BGH,
Beschl. v. 7.10.2009 - 1 StR 478/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 478/09
vom
7. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Oktober 2009
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München II vom 20. Mai 2009 wird als unbegründet
verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der
Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatten die 90
polnischen Staatsangehörigen, die - neben anderen durch den
Angeklagten als geringfügig beschäftigt gemeldeten
Arbeitnehmern - einen Teil der Prospektverteilungsaufträge des
Unternehmens des Angeklagten erledigten, zwar jeweils ein Gewerbe als
Prospektverteiler angemeldet. Sie waren jedoch vollständig in
den Betrieb des Unternehmens des Angeklagten eingegliedert und dessen
Weisungen unterworfen. So wurden sie nahezu täglich und in
Vollzeit eingesetzt und arbeiteten während der Zeit ihrer
Beschäftigung beim Angeklagten fast ausschließlich
für dessen Unternehmen. Eine Tätigkeit für
andere Auftraggeber war den Prospektverteilern bereits wegen dieses
zeitlichen Engagements nicht möglich, darüber hinaus
verfügten sie nicht über Geschäftslokale und
vielfach auch nicht über die Sprachkenntnisse, die
für eine selbständige Tätigkeit in
Deutschland erforderlich gewesen wären. Der Angeklagte stellte
auch die Zeitungsrollwägen, die für die Verteilung
der Prospekte erforderlich waren. Über weitere eigene
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Betriebsmittel verfügten die Verteiler demgegenüber
nicht. Der tägliche Beginn der Beschäftigung der
Prospektverteiler wurde ebenso wie das tägliche Ende seitens
des Angeklagten oder seiner weiteren Mitarbeiter festgelegt.
Hierfür wurden die Prospektverteiler mit Kleinbussen des
Angeklagten, die von Mitarbeitern des Angeklagten gefahren wurden, zu
Beginn der Arbeit in die vom Angeklagten vorgegebenen Verteilgebiete
gebracht und nach dem vorgegebenen Arbeitsende wieder abgeholt.
Für die erbrachte Arbeit wurden sie auf Stundenlohnbasis
entlohnt. Den Verteilern blieb keinerlei Spielraum zur
selbständigen Gestaltung ihrer Tätigkeit.
Diese Feststellungen tragen die rechtliche Wertung des Landgerichts,
dass der Angeklagte Arbeitgeber der Prospektverteiler war. Für
die Beurteilung, ob ein sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtiges
Arbeitsverhältnis vorliegt, sind allein die
tatsächlichen Gegebenheiten maßgeblich. Liegt danach
ein Arbeitsverhältnis vor, können die
Vertragsparteien die sich hieraus ergebenden Beitragspflichten nicht
durch eine abweichende vertragliche Gestaltung beseitigen (vgl. BGH NJW
2009, 528, 530; BGH NStZ 2001, 599, 600). Sämtliche vom
Angeklagten in der beschriebenen Weise eingesetzten
"Selbständigen" waren umfassend weisungsgebunden und in den
Betriebsablauf des Angeklagten eingegliedert (vgl. § 7 Abs. 1
Satz 1 SGB IV). Sie wurden nach festen Stundensätzen entlohnt
und trugen kein eigenes unternehmerisches Risiko. Sie waren daher
Arbeitnehmer in einem sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtigen
Arbeitsverhältnis.
Der Angeklagte wusste auch um sämtliche Umstände, die
seine Stellung als Arbeitgeber begründeten. Bei der gegebenen
Sachlage hat er daher auch den für die
Unrechtsbegründung wesentlichen Bedeutungsgehalt des
Tatbestandsmerkmals "Arbeitgeber" i.S.v. § 266a StGB und
§ 41a EStG und - daraus fol-
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gend - die damit einhergehenden, ihn treffenden Pflichten erfasst. Die
Einlassung des Angeklagten, er sei gleichwohl davon ausgegangen, keine
Arbeitgeberstellung gegenüber den Prospektverteilern
einzunehmen, ist nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu
begründen. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass bei der
gegebenen Sachlage keine zureichenden Anhaltspunkte dafür
gegeben sind, eine solche Einlassung als nicht widerlegbar zu erachten,
so dass weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten ist,
zu Gunsten des Angeklagten die Richtigkeit dieser Einlassung zu
unterstellen (vgl. zuletzt Senat NStZ-RR 2009, 90, 91 m.w.N.). Denn ein
solcher Irrtum würde vorliegend lediglich einen den Vorsatz
des Angeklagten nicht berührenden Subsumtionsirrtum
darstellen, der allenfalls geeignet wäre, einen - in der Regel
durch Einleitung eines Statusverfahrens nach § 7a Abs. 1 Satz
1 SGB IV vermeidbaren - Verbotsirrtum zu begründen (ebenso
Gribbohm in LK 11. Aufl. § 266a Rdn. 82; Schulz NJW 2006, 183,
186; vgl. auch BGHZ 133, 370, 381; Hoyer in SK-StGB 117. Lfg. Juli 2009
§ 266a Rdn. 54; Tag in NK-StGB § 266a Rdn. 81;
Bittmann Insolvenzstrafrecht § 21 Rdn. 104 m.w.N. auch zur
Gegenansicht; a.A. LG Ravensburg StV 2007, 413, 414; Ignor/Rixen
Handbuch Arbeitsstrafrecht § 2
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Rdn. 89). Dass der Angeklagte vorliegend einem Verbotsirrtum i.S.v.
§ 17 StGB unterlag, hat die Strafkammer aber ohne Rechtsfehler
ausgeschlossen.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander |