BGH,
Beschl. v. 7.10.2008 - 4 StR 257/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 257/08
vom
7. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 7. Oktober 2008 gemäß
§§ 154 Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Das Verfahren wird gemäß § 154 Abs. 2
StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 14 der
Urteilsgründe wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Insoweit
trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die
notwendigen Auslagen des Angeklagten.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Bielefeld vom 27. Februar 2008, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass er des unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
in acht Fällen, des unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
fünf Fällen schuldig ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
aa) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
bb) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt unterblieben ist.
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3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht
Fällen, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge, unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln sowie unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in fünf Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die hiergegen
gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung
materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel
ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel
als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts
gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der
Angeklagte im Fall II. 14 der Urteilsgründe wegen unerlaubten
Besitzes von Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Dies
führt zum Wegfall der wegen dieser Tat verhängten
Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten.
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2. Das Urteil kann ferner nicht bestehen bleiben, soweit eine
Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist. Hierzu hat
der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
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"Durchgreifende Bedenken bestehen jedoch, soweit es das Landgericht
unterlassen hat, die Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten
in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zu prüfen.
Nach den Feststellungen kam der Angeklagte bereits frühzeitig
mit Drogen in Kontakt. Vorrangig konsumierte er Haschisch, kam jedoch
während seiner Strafhaft in anderer Sache vor einigen Jahren
mit Kokain in Berührung. Nach seiner Entlassung konsumierte er
regelmäßig, zunächst in einem
mäßigen Umfang, Kokain. Der Konsum steigerte sich
jedoch zunehmend. Etwa ab Juni 2007 nahm der Angeklagte nahezu
täglich größere Mengen zu sich, zuletzt
teilweise bis zu 5 Gramm (UA S. 5). Der Angeklagte beging einen
Großteil der verurteilten Taten, um auf diese Weise den
eigenen beträchtlichen Kokainkonsum zu finanzieren (UA S. 10,
20). Im Zeitpunkt seiner Festnahme in unmittelbarer zeitlicher
Nähe zu der Tat II 13 (unerlaubtes Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) wies sein Blutwert
von 548,0 ng/ml Benzoylecgonin auf einen erheblichen Kokainkonsum hin
(UA S. 17).
Aufgrund dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen liegt es
nahe, dass die abgeurteilten Taten auf einen Hang des Angeklagten
zurückgehen, berauschende Mittel im Übermaß
zu sich zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2007 - 3 StR
452/07; Senat, Beschluss vom 19. Februar 2008 - 4 StR 36/08; Senat,
Beschluss vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08).
Anhaltspunkte dafür, dass eine stationäre Therapie
bei dem vergleichsweise jungen und bislang noch nicht behandelten
Angeklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
64 Satz 2 StGB), oder dass andere Voraussetzungen der
Maßregelanordnung offensichtlich nicht vorliegen, geben die
bisherigen Feststellungen nicht. Erwägungen zu einer Anordnung
nach § 64 StGB konnten auch nicht vor dem Hintergrund
unterbleiben, dass die Strafkammer - rechtsfehlerfrei - von der
uneingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten
ausgegangen ist. Eine suchtbedingte Abhängigkeit kann auch
dann die Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 StGB
begründen, wenn sie nicht den Schweregrad einer seelischen
Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB erreicht
(vgl. Senat, Be-
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schluss vom 22. Februar 2007 - 4 StR 26/07; Fischer, StGB, 55. Auflage,
§ 64 Rdnr. 7 m.w.N.).
Die vom Landgericht unterlassene Prüfung erweist sich auch
nicht deshalb als entbehrlich - was auch der Teilaufhebung nicht
entgegensteht -, weil nach § 64 Satz 1 StGB in der Fassung des
Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I
1327) die Maßregel nicht mehr zwingend angeordnet werden
muss. Denn das Gericht 'soll' die Unterbringung anordnen, wenn die
Voraussetzungen des § 64 StGB vorliegen. Lediglich in
besonderen Ausnahmefällen darf es von der
Unterbringungsanordnung absehen (vgl. BGH und Senat a.a.O.).
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung
der Unterbringungsanordnung nicht (BGH a.a.O. m.w.N.). Der
Revisionsführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB
durch die Strafkammer nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
Die Frage nach der Anordnung der Maßregel der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf mithin unter
Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) der
Prüfung und Entscheidung durch ein neues Tatgericht. Dieses
wird gegebenenfalls § 67 Abs. 2 StGB zu beachten haben".
Dem schließt sich der Senat an.
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3. Der Senat hebt auch den Ausspruch über die Gesamtstrafe
auf, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht ohne die
im Fall II. 14 verhängte Einzelstrafe und bei Anordnung der
Unterbringung nach § 64 StGB auf eine niedrigere
Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
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Maatz Kuckein Athing
Ernemann Mutzbauer |