BGH,
Beschl. v. 9.8.2001 - 1 StR 295/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 295/01
vom
9. August 2001
in der Strafsache gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. August 2001
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München I vom 6. Februar 2001 aufgehoben, soweit die besondere
Schwere der Schuld des Angeklagten festgestellt worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Dem Angeklagten liegt zur Last, seine Ehefrau aus Habgier
getötet zu haben, um die von ihm befürchteten
wirtschaftlichen Nachteile der angedrohten Scheidung und die
Auswirkungen auf sein Leben mit seiner Geliebten zu verhindern. Das
Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger
Freiheitsstrafe verurteilt. Es hat darüber hinaus die
besondere Schwere der Schuld festgestellt. Mit seiner auf eine
Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten
Revision wendet er sich gegen den Ausspruch über die besondere
Schuldschwere.
I.
Das wirksam beschränkte Rechtsmittel hat aufgrund der
Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrüge kommt es
nicht mehr an.
1. Das Landgericht hat die besondere Schuldschwere damit
begründet, das gesamte Verhalten des Angeklagten habe auf eine
ungewöhnlich hohe kriminelle Energie hingewiesen, die ihren
Ausdruck nicht nur in dem bis aufs Kleinste geplanten Mord sondern auch
darin fand, daß der Angeklagte nicht davor
zurückschreckte, seine Geliebte, eine kenianische
Staatsangehörige, wiederholt zu falschen Angaben
gegenüber Ermittlungsbehörden zu verleiten. Als
"besonders verwerflich" hat das Schwurgericht empfunden, der Angeklagte
habe die Zeugin durch den Kassiber veranlaßt, das Andenken
seiner Ehefrau, mit der er über dreißig Jahre
verheiratet war, zu verunglimpfen. Entsprechend den Anweisungen habe
seine Geliebte in einer schriftlichen, vor einem kenianischen Notar
abgegebenen, Erklärung wahrheitswidrig behauptet, das Tatopfer
habe sich bei ihrem Aufenthalt in Kenia gegenüber
einheimischen jungen Männern sexuell sehr freizügig
verhalten. Ein solches Verhalten sei dem Tatopfer völlig fremd
gewesen, was der Angeklagte auf Vorhalt auch eingeräumt habe.
In Abwägung aller vorstehenden Umstände, bei der
nicht verkannt worden sei, daß der nicht vorbestrafte
Angeklagte die Tat zumindest teilweise eingeräumt habe, sei
das Schwurgericht zu dem Ergebnis gekommen, die Schuld des Angeklagten
wiege besonders schwer.
2. Die Begründung der besonderen Schuldschwere hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den
Grundsätzen von BGHSt (GS) 40, 360, 370 hat der Tatrichter die
schuldrelevanten Umstände zu ermitteln und zu gewichten.
Alsdann hat er im Wege einer zusammenfassenden Würdigung von
Tat und Täterpersönlichkeit die Schuld daraufhin zu
bewerten, ob sie nach seiner Auffassung besonders schwer ist. Es
dürfen allerdings nur solche Umstände herangezogen
werden, "die Gewicht haben". Dabei ist zu bedenken, daß
solche Umstände nicht ohne weiteres, sondern nur im Rahmen der
erforderlichen Gesamtwürdigung zur Annahme der besonderen
Schwere der Schuld führen können.
a) Das Landgericht hat es mit Recht als gewichtige Umstände
angesehen, daß der Angeklagte die Tötung seiner
Ehefrau bis ins Kleinste geplant und dabei eine ungewöhnlich
hohe kriminelle Energie aufgewandt hat. Dazu konnte es auch
zählen, daß der Angeklagte seine Geliebte wiederholt
zu falschen Angaben gegenüber Ermittlungsbehörden
verleitet hat.
b) Dagegen läßt die Formulierung der
Schwurgerichtskammer, sie habe es als "besonders verwerflich"
angesehen, daß der Angeklagte das Andenken des Tatopfers
verunglimpft habe, besorgen, daß sie insoweit den Begriff
"Umstände von besonderem Gewicht" verkannt hat. Nach den
Urteilsgründen ging es dem Angeklagten nicht in erster Linie
um eine Herabsetzung des Tatopfers. Er wollte damit seine Tatversion
stützen, es habe sich nicht um ein geplantes Verbrechen,
sondern um eine Affekttat gehandelt. Dies hat der Angeklagte auch
eingeräumt, nachdem ihm in der Hauptverhandlung der Kassiber
mit der Anweisung vorgehalten worden war. Der Aussage der Zeugin und
der notariellen Urkunde kamen damit kein Beweiswert mehr zu.
Nicht zweifelhaft ist, daß sich der Angeklagte für
die "angriffsweise" vorgebrachte ehrverletzende Behauptung nicht auf
sein Recht auf Verteidigung oder die Wahrnehmung berechtigter
Interessen (§ 193 StGB) berufen kann (vgl. BGH NStZ 1995, 78).
Bei der Bewertung der Ehrverletzung hätte die
Schwurgerichtskammer aber berücksichtigen müssen,
daß sich deren Maß in Grenzen gehalten hat, weil
sie nicht für die gesamte Öffentlichkeit, sondern auf
die auf das Strafverfahren bezogene Öffentlichkeit bestimmt
war. Der Ehrverletzung wurde der Boden entzogen, als der Angeklagte die
Unwahrheit einräumte. Auch hätte die Strafkammer
bedenken müssen, daß die Aussage das
Verteidigungsvorbringen des Angeklagten untermauern sollte, er sei von
dem auf sein ehewidriges Verhalten gestützten
Scheidungsverlangen seiner Ehefrau überrascht und dadurch zu
einer Affekttat hingerissen worden (vgl. zur Bewertung von
Verteidigungsverhalten bei § 57a StGB BGH, Beschl. vom 23. Mai
2000 - 1 StR 193/00 - und Beschl. vom 13. Februar 2001 - 4 StR 562/00
-). Somit hätte das Landgericht auch unter Beachtung des
Rechtsgedankens aus § 258 Abs. 5 StGB näher darlegen
müssen, weshalb es dennoch die unwahre Behauptung als so
gewichtig angesehen hat, daß es hierin einen Umstand von
besonderem Gewicht gesehen hat, auf den es maßgeblich den
Ausspruch über die besondere Schwere der Schuld
gestützt hat.
II.
Der Senat kann nicht - wie von der Revision beantragt - in der Sache
selbst entscheiden, da er sonst seine Wertung an die Stelle der vom
Tatrichter vorzunehmenden Gesamtwürdigung setzen
würde (BGH NStZ 1999, 243 m. w. Nachw.).
Die Feststellungen können bestehen bleiben, da es sich um
einen Wertungsfehler handelt. Ergänzende Feststellungen, die
den bisherigen nicht widersprechen, sind allerdings zulässig.
Schäfer Nack Wahl
Boetticher Hebenstreit
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