BGH,
Beschl. v. 8.3.2005 - 3 StR 22/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 22/05
vom
8.3.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer
Menge
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 8. März 2005 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Mönchengladbach vom 29. Juli 2004, soweit es ihn betrifft, mit
den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie
b) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt
unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben
Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe
von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet
sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung
materiellen
Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen
Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet (§
349 Abs. 2 StPO).
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1. Die auf die Sachrüge veranlaßte
Nachprüfung des Urteils hat zum
Schuldspruch und zur Festsetzung der Einzelstrafen keinen
durchgreifenden
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2. Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe ist hingegen
rechtsfehlerhaft,
weil das Landgericht die in Betracht kommende Bildung einer
nachträglichen
Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB nicht
geprüft hat.
Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte die dem
angefochtenen Urteil
zugrundeliegenden Straftaten (zwischen dem 5. November 2003 und dem
16. Dezember 2003) begangen, bevor er durch das Amtsgericht Viersen am
1. März 2004 wegen Diebstahls zu neun Monaten Freiheitsstrafe
verurteilt wurde.
Danach kommt die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe -
aus den
Einzelstrafen des angefochtenen Urteils (sieben Mal sechs Monate
Freiheitsstrafe)
und der Freiheitsstrafe von neun Monaten aus der Vorverurteilung - in
Betracht. Ob die weiteren Voraussetzungen einer nachträglichen
Gesamtstrafenbildung
gegeben sind, kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen
Feststellungen indes nicht abschließend
überprüfen, weil das Landgericht weder
die Tatzeit des dem Urteil des Amtsgerichts Viersen zugrundeliegenden
Diebstahls (vgl. BGHSt 32, 190, 193), noch den Vollstreckungsstand der
für
diese Tat verhängten, ab dem 21. April 2004 vollstreckten
Freiheitsstrafe mitteilt.
3. Der Rechtsfolgenausspruch kann auch insoweit keinen Bestand haben,
als das Landgericht eine Entscheidung über die Unterbringung
des Angeklagten
in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen hat. Zur
Prüfung
der Frage, ob diese Maßregel anzuordnen ist, hätte
sich die Strafkammer angesichts
der bisherigen Feststellungen veranlaßt sehen müssen.
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Der 28jährige Angeklagte kam erstmals im Alter von 20 Jahren
mit Drogen
in Kontakt, rauchte damals gelegentlich Joints und begann nach einem
Jahr mit dem Konsum von Heroin, das er zunächst rauchte,
später jedoch auch
spritzte. Nach einer Drogentherapie rauchte der Angeklagte im Jahre
2003 erneut
Joints, konsumierte später wiederum Heroin und gelegentlich
Kokain. Die
Strafkammer hat seine Drogenabhängigkeit festgestellt und ist
deswegen
- allerdings ersichtlich ohne Beachtung der hierzu bestehenden
Rechtsprechung
(vgl. Weber, BtMG 2. Aufl. vor § 29 Rdn. 336 ff.) - zu Gunsten
des Angeklagten
von seiner bei Begehung der Taten verminderten Schuldfähigkeit
im
Sinne des § 21 StGB ausgegangen. Ein Teil des Kurierlohnes,
den sich die
Mitangeklagte durch die Einfuhr von Betäubungsmitteln -
Haschisch und Marihuana
im Kilobereich - verdiente, wurde auch für die Drogen des
Angeklagten
ausgegeben. Der Angeklagte hat die Beihilfe zum unerlaubten
Handeltreiben
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge seiner damaligen
Lebensgefährtin
"im wesentlichen" aufgrund seiner
Betäubungsmittelabhängigkeit begangen.
Schließlich beabsichtigt der Angeklagte, eine Drogentherapie
zu beginnen.
Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht prüfen und
entscheiden müssen,
ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten
in einer
Entziehungsanstalt gegeben sind. Daß keine hinreichend
konkrete Aussicht auf
einen Behandlungserfolg besteht (BVerfGE 91, 1), kann den
Urteilsgründen
trotz der einmaligen Rückfälligkeit des Angeklagten
nach einer ambulanten
Therapie bei einer Drogenberatungsstelle nicht entnommen werden.
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Die Teilaufhebung berührt den Strafausspruch nicht. Der Senat
kann
ausschließen, daß die Einzelstrafen bei Anordnung
der Unterbringung niedriger
ausgefallen wären.
Tolksdorf Miebach Winkler
RiBGH Becker ist urlaubsbedingt Hubert
an der Unterzeichnung gehindert.
Tolksdorf |