BGH,
Beschl. v. 8.11.2006 - 2 StR 465/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 465/06
vom
8.11.2006
in dem Sicherungsverfahren
gegen
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8.11.2006
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts
Hanau vom 27. Juli 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des
Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine
auf die Sachrüge gestützte Revision ist erfolgreich.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der 1976 geborene
Beschuldigte seit seinem 17. Lebensjahr an einer chronischen
paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie; überdies besteht,
wohl in Folge dieser Erkrankung, seit langem eine massive
Politoxikomanie. Er ist 19 mal strafrechtlich in Erscheinung getreten,
insbesondere wegen Diebstählen und Fahrens ohne Fahrerlaubnis.
Im Jahr 1997 wurde er vom Jugendrichter wegen gefährlicher
Körperverletzung verwarnt; im Jahr 1999 wurde er wegen
Körperverletzung zu einer Geldstrafe von "insgesamt 2400 DM"
verurteilt. Einzelheiten zu den zugrunde liegenden Sachverhalten sind
im Urteil nicht mitgeteilt.
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Vielfach wurde der Beschuldigte freiwillig oder aufgrund
landesrechtlicher Einweisung in psychiatrischen Krankenhäusern
behandelt.
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Zu den Anlasstaten hat das Landgericht festgestellt, der Beschuldigte
habe am 1. August 2005, als er sich im PKH H. aufhielt, von der
diensthabenden Krankenschwester zunächst eine
Bedarfsmedikation und nach deren Erhalt noch die vorgezogene
Übergabe seiner üblichen Medikation (Diazepam)
verlangt und erhalten. Er verlangte kurz darauf weitere Medikamente.
Als ihm diese im Stationszimmer von dem diensthabenden Arzt verweigert
wurden, schlug er diesem unvermittelt mit der Faust ins Gesicht. Sodann
schlug er die ebenfalls anwesende Krankenschwester gegen die
Schläfe. Aufgrund seiner psychischen Erkrankung fehlte ihm zum
Tatzeitpunkt die Einsicht, Unrecht zu tun.
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Der in der Hauptverhandlung auch zur Prognose vernommene
Sachverständige, dessen Erwägungen sich der
Tatrichter angeschlossen hat, hat dargelegt, der Beschuldigte
bedürfe einer regelmäßigen neuroleptischen
Behandlung; andernfalls sei mit erneuten Schüben und
ähnlich gelagerten Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu
rechnen.
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Das Landgericht hat ausgeführt, die zu erwartenden Straftaten
des Beschuldigten seien erheblich im Sinne von § 63 StGB. Die
Rechtsprechung zu den besonderen Anforderungen an die
Gefährlichkeitsprognose bei Anlasstaten im Rahmen einer schon
bestehenden Unterbringung greife hier nicht ein, weil es sich nicht um
eine strafrechtliche Unterbringung gehandelt habe und überdies
die Tat nicht auf Spannungen in einem konkreten Verhältnis zu
einer bestimmten Betreuungsperson beruht habe, sondern jeden treffen
könne.
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2. Die Maßregelanordnung gemäß §
63 StGB wird von den bisherigen Feststellungen nicht getragen.
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Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB
ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die
einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen
darstellt und daher nur unter sorgfältiger Beachtung der
gesetzlichen Voraussetzungen angeordnet werden darf. Das gilt nicht nur
für die Feststellung des die Anordnung rechtfertigenden
"Zustands" (vgl. dazu Senatsurteil vom 12.11.2004 - 2 StR 367/04, BGHSt
49, 347, 351 f. m.w.N.), sondern gleichermaßen für
die tatsächlichen Voraussetzungen der
Gefährlichkeitsprognose. Eine erschöpfende
Abwägung der maßgeblichen Umstände und ihre
Erörterung in den Urteilsgründen ist jedenfalls dann
erforderlich, wenn unter Berücksichtigung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§
62 StGB) ein Grenzfall gegeben ist.
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So ist es hier. Dass bei dem Beschuldigten unzweifelhaft eine
behandlungsbedürftige psychische Erkrankung vorliegt, reicht
für die Anordnung der Unterbringung ebenso wenig aus wie die
Wahrscheinlichkeit, dass es infolge des der Schuldunfähigkeit
bei der Anlasstat zugrunde liegenden Zustands wieder zu
"Schüben" kommen kann. Bei der Prognose weiterer erheblicher
rechtswidriger Taten war vorliegend unter anderem zu
berücksichtigen, dass ungeachtet des materiellrechtlichen
Konkurrenzverhältnisses der Anlasstaten unter kriminologischen
Gesichtspunkten nur ein Tatgeschehen vorlag und dass irgendwelche
Aggressionstaten des Beschuldigten zwischen 1999 und 2005 sowie
zwischen der Anlasstat am 1. August 2005 und dem Zeitpunkt der
tatrichterlichen Hauptverhandlung am 27. Juli 2006 nicht festgestellt
sind. Zu bedenken war überdies, dass rechtswidrige Taten oder
bedrohliches Verhalten des Beschuldigten von erheblichem Gewicht
außerhalb stationärer Unterbringung in den letzten
Jahren offenbar nicht feststellbar waren. Erwägungen zu diesen
Gesichtspunkten enthält das angefochtene Urteil nicht.
Zutreffend rügt die Revision auch, dass Feststellungen zu den
konkreten Sachverhalten, die den
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Strafverfahren in den Jahren 1997 und 1999 zugrunde lagen, fehlen. Aus
den Urteilsgründen ergibt sich überdies nicht, wo
sich der Beschuldigte in der Zeit nach den Anlasstaten bis zum Urteil
aufgehalten hat und ob es in diesem Zeitraum zu prognoserelevanten
Auffälligkeiten gekommen ist.
Auf der Grundlage dieser hier unzureichenden Feststellungen ist dem
Revisionsgericht eine umfassende Prüfung nicht
möglich, ob das Landgericht bei der
Maßregelanordnung von zutreffenden
Maßstäben ausgegangen ist.
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