung von Maßregeln in Betracht kommt, sogar
stets (vgl. § 246 a StPO) - auf die Hilfe eines
Sachverständigen 4
- 4 -
angewiesen sein und von diesem Ausführungen zur Diagnose einer
psychischen Störung, zu deren Schweregrad und deren innerer
Beziehung zur Tat erwarten. Gleichwohl handelt es sich sowohl bei der
Bejahung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB als auch bei
der Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit um
Rechtsfragen. Der Tatrichter hat zum einen bei der Entscheidung
darüber die Darlegungen des Sachverständigen zu
überprüfen. Zum anderen ist er verpflichtet, seine
Entscheidung in einer für das Revisionsgericht
nachprüfbaren Weise zu begründen. Hieran fehlt es im
angefochtenen Urteil in zweierlei Hinsicht. Zum einen fehlt es an einer
ausreichenden Darlegung der Diagnose. Das Landgericht hat nach
sachverständiger Beratung festgestellt, dass der Angeklagte
zur Tatzeit in seiner Steuerungsfähigkeit
beeinträchtigt (gemeint wohl: erheblich vermindert) gewesen
sei aufgrund einer drogeninduzierten "exogenen und inzwischen auch
endogenen Psychose". Diese Grunderkrankung sei "mit einem paranoiden
Erleben verknüpft, das auch die Motivationslage
beeinträchtigt" habe. Der Konsum von Cannabis vor der Tat habe
"zum Erhalt und zur Verstärkung der Grunderkrankung
geführt". Damit ist weder ausreichend dargestellt, um welche
Störung es sich gehandelt hat, noch ist genügend
beschrieben, wie sich diese Störung bei dem Angeklagten im
Allgemeinen ausgewirkt hat. Es ist deshalb nicht nachprüfbar,
ob das Landgericht ohne Rechtsfehler vom Vorliegen einer krankhaften
seelischen Störung ausgegangen ist. 5 Zum anderen fehlt die
Darlegung, welchen Einfluss die angenommene psychische Störung
auf die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tat
(Einbruch in ein Waffengeschäft, Wegnahme der beiden Waffen
und Bedrohung von zwei Passanten, um sich beim Verlassen des
Geschäfts im Besitz der Beute halten zu können)
gehabt hat. Nach den Feststellungen, wonach der Ange-6
- 5 -
klagte schon 1999 - also erhebliche Zeit vor der angenommenen
Entstehung einer Psychose - eine "ausgeprägte
Affinität zu Waffen" hatte, liegt ein solcher symptomatischer
Zusammenhang eher nicht nahe. 3. Der Strafausspruch kann bestehen
bleiben. Die fehlerhafte Annahme der Qualifikation
gemäß § 250 Abs. 2 StGB hat sich auf die
Strafe nicht ausgewirkt, da das Landgericht einen minder schweren Fall
angenommen und den Strafrahmen gemäß § 250
Abs. 3 StGB zugrunde gelegt hat. Der Senat schließt aus, dass
eine neue Verhandlung die Schuldunfähigkeit des Angeklagten
bei der Tatbegehung ergeben könnte und die erkannte
Freiheitsstrafe zum Nachteil des Angeklagten von der
Maßregelanordnung beeinflusst war. 7
Winkler Miebach Pfister Becker Hubert |