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BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2002 - 4 StR 383/02


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 8.10.2002 - 4 StR 383/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 383/02
vom
8. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schweren räuberischen Diebstahls
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Oktober 2002 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Dortmund vom 13. Mai 2002
a) im gesamten Strafausspruch,
b) soweit von der Anordnung der Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen
worden ist,
mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren räuberischen
Diebstahls unter Einbeziehung von drei Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sechs
Monaten aus zwei früheren Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf
Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte
mit seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
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Das Rechtsmittel hat zum Rechtsfolgenausspruch den aus der Beschlußformel
ersichtlichen Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO.
1. In erster Linie führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs, daß
das Landgericht die hier gebotene Prüfung unterlassen hat, ob der Angeklagte
gemäß § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist. Der Generalbundesanwalt
hat hierzu ausgeführt:
"Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der
Angeklagte seit 1996 Rauschgift, wobei es sich zunächst um
Amphetamine und Haschisch handelte. Um seinen Rauschgiftkonsum
zu finanzieren, beging er ab Mitte 1996 Straftaten,
insbesondere Diebstähle (UA S. 4 ff.). Ab Ende 1997 genoss
der Angeklagte zusätzlich an den Wochenenden Kokain, welches
er in Mengen bis zu einem Gramm pro Tag schnupfte
(UA S. 9). Ab dem Jahreswechsel 1998/1999 konsumierte er
schließlich täglich Kokain, wobei er im Laufe des Jahres 1999
seinen Verbrauch auf bis zu fünf Gramm am Tag steigerte
und sich dieses gelegentlich auch injizierte. Weiterhin nahm
er fortlaufend auch Haschisch zu sich (UA S. 9 f.). Ab Oktober
2000 schnupfte der Angeklagte auch Heroin in Mengen bis zu
0,5 Gramm pro Tag, welches er sich vereinzelt auch spritzte.
Seinen Lebensunterhalt und das Geld für den Drogenkonsum
beschaffte er sich in dieser Zeit - d.h. auch zur Tatzeit am
13. Oktober 2000 (UA S. 15 ff.) - ausschließlich durch Straftaten
(UA S. 12 ff.). Das Vorliegen der Voraussetzungen einer
erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne des
§ 21 StGB hat das sachverständig beratene Landgericht jedoch
nicht festzustellen vermocht (UA S. 32 ff.).
Angesichts dieser Feststellungen liegt die Anordnung der
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
nahe. Für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
kommt es nicht darauf an, dass zumindest verminderte
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Schuldfähigkeit des Täters gemäß § 21 StGB feststeht (vgl.
BGHR StGB § 64 Abs. 1 - Hang 2; BGH NStZ-RR 2001, 12).
Ebenso wenig ist für die Feststellung eines Hanges erforderlich,
dass eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende
Abhängigkeit vorliegt. Es genügt vielmehr eine eingewurzelte,
aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch
Übung erworbene intensive Neigung immer wieder Rauschmittel
zu sich zu nehmen. Diese Neigung muss noch nicht den
Grad einer psychischen Abhängigkeit erreicht haben (vgl.
BGHR StGB § 64 Abs. 1 - Hang 5). Nach den Feststellungen
liegt beim Angeklagten ein Hang in diesem Sinne auf der
Hand. Seine Tat geht auch auf diesen Hang zurück, da sie in
der Absicht der Erlangung von Geld zum Erwerb weiterer
Drogen begangen wurde.
Dass bei dem Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht
eines Behandlungserfolges nicht besteht (vgl. BVerfGE 91, 1
ff.), ist den Urteilsgründen - auch wenn eine Entgiftungskur im
Januar 2001 erfolglos blieb (UA S. 13) - nicht zu entnehmen.
Das Landgericht hätte daher darlegen müssen, warum es
gleichwohl von der Unterbringung abgesehen hat (vgl. BGHSt
37, 5, 7; 38, 362, 363). Dass nur der Angeklagte Revision
eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung
nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5). Der
Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB
durch das Tatgericht auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff
ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362)."
Dem schließt sich der Senat an.
2. Auch der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben. Anders als der
Generalbundesanwalt meint, kann der Senat nicht ausschließen, daß, hätte
das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
angeordnet, sich dies bei der Strafrahmenwahl, zumindest aber bei der
Strafbemessung im engeren Sinne günstig für den Angeklagten ausgewirkt
(vgl. BGHSt 37, 5, 10).
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Die Aufhebung des Strafausspruchs zieht die Aufhebung des Ausspruchs
über die Gesamtstrafe nach sich. Davon unabhängig könnte der Gesamtstrafenausspruch
auch deshalb nicht bestehen bleiben, weil die ihn tragenden
Erwägungen des Landgerichts nicht frei von rechtlichen Bedenken
sind. Das Landgericht hat nämlich bei Festsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe
nicht bedacht, daß diese die äußerste Grenze des nach § 55 Abs. 1 i.V.m. § 54
Abs. 1 Satz 2 StGB zulässigen Gesamtstrafmaßes bildet, weil die Gesamtstrafe
wegen des Verschlechterungsverbotes nicht höher als die Summe der Einsatzstrafe
(vier Jahre und sechs Monate) und der aus den einbezogenen Strafen in
der früheren Verurteilung gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr
ausfallen durfte (BGHSt 15, 164, 166). Es kann deshalb keine Rede davon
sein, daß die Strafkammer die Gesamtfreiheitsstrafe "unter angemessener Erhöhung"
(UA 44) der Einsatzstrafe gebildet hat, zumal da das Landgericht ausdrücklich
noch den engen motivatorischen und zeitlichen Zusammenhang der
Taten zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt hat.
Über den Rechtsfolgenausspruch ist deshalb insgesamt neu zu befinden.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible



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