BGH,
Beschl. v. 8.7.2009 - 2 StR 54/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 54/09
vom
8. Juli 2009
Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja zu 1. a), 1. b) und 2.
Veröffentlichung: ja
StPO § 249 Abs. 2
DRiG § 43
1. Eine Protokollberichtigung mit der Folge einer
"Rügeverkümmerung" ist nicht möglich, wenn
in der Hauptverhandlung Feststellungen über die Kenntnisnahme
vom Wortlaut der Urkunden im Selbstleseverfahren unterblieben sind.
2. Die Mitschriften, die ein nunmehr als Zeuge vernommener Richter in
einer früheren Hauptverhandlung als erkennender Richter
angefertigt hat, sind einer Beweisaufnahme nicht zugänglich.
BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 2 StR 54/09 - Landgericht
Köln
in der Strafsache
gegen
wegen Bestechlichkeit
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 8. Juli 2009 einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Köln vom 7. August 2008 wird als unbegründet
verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang mit Urteil
vom 13. Juni 2006 wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von
drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dieses Urteil wurde auf die
Revision des Angeklagten mit Urteil des Senats vom 27. April 2007 (2
StR 490/06 = BGHSt 51, 325) wegen eines durchgreifenden
Verfahrensfehlers aufgehoben. Nach Zurückverweisung der Sache
hat das Landgericht den Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil
nunmehr erneut wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von einem
Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur
Bewährung ausgesetzt hat.
1
Der auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts
gestützten Revision des Angeklagten bleibt der Erfolg versagt,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
- 3 -
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 24.
April 2009 bemerkt der Senat:
3
1. a) Die dienstlichen Äußerungen der Berufsrichter
und Schöffen, vom Inhalt des Ordners
„Selbstleseverfahren“ (im Urteil:
„Selbstleseverfahren I“) sehr wohl Kenntnis
genommen zu haben, obwohl in das Hauptverhandlungsprotokoll keine dahin
gehende Feststellung gemäß § 249 Abs. 2 S.
3 StPO aufgenommen worden ist, sind für den Senat
unbeachtlich. Eine Berichtigung des Protokolls mit der Folge der
„Verkümmerung“ der vom Angeklagten
erhobenen Verfahrensrüge wäre nicht möglich
gewesen (vgl. zu deren grundsätzlicher Zulässigkeit
die Beschlüsse des Großen Senats für
Strafsachen vom 23. April 2007, GSSt 1/06 = BGHSt 51, 298, 308 ff. und
des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 2009, 2 BvR 2044/07 = NJW
2009, 1469). Das Protokoll ist inhaltlich richtig, weil der zu
protokollierende Verfahrensvorgang der Feststellung über die
Kenntnisnahme in der Hauptverhandlung tatsächlich nicht
stattgefunden hat. Auf Grund seiner negativen Beweiskraft hat der Senat
damit auch davon auszugehen, dass der Inhalt der Urkunden nicht zur
Kenntnis gelangt war (BGH NStZ 2000, 47; 2005, 160), soweit das
Landgericht ihn nicht durch Verlesung einzelner Bestandteile des
betroffenen Selbstleseordners in die Hauptverhandlung
eingeführt hat.
4
b) Das Urteil beruht jedoch nicht auf dem Verfahrensfehler, da der
Senat angesichts der ansonsten sehr sorgfältigen
Beweiswürdigung ausschließen kann, dass die
Strafkammer ohne die Verwertung des Urkundeninhalts zu anderen
Feststellungen gelangt wäre.
5
Die Feststellungen zum Inhalt der Beratungen und Entscheidungen des
Stadtrates vom 13. März und 26. Juni 1997 stützt das
Landgericht auf die Zeugenaussagen des damaligen Oberstadtdirektors Dr.
R. sowie vier wei-
6
- 4 -
terer Teilnehmer der beiden Ratssitzungen. Auch angesichts der
eingehenden Beweiswürdigung zum weiteren Verlauf der
kommunalpolitischen Diskussion bis in das Jahr 1999 hat die Verwertung
der beiden Sitzungsprotokolle lediglich ergänzenden Charakter.
Die Feststellungen zum Verhalten des selbst nicht revidierenden
Mitangeklagten Rü. im Zuge der Beratungen und Entscheidungen
über die Teilprivatisierung der Abfallwirtschaftsbetriebe in
der Folge des Ratsbeschlusses vom 16. Dezember 1999 lassen schon wegen
des zur Tatzeit in der ersten Jahreshälfte noch ganz
unerwarteten Ausgangs der Kommunalwahl im September 1999 allenfalls in
sehr begrenztem Umfang Rückschlüsse auf das
Zustandekommen der Unrechtsvereinbarung zu, die der Zahlung der
Wahlkampfspende durch den Abfallunternehmer T. zu Grunde lag. Schon vor
diesem Hintergrund hat die Verwertung der Urkunden betreffend die
Zahlungen, die T. in den Jahren 2000/2001 an den ehemaligen
Kölner ÖTV-Vorsitzenden S. und an den
CDU-Ratsfraktionsvorsitzenden Prof. Dr. B. geleistet hatte, ebenfalls
nur ergänzenden Charakter. Dies gilt um so mehr angesichts der
Einbettung in den Gesamtzusammenhang der Würdigung der
Aussagen der Zeugen Dr. A. , Prof. Dr. B. , Dr. R. und Bü.
sowie der durch zeugenschaftliche Vernehmung des Oberstaatsanwalts Bu.
eingeführten Verteidigererklärung vom 7. September
2004, die der Zeuge T. sich ausdrücklich zu eigen gemacht
hatte.
7
Aus demselben Grund hat auch die Verwertung des Antrags der CDU- und
FDP-Ratsfraktionen vom 29. November 1999 sowie der Tischvorlage
für die Ratssitzung vom 16. Dezember 1999 keine
selbständige Beweisbedeutung. Ohnehin kam es für die
Feststellungen zum Agieren des Mitangeklagten Rü.
8
- 5 -
nach der von seiner Partei verlorenen Wahl auf die inhaltlichen Details
des letztlich erfolgreichen Privatisierungsantrages nicht an.
2. Die Rüge, die Aufklärungspflicht (§ 249
Abs. 2 StPO) habe die Beschlagnahme der Mitschriften der Zeugen VRLG
Ba. und RLG W. geboten, ist bereits unzulässig (§ 344
Abs. 2 S. 2 StPO). Zudem hat das Landgericht die Beschlagnahme zu Recht
abgelehnt, da ihr ein Beweiserhebungsverbot entgegengestanden
hätte. Die richterlichen Aufzeichnungen aus der
Hauptverhandlung in Strafsachen erlangen in ihrem fortschreitenden
Entstehen den Schutz durch das Beratungsgeheimnis. Sie sind einer
Beweisaufnahme nicht zugänglich (Schmidt-Räntsch DRiG
6. Aufl. § 43 Rn. 5; vgl. auch Fischer StraFo 2004, 420, 421
f.).
9
3. Die Grundsätze, welche der 3. Strafsenat des
Bundesgerichtshofs in den Urteilen vom 28. Oktober 2004 (3 StR 301/03 =
BGHSt 49, 275) und vom 28. August 2007 (3 StR 212/07 = NJW 2007, 3446)
für eine einschränkende Auslegung der
§§ 331, 333 StGB bei Einwerbung von Wahlkampfspenden
für einen Amtsträger aufgestellt hat, sind hier schon
deshalb nicht anwendbar, weil es sich vorliegend nicht um eine
grundsätzlich zulässige Spende mit dem Ziel
allgemeiner politischer „Klimapflege“ handelte,
sondern um eine unzulässige Einflussspende mit dem Ziel, ein
bestimmtes, dem Spender wirtschaftlich vorteiliges dienstliches
Verhalten des Amtsträgers als Gegenleistung zu erlangen
10
- 6 -
(§ 332 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 StGB; vgl. BGHSt 49, 275, 286
f.). Von dieser Bewertung abzugehen, zu der der Senat obiter dictu
bereits in dem den Mitangeklagten Rü. betreffenden Urteil vom
12. Juli 2006 (2 StR 557/05 = NStZ 2007, 36, 37) gelangt war, geben die
Feststellungen des angefochtenen Urteils keinen Anlass.
Rissing-van Saan Ri'inBGH Roggenbuck Appl
ist wegen Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.
Rissing-van Saan
Cierniak Schmitt |