BGH,
Beschl. v. 8.10.2002 - 5 StR 365/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
5 StR 365/02
vom 8. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Oktober 2002
beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 27. März 2002 nach § 349
Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe
von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf den
Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Angeklagten hat
mit der
Sachrüge Erfolg.
Es begegnet schon Bedenken, daß die Strafkammer bei der
Prüfung,
ob ein minder schwerer Fall vorliegt, offensichtlich nur die zweite
Alternative
des § 213 StGB in Betracht gezogen hat. Ob das Verhalten des
Tatopfers
(Drohen mit dem Messer) angesichts der Vorgeschichte als Provokation im
Sinne der ersten Alternative des § 213 StGB zu bewerten ist,
kann indes dahinstehen.
Denn der Strafausspruch hat aus anderem Grund keinen Bestand:
Das Landgericht hält der Angeklagten zugute, daß
ihre Steuerungsfähigkeit
zur Tatzeit aufgrund erheblicher affektiver Erregung in Verbindung mit
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akutem Alkohol- und Medikamentenmißbrauch erheblich
eingeschränkt war
(§ 21 StGB). Bei der Strafzumessung wertet es das
„massive, äußerst brutale
und nachhaltige“ Vorgehen zu ihren Lasten. Sie habe ihrem
Opfer mehrere,
teilweise ganz erhebliche Stich- und Schnittverletzungen
zugefügt.
Dies hält unter den gegebenen Umständen rechtlicher
Prüfung nicht
stand. Die Art der Tatausführung darf einem Angeklagten nur
dann strafschärfend
zur Last gelegt werden, wenn sie vorwerfbar ist, nicht aber, wenn
ihre Ursache in einer von ihm nicht zu vertretenen geistig-seelischen
Beeinträchtigung
liegt. Allerdings ist auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich
vermindert schuldfähige Täter für die von
ihm begangene Tat in ihrer konkreten
Ausgestaltung verantwortlich, so daß für eine
strafschärfende Verwertung
durchaus Raum bleibt, jedoch nur nach dem Maß der geminderten
Schuld (vgl. BGH NJW 1993, 3210, 3211 f.; BGH NStZ 1992, 538;
Tröndle/
Fischer, StGB 50. Aufl. § 46 Rdn. 28 mit weiteren
Rechtsprechungsnachweisen).
Doch muß das Urteil erkennen lassen, daß sich der
Tatrichter dieser
Problematik bewußt war und ihr Rechnung getragen hat.
Daß dies hier
der Fall gewesen wäre, ergeben die Urteilsgründe, in
denen die Tatintensität
als maßgeblicher Strafschärfungsgrund
uneingeschränkt hervorgehoben
wird, weder ausdrücklich noch in ihrer Gesamtschau. Der Senat
vermag daher
nicht mit Sicherheit auszuschließen, daß die
Strafkammer der Art der
Tatausführung zum Nachteil der Angeklagten ein zu
großes Gewicht beigemessen
hat.
Angesichts des bloßen Wertungsfehlers bedarf es der Aufhebung
von
Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) nicht. Der neue Tatrichter
wird die Strafrahmenwahl
und die anschließende Strafzumessung auf der Grundlage der
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bislang rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen vorzunehmen haben,
die
er allenfalls durch weitere Feststellungen ergänzen darf, die
den bisherigen
nicht widersprechen.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Raum |