BGH,
Beschl. v. 8.3.2000 - 3 StR 437/99
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 437/99
vom
8. März 2000
in der Strafsache gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 8. März 2000 einstimmig
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover
vom 19. März 1999 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren erwachsenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
bemerkt der Senat:
Der Angeklagte ist, wie freibeweisliche Ermittlungen des Senats ergeben
haben, von Geburt an Deutscher. Für die im Frühjahr
1986 von ihm in seiner damaligen Heimat Kasachstan begangenen beiden
Taten des sexuellen Mißbrauchs von Kindern gilt deshalb nach
§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB das deutsche Strafrecht, da die Taten am
Tatort mit Strafe bedroht waren: Die Sexualdelikte zum Nachteil der
neunjährigen Elena waren als Geschlechtsverkehr mit einer
Person, die noch nicht das 16. Lebensjahr erreicht hat, nach Art. 102
Abs. 1 des kasachischen Strafgesetzbuches von 1959 in der 1986
geltenden Fassung mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, bzw.
als Demoralisierung Minderjähriger durch die Vornahme
unzüchtiger Handlungen an ihnen nach Art. 103 dieses Gesetzes
mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht. Nach
Art. 43 Nr. 2 dieses Gesetzes betrug die Verjährungsfrist bei
Straftaten mit einer Strafandrohung von mehr als zwei Jahren
Freiheitsstrafe fünf Jahre.
Als der Angeklagte im Dezember 1990 in die Bundesrepublik
übersiedelte, war weder nach kasachischem noch nach deutschem
Recht Verjährung eingetreten. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens
des 30. StrÄndG am 30. Juni 1994 war die Strafverfolgung nach
deutschem Recht noch nicht verjährt, so daß die
Verjährung nach § 78 b Abs. 1 Nr. 1 StGB bis zur
Vollendung des achtzehnten Lebensjahres des Opfers am 14. August 1994
ruhte. Darauf, daß die Tat am Tatort (nach kasachischem
Recht) wegen Verjährung nicht mehr hätte verfolgt
werden können, kommt es nicht an. § 7 Abs. 2 Nr. 1
StGB ist Ausdruck des aktiven Personalitätsprinzips. Anders
als möglicherweise bei § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, der
allein durch das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege
gerechtfertigt ist (vgl. BGHR StGB § 7 II Strafbarkeit 2), ist
es hier ausreichend, daß die Tat am Tatort materiell strafbar
ist; tatsächlich verfolgbar braucht sie nicht zu sein (Eser in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 7 Rdn.
17, 11; Lackner in Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 7
Rdn. 2).
Kutzer Miebach Winkler Pfister von Lienen |