BGH,
Beschl. v. 8.3.2006 - 1 StR 60/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 60/06
vom 8.3.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8.03.2006
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. a) Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München II vom 30. September 2005 aufgehoben, soweit der
Angeklagte im Fall III.A.2.a. der Urteilsgründe wegen
gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil von M. H.
verurteilt worden ist. b) Hinsichtlich dieses Tatvorwurfs wird das
Verfahren eingestellt. c) Insoweit trägt die Staatskasse die
Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der
Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin (A. K. ) im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen. Gründe: Das Landgericht
München II hat den Angeklagten wegen Mordes sowie wegen
gefährlicher Körperverletzung in fünf
Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe
verurteilt, festgestellt, dass die Schuld des Angeklagten 1
- 3 -
besonders schwer ist und dessen Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung angeordnet. Soweit der Angeklagte wegen
gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil von M. H.
(III.A.2.a. der Urteilsgründe) verurteilt wurde,
führt der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom
9.02.2006 aus: 2 "Hinsichtlich der 1997 begangenen
gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil von M. H.
besteht ein Verfahrenshindernis. Die Tat ist verjährt. a) Zu
Recht ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass
gemäß § 2 Abs. 3 StGB nicht die derzeitige,
sondern die zur Tatzeit geltende Strafbestimmung der
gefährlichen Körperverletzung (§ 223a StGB
a.F.) zur Anwendung zu bringen war. Nach Ablauf der an die Strafdrohung
dieser Norm anknüpfenden Verjährungsfrist von
fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) kann die Tat
jedoch nicht mehr verfolgt werden. Entgegen der Auffassung des
Landgerichts (UA S. 48) hat sich die Verjährungsfrist nicht
durch die Neufassung der gefährlichen
Körperverletzung (§ 224 StGB n.F.) durch Gesetz vom
1. April 1998 auf zehn Jahre verlängert. Zwar trifft im Ansatz
zu, dass schärfere Verjährungsregeln nicht dem
Rückwirkungsverbot unterfallen und daher
grundsätzlich auch auf zurückliegende Taten
anzuwenden sind, sofern diesbezüglich noch keine
Verjährung eingetreten war (vgl. BGH NStZ 2005, 89). Anderes
gilt jedoch dann, wenn eine Verlängerung der
Verjährungsfrist auf einer nachträglichen
Verschärfung der bei der Berechnung zu Grunde zu legenden
Höchststrafen beruht. Insoweit ver-
- 4 -
bleibt es gemäß § 2 Abs. 3 StGB auch
hinsichtlich der Verjährung bei der Anknüpfung an die
mildere Strafdrohung (BGH NStZ 2006, 32; LK-Jähnke, StGB, 11.
Aufl., vor § 78 Rdnr. 11; Stree/Sternberg-Lieben in
Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 78 Rdn.
11). Eine Verjährungsunterbrechung innerhalb des
fünfjährigen Verjährungszeitraums ist
vorliegend nicht ersichtlich. Die dem Angeklagten vorgeworfene Handlung
wurde erstmals in der Vernehmung der Zeugin M. H. vom 16. Februar 2005
(Bl. 601, 610 d.A.), also in bereits verjährter Zeit, zur
Sprache gebracht. b) Soweit Verjährung eingetreten ist, ist
das Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen. Von der
teilweisen Einstellung unberührt bleiben jedoch die Schuld-
und Strafaussprüche im Übrigen, sowie die
Aussprüche über die Gesamtstrafe, über die
Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und über die
Anordnung der Sicherungsverwahrung. Auch ohne Verurteilung wegen
gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil von M. H.
verbleibt es gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 StGB
bei lebenslänglicher Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe. Zu den
Feststellungen der besonderen Schuldschwere ist die
Schwurgerichtskammer allein schon hinsichtlich des Mordes an G. F. auch
ohne Berücksichtigung der weiteren Taten des Angeklagten
gelangt (UA S. 56). Schließlich spielte die Tat zum Nachteil
von M. H. auch bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung keine Rolle
(UA S. 57), zumal insoweit 'nur' eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten
verhängt wurde, die im Rahmen des § 66 Abs. 2 StGB
keine Berücksichtigung finden konnte."
- 5 -
Dem tritt der Senat bei. 3 Im Übrigen hat die
Überprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). 4
Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Graf |