BGH,
Beschl. v. 7.11.2002 - 5 StR 336/02
5 StR 336/02
StPO § 344 Abs. 1, § 352 Abs. 1
Bei einem Strafverfahren gegen mehrere Angeklagte, denen eine Vielzahl
von Straftaten zur Last gelegt wird, läßt sich aus
einer nicht näher ausgeführten allgemeinen
Sachrüge das Anfechtungsziel der Staatsanwaltschaft nicht
sicher ermitteln. Es bedarf vielmehr eines ausdrücklichen
Antrags im Sinne der § 344 Abs. 1, § 352 Abs. 1 StPO,
um das Begehren der Beschwerdeführerin hinreichend klar zu
erkennen.
BGH, Beschl. v. 7. November 2002 - - LG Hamburg -
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 7. November 2002
in der Strafsache gegen
1.
2.
3.
wegen Diebstahls u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 7. November 2002
beschlossen:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Hamburg vom 13. November 2001 werden nach § 349 Abs. 1 StPO
als unzulässig verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten durch diese
Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse
auferlegt.
Gründe:
Das Landgericht hat vier Angeklagte von dem Vorwurf, sich in mehreren
Fällen des Diebstahls, der Bestechlichkeit und der Bestechung
strafbar gemacht zu haben, freigesprochen. Gegen dieses Urteil richtet
sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Zur Begründung der
Revision rügt sie allgemein die Verletzung sachlichen Rechts.
Das Rechtsmittel ist unzulässig. Weder die
Revisionseinlegungsschrift noch die Revisionsbegründung
enthalten den nach § 344 Abs. 1 StPO erforderlichen
Revisionsantrag, durch den der Umfang der Urteilsanfechtung bezeichnet
wird. Das Fehlen eines solchen ausdrücklichen Antrags ist zwar
dann unschädlich, wenn sich der Umfang der Anfechtung aus dem
Inhalt der Revisionsbegründung ergibt. So ist nach der
Rechtsprechung bei Revisionen des Angeklagten in der Erhebung der
uneingeschränkten allgemeinen Sachrüge
regelmäßig die Erklärung zu sehen,
daß das Urteil insgesamt angefochten werde (vgl. BGHR StPO
§ 344 Abs. 1 Antrag 1, 4; BGH NStZ-RR 2000, 38; BGH NStZ 1990,
96; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 344
Rdn. 2 m. w. N.). Auch bei Revisionen der Staatsanwaltschaft und des
Nebenklägers bedarf es in der Regel dann keines
förmlichen Revisionsantrags, wenn das Ziel der Revision aus
dem Inhalt der Revisionsschrift oder dem Gang des bisherigen Verfahrens
eindeutig hervorgeht (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 1;
BGH bei Miebach NStZ 1989, 221; BGH, Urteile vom 7. Dezember 1982 - 1
StR 739/82 - und vom 12. August 1998 - 3 StR 196/98; Hanack in
Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 4 m. w.
N.). So liegt es hier jedoch nicht.
Bei einem Strafverfahren gegen mehrere Angeklagte, denen eine Vielzahl
von Straftaten zur Last gelegt wird, läßt sich aus
einer nicht näher ausgeführten allgemeinen
Sachrüge das Anfechtungsziel der Staatsanwaltschaft nicht
sicher ermitteln. Es bedarf vielmehr eines ausdrücklichen
Antrags im Sinne der § 344 Abs. 1, § 352 Abs. 1 StPO,
um das Begehren der Beschwerdeführerin hinreichend klar zu
erkennen. Das in § 344 Abs. 1 StPO enthaltene Erfordernis,
daß der Revisionsantrag den Umfang der Anfechtung erkennen
lassen muß, ist vor allem in den Fällen von
besonderer Bedeutung, in denen das Urteil wie hier mehrere Angeklagte
und mehrere selbständige Straftaten betrifft. Die allgemeine
Sachrüge macht nämlich - im Gegensatz zu einer
insoweit begründeten Revision eines Angeklagten - nicht
deutlich, daß damit alle Rechtsmittel begründet
werden sollen. Richtet sich die Revision gegen ein Urteil mit mehreren
selbständigen Tatvorwürfen, bleibt der Umfang des
Revisionsangriffs unklar. Es ist nämlich gerade nicht
selbstverständlich, daß die Staatsanwaltschaft ihren
Verfolgungswillen nach Durchführung einer Hauptverhandlung
entsprechend ihrer Anklageschrift aufrechterhält. Sie ist -
als insoweit unabhängiges Rechtspflegeorgan - in jedem Stadium
des Verfahrens zur Prüfung des Umfangs der Strafverfolgung
verpflichtet. Das Ergebnis dieser Prüfung muß hier -
wie es Nr. 156 Abs. 2 RiStBV vorsieht - in einem Revisionsantrag
Ausdruck finden. Damit wird keine sachwidrige Ungleichbehandlung im
Vergleich mit einer Revision eines Angeklagten begründet. Es
entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, Urt.
vom 4. September 1952 - 5 StR 51/52), daß im Hinblick auf
sachliche Besonderheiten einer staatsanwaltschaftlichen Revision deren
Begründung strenger auszulegen ist als die der Angeklagten und
Nebenbeteiligten. Dies wird ganz besonders deutlich in Fällen
der vorliegenden Art: Die Angeklagten sollen zum Teil gemeinschaftlich,
zum Teil allein und zum Teil als Gehilfen handelnd in 16
selbständigen Fällen Gedenkmünzen aus
verschiedenen Landeszentralbanken entwendet sowie für die
rechtswidrige Entwendung Provisionen gezahlt bzw. erhalten haben.
Da die Rechtsmittel den Anforderungen des § 344 Abs. 1 StPO
nicht genügen, sind sie als unzulässig zu verwerfen.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 2
StPO (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 473
Rdn. 15).
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