BGH,
Beschl. v. 8.1.2008 - 4 StR 468/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 468/07
vom
8.1.2008
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja (zu 2. b)
StGB §§ 358, 45 Abs. 2
Der Verlust der Amtsfähigkeit kann auch dann angeordnet
werden, wenn wegen mehrerer Delikte aus dem Katalog des § 358
StGB auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten
erkannt wurde.
BGH, Beschluss vom 8.1.2008 - 4 StR 468/07 - LG Halle
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wegen Gebührenüberhebung
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung und
bezüglich Ziff. 1 und 4 auf Antrag des Generalbundesanwalts
sowie nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8.1.2008
gemäß §§ 154 Abs. 2, 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Angeklagte in den
Fällen II 6, 10, 11, 140, 142, 143, 148, 149, 152, 154, 155,
161, 170, 171, 606, 634, 655, 672, 1091, 1362 verurteilt worden ist.
Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und
die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Halle vom 11. Mai 2007
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der
Gebührenüberhebung in 854 Fällen schuldig
ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch und im Ausspruch über die
Anordnung der Nebenfolge aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
Gebührenüberhebung in 874 Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und deren
Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Es hat ihm ferner
für die Dauer von zwei Jahren die Fähigkeit
aberkannt, öffentliche Ämter zu bekleiden. Gegen
dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung
formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
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1. In den in der Ziff. 1 der Beschlussformel bezeichneten 20
Fällen stellt der Senat auf Antrag des Generalbundesanwalts
das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein.
Die auf Grund der Teileinstellung erfolgte
Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der insoweit
verhängten Einzelstrafen.
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2. Im Übrigen hat die Überprüfung des
Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung zum Schuldspruch und zu
den Einzelstrafaussprüchen keinen Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Hingegen halten
der Gesamtstrafenausspruch und die gemäß §
358 i.V.m. § 45 Abs. 2 StGB verhängte Nebenfolge,
unbeschadet der infolge der Teileinstellung entfallenen Einzelstrafen,
sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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Nach den Feststellungen brachte der seit 1996 als Gerichtsvollzieher
tätige Angeklagte in der Zeit vom 9. Januar 2003 bis 2. Juni
2004 bei Durchführung von Vollstreckungsaufträgen in
874 Fällen ihm zustehende Wegegelder gegenüber den
jeweiligen Kostenschuldnern in Höhe von jeweils 2,50 Euro zu
hoch in Ansatz. Das Landgericht hat für Taten, die der
Angeklagte bis einschließlich April 2003 beging, Geldstrafen
in Höhe von jeweils 20 Tagessätzen á 40
Euro und für die übrigen Taten Freiheitsstrafen von
jeweils zwei Monaten
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festgesetzt und aus diesen Einzelstrafen die Gesamtfreiheitsstrafe von
acht Monaten gebildet. Der Angeklagte war wegen 328 gleich gelagerter
Taten bereits durch rechtskräftigen Strafbefehl vom 13. April
2005 zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 70
Euro verurteilt worden. Diese Strafe ist vollständig bezahlt.
Im Rahmen der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe hat das Landgericht
Folgendes ausgeführt: "Als Härteausgleich
für die bereits vollständig beglichene Gesamtstrafe
... aus dem ansonsten ... gesamtstrafenfähigen Strafbefehl vom
13.4.2005 ... hat die Kammer davon abgesehen, neben der
Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 53 Abs. 2
Satz 2 StGB eine gesonderte Gesamtgeldstrafe zu bilden. Dies
wäre für die Kammer ... ansonsten geboten gewesen, um
den Angeklagten auch am Vermögen zu treffen ...".
a) Durch diese Erwägung werden Nachteile, die dem Angeklagten
durch die getrennte Aburteilung der Taten entstanden sind, nicht
ausgeglichen (vgl. hierzu BGHSt 31, 102; 33, 131, 132). Sie
lässt im Gegenteil besorgen, dass der Angeklagte im Vergleich
zu der früher möglichen gemeinsamen Aburteilung
schlechter gestellt ist.
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Im Falle einer gemeinsamen Aburteilung wären nämlich
Einzelgeldstrafen, die für Taten im vorliegenden Verfahren
verhängt worden wären, möglicherweise nicht,
wie nunmehr geschehen, bei Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe
berücksichtigt worden. Vielmehr hätte aus diesen
Einzelgeldstrafen und den Einzelgeldstrafen für die 328
weiteren Taten neben einer Gesamtfreiheitsstrafe eine gesonderte
Gesamtgeldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2
2. Halbs. StGB gebildet werden können. Im Hinblick auf eine
schuldangemessene Ahndung der Taten ist deshalb nicht
auszuschließen, dass bei gemeinsamer Aburteilung eine neben
einer Gesamtgeldstrafe verhängte Gesamtfreiheitsstrafe die
für die Anordnung einer Nebenfolge nach § 358 StGB
erforderliche Mindesthöhe (vgl.
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dazu unten 2. b) aa) nicht erreicht hätte. Die Anordnung des
Verlustes der Amtsfähigkeit wäre dann nicht in
Betracht gekommen.
b) Durch die rechtsfehlerhaften Erwägungen zum
Härteausgleich hat sich das Landgericht den Blick
dafür verstellt, dass die Prüfung der
Verhängung einer gesonderten Gesamtgeldstrafe nach §
53 Abs. 2 Satz 2 StGB hier deshalb geboten war, weil die Festsetzung
einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zum Verlust
des Amtsfähigkeit nach § 358 i.V.m. § 45
Abs. 2 StGB führen konnte.
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aa) Der Verlust der Amtsfähigkeit nach § 358 StGB
kann - davon ist das Landgericht zu Recht ausgegangen - in einem Fall
wie dem vorliegenden auch dann angeordnet werden, wenn lediglich die
verhängte Gesamtfreiheitsstrafe mindestens sechs Monate
beträgt. Diese Frage ist, soweit ersichtlich, bislang noch
nicht höchstrichterlich entschieden. Der Senat
schließt sich der in der Literatur vorherrschenden Meinung
an, wonach jedenfalls in Fällen, in denen - wie hier - wegen
mehrerer gleichartiger in § 358 StGB bezeichneter Delikte auf
eine mindestens sechsmonatige Gesamtfreiheitsstrafe erkannt wurde, eine
Nebenfolge nach § 358 i.Vm. § 45 Abs. 2 StGB
angeordnet werden kann. In solchen Fällen ist es unerheblich,
wenn die Einzelstrafen das in § 358 StGB geforderte
Mindestmaß von sechs Monaten Freiheitsstrafe nicht erreichen
(Jescheck in LK 11. Aufl. § 358 Rdn. 5; Voßen in
MünchKomm § 358 Rdn. 6; Rudolphi/Rogall in SK-StGB
§ 358 Rdn. 2; Cramer/Heine in
Schönke/Schröder 27. Aufl. § 358 Rdn. 2;
a.A. Fischer StGB 55. Aufl. § 358 i.V.m. § 45 Rdn. 6
und 7). Nach dem Gesetzeszweck kommt es nicht darauf an, ob der
Täter lediglich eine Tat nach § 358 StGB begangen
hat, die mit der vorausgesetzten Mindeststrafe geahndet wird, oder ob
er seine Ungeeignetheit zur Amtsführung dadurch gezeigt hat,
dass er mehrere Amtsdelikte aus dem Katalog des § 358 StGB
begangen hat,
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deren Gesamtstrafe die erforderliche Höhe erreicht (Jescheck
in LK aaO; Vo-ßen in MünchKomm aaO).
Diese Auffassung deckt sich mit der Auslegung des § 48 BBG und
den entsprechenden Vorschriften der Landesbeamtengesetze, wonach das
Beamtenverhältnis zwingend endet, wenn ein Beamter wegen einer
vorsätzlichen Tat zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr
verurteilt worden ist. Diese Vorschriften werden ebenfalls dahin
verstanden, dass sie auch den Fall der Verurteilung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen mehrerer
Vorsatztaten umfassen, selbst wenn die zu Grunde liegenden
Einzelstrafen jeweils weniger als ein Jahr betragen (vgl. zum LBGRh.Pf.
BGH NStZ 1981, 342; zum BbgLBG BGH wistra 2004, 264; Jescheck in LK
aaO; Battis BBG 3. Aufl. § 48 Rdn. 8).
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bb) Im Hinblick darauf, dass danach die Verhängung einer
Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten für das
Landgericht die Möglichkeit eröffnete, den Verlust
der Amtsfähigkeit nach § 358 StGB zu prüfen,
durfte es hier nicht darauf verzichten zu erörtern, ob
für die im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Taten neben
einer Gesamtfreiheitsstrafe die Verhängung einer gesonderten
Gesamtgeldstrafe nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB in Betracht
kommt.
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Eine solche Prüfung ist stets erforderlich, wenn sich nach den
besonderen Umständen des Falles eine aus Geld- und
Freiheitsstrafen gebildete Gesamtfreiheitsstrafe (§ 53 Abs. 2
Satz 1 StGB) als das schwerere Übel erweist (vgl. BGHR StGB
§ 53 Abs. 2 Einbeziehung, nachteilige 2; bei zwingenden
beamtenrechtlichen Folgen etwa BGH wistra 2004, 264). So liegt der Fall
hier. Das Landgericht hat ausdrücklich hervorgehoben, den
Angeklagten mit der
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Strafe "auch am Vermögen" treffen zu wollen. Von der
Verhängung einer gesonderten Gesamtgeldstrafe neben der
Gesamtfreiheitsstrafe hat es jedoch, wie dargelegt, mit einer nicht
tragfähigen Begründung zum Härteausgleich
abgesehen. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass
die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Prüfung auf eine
gesonderte Gesamtgeldstrafe und im Rahmen einer insgesamt
schuldangemessenen Ahndung daneben lediglich auf eine
Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, die die in § 358
StGB geforderte Mindesthöhe nicht erreicht.
3. Die Aufhebung der Gesamtstrafe zieht die Aufhebung der Nebenfolge
nach sich. Die insoweit getroffenen Feststellungen können
jedoch bestehen bleiben, da sie von den Rechtsfehlern nicht betroffen
sind.
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Der neue Tatrichter wird bei Bemessung der zu verhängenden
Gesamtstrafe auch zu berücksichtigen haben, dass es sich bei
der Anordnung des Verlusts der Amtsfähigkeit nach
§§ 358, 45 Abs. 2 StGB ihrem Sinngehalt nach um eine
Nebenstrafe (BGH MDR 1956, 9; Radke in MünchKomm § 45
Rdn. 23
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m.w.N.) handelt. Eine entsprechende Anordnung wird deshalb bei der
Zumessung der Hauptstrafe gegebenenfalls strafmildernd in Betracht zu
ziehen sein.
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Sost-Scheible |