BGH,
Beschl. v. 8.5.2008 - 3 StR 142/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 142/08
vom
8. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Mai 2008
gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hildesheim vom 21. Januar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes (Tötung aus
niedrigen Beweggründen) zur Freiheitsstrafe von 12 Jahren
verurteilt. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit
sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
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1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe mit bedingtem
Tötungsvorsatz gehandelt, hält rechtlicher
Nachprüfung nicht stand. Sie beruht auf einer unzureichenden
Würdigung der festgestellten Tatumstände.
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a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der
Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als
möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, dass er
ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der
Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet; vor der Annahme bedingten
Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also
sowohl das Wissens-
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als auch das Willenselement, in jedem Einzelfall besonders
geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt
werden (vgl. BGHSt 36, 1, 9 f.; BGH NStZ 2003, 603, BGHR StGB
§ 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24, 33). Nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liegt es bei
äußert gefährlichen Gewalthandlungen zwar
nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit, das Opfer
könne durch diese zu Tode kommen, rechnet und, weil er
gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt, auch einen
solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Deshalb ist in derartigen
Fällen ein Schluss von der objektiven Gefährlichkeit
der Handlungen des Täters auf bedingten
Tötungsvorsatz grundsätzlich möglich.
Angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer
Tötung ist jedoch immer auch in Betracht zu ziehen, dass der
Täter die Gefahr der Tötung nicht erkennt oder
jedenfalls darauf vertraut haben könnte, ein solcher Erfolg
werde nicht eintreten. Insbesondere bei spontanen,
unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten
Handlungen kann aus dem Wissen um den möglichen
Erfolgseintritt nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der
Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden
Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das - selbständig
neben dem Wissenselement stehende - voluntative Vorsatzelement gegeben
ist (vgl. BGH NStZ 2003, 603; BGHR StGB § 15 Vorsatz,
bedingter 4). Dabei wird in der Regel ein Vertrauen des Täters
auf das Ausbleiben des tödlichen Erfolges dann zu verneinen
sein, wenn der von ihm vorgestellte Ablauf des Geschehens einem
tödlichen Ausgang so nahe kommen wird, dass nur noch ein
glücklicher Zufall diesen verhindern kann (st. Rspr.; vgl. nur
BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 38). Wird das Opfer
in einer Weise verletzt, die offensichtlich mit sehr hoher
Wahrscheinlichkeit - etwa einem Stich in das Herz vergleichbar - zum
Tode führt (vgl. BGHR aaO 35 und 51), so liegt (zumindest)
bedingter Tötungsvorsatz auf der Hand, ohne dass es
dafür besonderer Anforderungen an die Darlegung der inneren
Tatseite in den Urteilsgründen bedarf (vgl. BGHR aaO 57; BGH
NStZ 2007, 150). Dass eine Hand-
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lung generell geeignet ist, tödliche Verletzungen
herbeizuführen, macht hingegen eine sorgfältige
Prüfung des bedingten Vorsatzes nicht entbehrlich. Der Schluss
auf - bedingten - Tötungsvorsatz ist daher in solchen
Fällen nur rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter in seine
Erwägungen auch diejenigen Umstände einbezogen hat,
die ein solches Ergebnis in Frage stellen können (vgl. BGHR
StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 27, 50).
b) Gemessen daran ist der von der Schwurgerichtskammer allein aus der
Art der Tatausführung - sechs mit voller Kraft
geführte Hiebe mit einer 75 cm langen und gut ein Kilo
schweren Eisenstange auf den Rumpf des Opfers - gezogene Schluss auf
den bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten schon
für sich nicht tragfähig. Schläge auf den
Rumpf eines Menschen führen grundsätzlich nicht ohne
weiteres zu Verletzungen, die wegen ihrer Gefährlichkeit mit
hoher oder gar sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode führen.
Dies gilt auch für die hier festgestellten Hiebe: Das Opfer
hat im Wesentlichen Knochenbrüche im Bereich der Rippen, des
Oberkörpers und an den Armen sowie
großflächige Hämatome erlitten, war
über mehrere Stunden nach der Tat bei Bewusstsein sowie
ansprechbar und verstarb (erst) etwa drei Wochen später nach
einer Lungenentzündung. Keinesfalls genügt den
Anforderungen daher die pauschale Annahme des Landgerichts, dass ein
Täter, der auf einem anderen in der festgestellten Art und
Weise einschlage, eine für jedermann ersichtlich
lebensbedrohliche Handlung vornehme und daher zumindest in der Weise
mit Tötungsvorsatz handele, dass er mit der
Möglichkeit tödlicher Verletzungen rechne und sich
mit dem Tod des Opfers abfinde, und zwar bereits bei dem ersten
heftigen Schlag. Diese Begründung lässt vielmehr
besorgen, dass das Landgericht bei der Prüfung des
Tötungsvorsatzes bereits die abstrakte
Lebensgefährlichkeit der Tathandlungen falsch
eingeschätzt und zudem die konkreten Folgen der
ausgeführten Schläge nicht genügend in den
Blick genommen hat.
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Hinzu kommt, dass das Landgericht weitere maßgebliche
Umstände, die gegen das Vorliegen eines
Tötungsvorsatzes, insbesondere des voluntativen
Vorsatzelements, sprechen könnten, nicht in die anzustellende
Gesamtabwägung einbezogen hat. Insoweit lassen die
Erwägungen des Landgerichts namentlich die
Berücksichtigung der Tatentstehung und des Nachtatverhaltens
des Angeklagten vermissen. Das Landgericht hat bei der Prüfung
des Tötungsvorsatzes nicht bedacht, dass die Tathandlungen
ihren Ausgangspunkt in einem strafbaren Verhalten des in der Wohnung
des Angeklagten von diesem beherbergten Opfers hatten, dieses den
Angeklagten auch zwischen den einzelnen Schlagserien mehrfach zur Wut
provozierte und Täter wie Opfer dem Trinkermilieu
angehörten. Ferner lässt das Landgericht
unberücksichtigt, dass der Angeklagte bereits kurz nach der
Tat einen Notruf absetzen wollte und in den folgenden etwa sieben
Stunden mehrere Nachbarn hilfesuchend ansprach sowie
schließlich selbst den Rettungsdienst herbeirief, wobei er
allein wegen seiner Furcht vor Bestrafung so lange gezögert
hatte. Schließlich hat das Landgericht die hohe
Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit (3,55 o/oo lediglich im
Zusammenhang mit der Frage erörtert, ob der Angeklagte
deswegen daran gehindert war, die Lebensgefährlichkeit seines
Handelns zu erkennen. Dieser Umstand hätte indes auch bei der
Prüfung des voluntativen Vorsatzelementes
Berücksichtigung finden müssen (vgl. BGHR StGB
§ 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 55).
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Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung.
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2. Sollte der neue Tatrichter wiederum einen (bedingten)
Tötungsvorsatz bejahen, so wird er bei der Prüfung
der Frage, ob die Tötung aus niedrigen Beweggründen
begangen wurde, alle für die Handlungsantriebe des
Täters maß-geblichen Faktoren, die Umstände
der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine
Persönlichkeit (st. Rspr.; vgl. Fischer, StGB 55. Aufl.
§ 211 Rdn. 9 m.
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w. N.) umfassend in den Blick nehmen müssen. Nach den bisher
getroffenen Feststellungen liegt es fern, dass der Angeklagte aus
niedrigen Beweggründen im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB
gehandelt haben könnte.
RiBGH Pfister befindet sich
im Urlaub und ist daher ge-
hindert zu unterschreiben.
Becker Becker Kolz
Hubert Schäfer |