BGH,
Beschl. v. 7.5.2009 - 3 StR 153/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 153/09
vom
7. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 7. Mai 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 a StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover
vom 3. Dezember 2008 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 11. Dezember 2007
wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Auf die Revision der
Staatsanwaltschaft hob der Senat diese Entscheidung mit Urteil vom 26.
Juni 2008 - unter Verwerfung der Revision im Übrigen - im
Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf und
verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und
Entscheidung an das Landgericht zurück. Dieses hat den
Angeklagten nunmehr zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren
und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit
seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten
Revision. Dem Rechtsmittel bleibt im Ergebnis der Erfolg versagt.
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1. Das Landgericht hat der Bemessung der Strafe den nach
§§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des
§ 224 Abs. 1 Satz 1 zugrunde gelegt. Es ist davon ausgegangen,
dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit
infolge eines durch eine Anpassungsstörung und eine depressive
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sode ausgelösten "Wutaffekts" erheblich vermindert gewesen
sei. Der Angeklagte sei "ausgerastet", ansonsten "sei er ein
völlig anderer Mensch".
a) Es begegnet trotz der Annahme eines vertypten Strafmilderungsgrundes
entgegen der Auffassung der Revision keinen durchgreifenden rechtlichen
Bedenken, dass das Landgericht die Voraussetzungen des § 224
Abs. 1 Satz 2 StGB nicht geprüft hat. Die Annahme eines minder
schweren Falles lag hier in Anbetracht der festgestellten
Tatumstände und der beim Opfer eingetretenen Tatfolgen fern.
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b) Als rechtsfehlerhaft erweist sich jedoch die dem Angeklagten
uneingeschränkt angelastete Erwägung, er sei bei der
Tat brutal gegen das Tatopfer vorgegangen.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen
Tatmodalitäten einem Angeklagten nur dann zur Last gelegt
werden, wenn sie vorwerfbar sind, nicht aber, wenn ihre Ursache in
einer von ihm nicht zu verantwortenden geistig-seelischen
Beeinträchtigung liegt (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 362). Hier
drängt es sich auf, dass die festgestellte Intensität
der Tatausführung in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem
"Wutaffekt" steht, der nach Auffassung der Strafkammer zu einer
erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten
geführt hat. Die Art und Weise der Tatausführung
hätte deshalb dem Angeklagten nicht, wie geschehen,
uneingeschränkt, sondern allenfalls nach dem Maß
seiner geminderten Schuld angelastet werden dürfen. Dass sich
die Strafkammer dessen bewusst war, ergeben die Urteilsgründe
weder ausdrücklich noch in ihrer Gesamtschau.
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2. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass die Strafzumessung
auf diesem Rechtsfehler beruht. Das Urteil hat aber gleichwohl Bestand,
weil die vom Landgericht verhängte Strafe angemessen ist
(§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO).
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Die bei verfassungskonformer Auslegung erforderlichen Voraussetzungen
für eine Entscheidung des Revisionsgerichts liegen vor (BVerfG
NStZ 2007, 598). Dem Senat steht ein zutreffend ermittelter,
vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur
Verfügung. Der Angeklagte hatte im Hinblick auf die
Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift
auch Gelegenheit, im Revisionsverfahren zu der beabsichtigten
Entscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO Stellung zu
nehmen.
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Der Senat hält unter Abwägung der für die
Strafzumessung bedeutsamen Urteilsfeststellungen die vom Landgericht
verhängte Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei
Monaten insbesondere mit Blick auf die eingetretene konkrete
Lebensgefahr und die außergewöhnlich schweren Folgen
der Tat für das Opfer, sowie die Verwirklichung zweier
Tatbestandsalternativen des § 224 Abs. 1 Satz 1 StGB
für insgesamt angemessen.
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Becker Pfister Sost-Scheible
Hubert Schäfer |