BGH,
Beschl. v. 7.11.2001 - 2 StR 417/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 417/01
vom
7. November 2001
in der Strafsache gegen
wegen falscher Verdächtigung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7.
November 2001 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mainz
vom 29. Juni 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten - nach Abtrennung und Aussetzung
des Verfahrens wegen Vergewaltigung - wegen falscher
Verdächtigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren
verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision führt mit der
Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts behauptete der Angeklagte
anläßlich einer polizeilichen Vernehmung im Mai 2000
wider besseres Wissen, ein früherer Lebensgefährte
der Zeugin R. habe deren (1967 geborene) Tochter A.R. "als Kind sexuell
mißbraucht". Dem Angeklagten war dabei klar, daß
gegen den von ihm verdächtigten Zeugen M. ein
Ermittlungsverfahren eingeleitet werden würde. Dies wollte er
auch; Zweck seines Vorgehens war dabei, die Zeugin R., die sich von ihm
getrennt und ihn der Vergewaltigung beschuldigt hatte, seelisch zu
treffen.
2. Diese Feststellungen reichen zur Verurteilung wegen falscher
Verdächtigung nach § 164 Abs. 1 StGB nicht aus.
Hiernach muß der Täter einen anderen einer
rechtswidrigen Tat verdächtigen. Die verleumderische
Behauptung einer Straftat in der Absicht, gegen eine andere Person ein
behördliches Verfahren herbeizuführen,
erfüllt den objektiven Tatbestand des § 164 Abs. 1
StGB daher nicht, wenn schon nach dem Inhalt der
verdächtigenden Äußerung selbst
ausgeschlossen ist, daß diese zu der beabsichtigten
behördlichen Reaktion führen kann. Dies ist etwa dann
der Fall, wenn es schon nach dem vom Täter dargestellten
Sachverhalt an einer Strafverfolgungsvoraussetzung fehlt und daher ein
hinreichender Anfangsverdacht nicht gegeben ist (vgl. RGSt 21, 101, 103
f.; OLG Köln JR 1955, 273; OLG Brandenburg NJW 1997, 141, 142;
OLG Karlsruhe NStZ-RR 1997, 37 f.; Ruß in LK 11. Aufl. Rdn.
15 zu § 164; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. Rdn. 5
zu § 164; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB
26. Aufl. Rdn. 10 zu § 164, jeweils m.w.N.).
Diese Anforderungen hat das Landgericht hier erkennbar nicht bedacht.
Feststellungen dazu, welcher Straftat der Angeklagte den Zeugen M.
verdächtigt hat, enthält das angefochtene Urteil
nicht. Handelte es sich um eine Tat des sexuellen Mißbrauchs
von Kindern im Sinne von § 176 aF StGB, so mußte
diese angebliche Tat zu Lasten der 1967 geborenen Zeugin A.R.
spätestens im Jahr 1981 begangen worden sein; sie
wäre daher zum Zeitpunkt der Verdächtigung
verjährt gewesen. Ob der Äußerung des
Angeklagten diese Tatsachen oder die Behauptung einer anderen,
möglicherweise unverjährten Straftat des
Verdächtigten zu entnehmen waren, ergibt sich aus dem Urteil
nicht; offen bleibt schon, ob es sich bei den Feststellungen zum Inhalt
der Verdächtigung (UA S. 10) um eine wörtliche oder
inhaltlich erschöpfende Wiedergabe des
Äußerungsinhalts oder um eine wertende
Zusammenfassung des Landgerichts handelt. Weiterhin fehlen
Feststellungen darüber, wie die Anschuldigung von den
Strafverfolgungsbehörden ausgelegt wurde, ob die Frage einer
möglichen Verjährung bedacht wurde und ob und in
welcher Form der Verdächtigte durch Ermittlungen belastet
wurde. Insoweit könnte eine fehlerhafte Sachbehandlung - etwa
die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und die
Durchführung von Beschuldigten- und Zeugenvernehmungen trotz
offensichtlichen Verjährungseintritts - den Angeklagten nicht
belasten (vgl. Ruß in LK 11. Aufl. Rdn. 15 zu §
164). Der Senat kann auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen nicht
beurteilen, ob die Verdächtigung nach ihrem konkreten Inhalt
hinreichenden Anlaß zur Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens gegen den Verdächtigten bot.
3. Der Senat sieht Anlaß zu dem Hinweis, daß
abwertende, persönlich gefärbte Ausführungen
zur Persönlichkeit des Angeklagten in den
Urteilsgründen unterbleiben sollten. Sie gefährden
den Bestand des Urteils, wenn sie wie hier die Annahme nahelegen, der
Tatrichter habe sich bei der Bemessung einer ungewöhnlich
hohen Strafe nicht allein von sachlichen Erwägungen leiten
lassen. So lagen etwa abwertende Ausführungen wie die, der
Angeklagte sei "ein in jeder Hinsicht gescheiterter Mensch, ein
Niemand" (UA S. 18 f.) und "ein im sozialen Sinne höchst
lästiger Mensch" und ironisierende Erwägungen wie
die, er habe in der Hauptverhandlung eine "normal sterblichen Menschen
weit überlegene Eloquenz" gezeigt, ersichtlich
außerhalb dessen, was zur Erörterung der
Schuldfähigkeit sachgerecht und geboten war.
Jähnke Detter Bode Rothfuß Fischer |