BGH,
Beschl. v. 8.1.2003 - 2 StR 459/02
2 StR 459/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 459/02
vom
8. Januar 2003
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen versuchter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 8. Januar
2003 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten F. und O. wird das Urteil des
Landgerichts Limburg an der Lahn vom 20. Juni 2002, soweit es sie
betrifft,
a) im Strafausspruch dahin ergänzt, daß die in den
Niederlanden wegen der Tat III, 2 (richtig: II, 2 UA S. 6/7) erlittene
Freiheitsentziehung im Verhältnis 1:1 auf die
verhängte Strafe angerechnet wird,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine
Entscheidung zur Frage der Unterbringung der Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Einfuhr
von Betäubungsmitteln, den Angeklagten F. zudem wegen Besitzes
von Betäubungsmitteln in zwei Fällen, jeweils zu
Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren verurteilt. Gegen den
Angeklagten O. wurden ferner Maßregeln nach
§§ 69, 69 a StGB angeordnet. Die Angeklagten
rügen mit ihren Revisionen die Verletzung des sachlichen, der
Angeklagte F. auch des formellen Rechts. Die Rechtsmittel haben in dem
aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im
übrigen sind sie offensichtlich unbegründet
(§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Der Strafausspruch ist um den Anrechnungsmaßstab
für die in den Niederlanden erlittene Freiheitsentziehung zu
ergänzen. Die beiden Angeklagten befanden sich wegen der Tat
III, 2 nach ihrer Festnahme in den Niederlanden drei Tage in
polizeilichem Gewahrsam (UA S. 7). Das Landgericht hat entgegen
§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB hierfür keinen
Anrechnungsmaßstab bestimmt. Da nur eine Anrechnung im
Verhältnis 1:1 in Betracht kommt (vgl. u.a.
Senatsbeschluß vom 5. Februar 1997 - 2 StR 551/96), bestimmt
der Senat diesen Maßstab in entsprechender Anwendung des
§ 354 Abs. 1 StPO selbst.
Eines ausdrücklichen Ausspruchs über die Anrechnung
der im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung bedarf es nicht, weil von
der Ausnahmevorschrift des § 51 Absatz 3 Satz 2 in Verbindung
mit Absatz 1 Satz 2 StGB kein Gebrauch gemacht worden und deshalb die
Freiheitsentziehung von Gesetzes wegen anzurechnen ist (vgl. BGHSt 27,
287, 288).
2. Das Urteil hat keinen Bestand, soweit eine Entscheidung zur Frage
der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
unterblieben ist. Die Prüfung dieser Frage drängte
sich nach den Urteilsfeststellungen auf, da beide Angeklagten seit
längerer Zeit betäubungsmittelabhängig sind
und die Taten, derentwegen sie verurteilt wurden, vor allem dazu
dienten, den Eigenbedarf der Angeklagten an Heroin zu beschaffen.
Der Angeklagte F. konsumiert seit dem Jahr 2000 Heroin und steigerte
seinen Konsum nach eigenen Angaben auf 1 Gramm pro Tag. Wegen
Drogenkonsums verlor er seine Fahrerlaubnis. Durch den Verkauf seines
Autos finanzierte er im Jahr 2001 seinen Drogenkonsum. Ab einem nicht
näher bestimmbaren Zeitpunkt finanzierte er den Eigenkonsum
durch den Weiterverkauf u.a. von Heroin an andere Konsumenten (UA S. 3).
Der Angeklagte O. konsumierte im Alter von 18 Jahren erstmals Heroin.
Nach zweijährigem Konsum entschloß er sich, diesen
zu beenden. Anlaß hierfür waren negative
Auswirkungen auf das private und berufliche Leben des Angeklagten. Er
hatte Schwierigkeiten im Ausbildungsbetrieb und verlor im Zusammenhang
mit dem Drogenkonsum sein Auto. Er unterzog sich einer
Entgiftungsbehandlung und nahm an einem Polamidonprogramm teil. Er
wurde jedoch rückfällig und konsumierte seit einigen
Jahren wieder Heroin, zuletzt ein Gramm pro Tag. Nach seinem
Rückfall war der Angeklagte überwiegend arbeitslos,
unterbrochen durch kurzfristige Gelegenheitsarbeiten. Den Drogenkonsum
will er im Jahr 2001 unter anderem durch seine Tätigkeit als
Tätowierer finanziert haben. Von März bis Juni 2002
hat er vier Beratungstermine bei der Suchthilfe wahrgenommen und eine
stationäre Rehabilitierungsmaßnahme beantragt (UA S.
3/4).
Unter diesen Umständen hätte das Landgericht bei
beiden Angeklagten unter Hinzuziehung eines Sachverständigen
(§ 246 a StPO) prüfen und entscheiden
müssen, ob die Voraussetzungen für deren
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Nach §
64 Abs. 1 StGB muß das Gericht diese Maßregel
anordnen, wenn der Täter den Hang hat, berauschende Mittel im
Übermaß zu sich zu nehmen, er wegen einer auf seinen
Hang zurückgehenden rechtswidrigen Tat verurteilt wird und die
Gefahr besteht, daß er auch in Zukunft infolge seines Hangs
erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung darf nur
unterbleiben, wenn keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen
Behandlungserfolg besteht (vgl. BVerfGE 91, 1 ff.). Dies kann den
Urteilsgründen jedoch nicht entnommen werden, zumal der
Angeklagte O. selbst eine Drogentherapie anstrebt.
Die Sache bedarf daher insoweit erneuter tatrichterlicher
Prüfung. Daß nur die Angeklagten Revision eingelegt
haben, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht
(§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5). Die
Beschwerdeführer haben die Nichtanwendung des § 64
StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff
ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362). Der Strafausspruch wird von der
Teilaufhebung nicht berührt. Der Senat schließt aus,
daß das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung geringere
Strafen verhängt hätte.
Eine Erstreckung der teilweisen Aufhebung des Urteils auf den
Mitangeklagten S. , der keine Revision eingelegt hat, kommt nicht in
Betracht (vgl. BGHR StPO § 357 Erstreckung 4).
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