BGH,
Beschl. v. 8.7.2008 - 4 StR 229/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 229/08
vom
8. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Juli 2008
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Magdeburg vom 13. Dezember 2007 mit den Feststellungen - ausgenommen
diejenigen zum äußeren Sachverhalt, die bestehen
bleiben - aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten des Mordes aus niedrigen
Beweggründen für schuldig befunden und ihn zu
lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen wendet sich der
Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen
Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der
Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes hält der
rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die
Feststellung, dass der Angeklagte Anja H. getötet hat. Die dem
zugrunde liegende Beweiswürdigung des Landgerichts weist
keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Den Schluss, den die Schwurgerichtskammer insbesondere aus dem
Nachtatverhalten auf die Täterschaft des Angeklagten gezogen
hat, ist nicht nur möglich und schon deshalb vom
Revisionsgericht hinzunehmen, sondern auch nahe liegend. Dass - wie die
Revision einwendet - ein Dritter die Tat begangen haben
könnte, hat das Landgericht erwogen und mit
tragfähigen Gründen ausgeschlossen.
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b) Gleichwohl hält der Schuldspruch der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand, weil das vom Landgericht angenommene
mordqualifizierende Merkmal der Tötung aus niedrigen
Beweggründen nicht ausreichend mit Tatsachen belegt ist.
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aa) Das Schwurgericht meint, der Angeklagte habe seine
Lebensgefährtin Anja H. getötet, um die mit der
Trennung verbundenen drohenden Änderungen in seinem Leben
abwenden zu können, wobei es ihm jedoch nicht mehr um die
Beziehung zu Anja H. als solche, sondern um alle sonstigen mit der
Beziehung in Verbindung stehenden
„Annehmlichkeiten“ gegangen sei, auf die er nicht
habe freiwillig verzichten wollen. Obwohl diese Annehmlichkeiten gerade
auch in der finanziellen Unterstützung durch Anjas Eltern
bestanden, ist das Schwurgericht allerdings ausdrücklich nicht
davon ausgegangen, dass es dem Angeklagten bei der Tat im Wesentlichen
"auf den materiellen Anteil" ankam, zumal er sich bei den Eltern auch
in persönlicher Hinsicht sehr wohl fühlte und sie
ihrerseits den Angeklagten schätzten. Die Annahme, der
Angeklagte habe Anja "verschwinden" lassen, damit sie die Trennung mit
den damit für ihn verbundenen nachteiligen Konsequenzen nicht
weiter umsetzen konnte, ist jedoch nicht rechtsfehlerfrei
begründet.
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bb) Das Landgericht hat bei seiner Würdigung zum
Tötungsmotiv im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der
Angeklagte nach der Tötung von Anja und der Beseitigung ihrer
Leiche sein Leben fortgeführt habe, als sei nichts geschehen;
er habe weiterhin die finanzielle Unterstützung von Anjas
Eltern in Anspruch genommen und sie weiterhin an den Wochenenden
aufgesucht und sich von ihnen umsorgen lassen; anders als dass es dem
Angeklagten bei Begehung der Tat darauf angekommen sei, nicht die
Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten der Beziehung zu Anja zu
verlieren, sei nicht zu erklären, dass der Angeklagte nach
deren "Verschwinden" den Eltern den Pkw und den Laptop nicht
zurückgegeben und weiterhin auch die Mietzahlungen von Anjas
Vater für die gemeinsame Wohnung akzeptiert habe. Dies wird
jedoch den besonderen Umständen des festgestellten Geschehens
nicht umfassend gerecht.
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cc) Das Landgericht hat zu Recht gesehen, dass die Fortsetzung der
gewohnten Lebensweise - so, als sei nichts geschehen - auch der
Verschleierung der Tat und der Ablenkung des Verdachts gedient haben
könnte. Weshalb die Schwurgerichtskammer aber meint, dies
erkläre dieses Verhalten nur zu einem „gewissen
Anteil“ (UA 45 a.E.), ist nicht nachvollziehbar dargelegt.
Denn es drängt sich auf, dass der Angeklagte aus seiner Sicht
jede Veränderung seines Verhaltens gerade auch in der
Beziehung zu Anjas Eltern vermeiden wollte, um seine Version, Anja sei
es, die ihn im Stich gelassen habe und die sich jetzt anderweitig
vergnüge, glaubhaft erscheinen zu lassen. Kann das Verhalten
des Angeklagten nach der Tat aber eine plausible Erklärung in
der Absicht finden, den Verdacht von sich zu lenken, so lässt
sich daraus gerade kein tragfähiger Gesichtspunkt für
die Annahme herleiten, der Angeklagte habe Anja H. in erster Linie in
der Absicht getötet, sich die Annehmlichkeiten der Beziehung
zu Anja zu erhalten. Zudem erscheint es auch nicht nahe liegend, dass
der Angeklagte ernsthaft geglaubt haben könnte, durch das
"Verschwindenlassen" von Anja sich die mit der Beziehung verbundenen
Annehmlichkeiten, nämlich vor allem
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die Unterstützung durch ihre Eltern, auch dann auf
längere Zeit erhalten zu können, wenn Anja nicht
wieder auftauchte. Auch dies könnte das am Landgericht
angenommene mordqualifizierende Merkmal der Tötung aus
niedrigen Beweggründen in Zweifel ziehen.
c) Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann nach
alledem nicht ausgeschlossen werden, dass bei zutreffender Beurteilung
der Motivlage der Angeklagte "nur" des Totschlags nach § 212
StGB schuldig ist. Die Sache bedarf deshalb neuer tatrichterlicher
Prüfung und Entscheidung.
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2. Von dem aufgezeigten Rechtsfehler betroffen sind jedoch nur die
Feststellungen zur inneren Tatseite. Dagegen können die
Feststellungen zum äußeren Sachverhalt
aufrechterhalten bleiben. Dies hindert den neuen Tatrichter nicht,
insoweit ergänzende Feststellungen zu treffen, die mit den
bisherigen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen.
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Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer |