BGH,
Beschl. v. 9.8.2001 - 3 StR 279/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 279/01
vom
9. August 2001
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwaltes - zu 2. auf
dessen Antrag - am 9. August 2001 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Lüneburg vom 24. April 2001 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit die Anordnung der Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von
Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen
eingelegten Revision rügt der Angeklagte in allgemeiner Form
die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel ist im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit es sich gegen
den Schuldspruch und den Strafausspruch wendet. Es beschwert den
Angeklagten nicht, daß er im Hinblick auf die zum
Eigenverbrauch erworbene Teilmenge des Heroins nur wegen unerlaubten
Erwerbs von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1
BtMG) und nicht wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a
Abs. 1 Nr. 2 BtMG) verurteilt wurde (vgl. BGHR BtMG § 29 a
Abs. 1 Nr. 2 Besitz 3).
Jedoch kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, soweit es das
Landgericht unterlassen hat zu prüfen, ob die Unterbringung
des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen ist (§
64 StGB).
Nach den Feststellungen ist der wegen unerlaubten
Betäubungsmittelbesitzes vorbestrafte Angeklagte
langjähriger Betäubungsmittelkonsument, der seit 1990
zumindest drei Drogentherapien ohne Erfolg durchlief und sich seit 1994
in einem Polamidonprogramm und sodann ab 1996 in einem Methadonprogramm
befand, daneben aber regelmäßig Heroin konsumierte.
Seiner jetzigen Verurteilung liegt der Erwerb und die Aufbewahrung von
23,21 g Heroin zugrunde, das je zur Hälfte zum Eigenverbrauch
und zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Danach liegt es
nahe, daß die Voraussetzungen für die Unterbringung
des Angeklagten nach § 64 StGB gegeben sind. Das Landgericht
hätte daher die Anordnung dieser Maßregel
prüfen müssen.
Warum es dies unterlassen hat, läßt sich den
Urteilsgründen nicht entnehmen. Zwar könnten die
mehrfachen erfolglosen Therapieversuche darauf hindeuten, daß
es an der erforderlichen konkreten Erfolgsaussicht der Unterbringung
mangelt (vgl. BVerfGE 91, 1 ff.). Dem steht jedoch entgegen,
daß das Landgericht in den Urteilsgründen seine
Zustimmung zur Zurückstellung der Strafvollstreckung
gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 2 BtMG erteilte und
somit ersichtlich Chancen für einen Therapieerfolg sah.
Letztlich kann diese Frage aber ohne die Hilfe eines medizinischen
Sachverständigen nicht beantwortet werden (vgl. § 246
a StPO).
Liegen die Voraussetzungen des § 64 StGB vor, ist die
Anordnung der Unterbringung zwingend. Hiervon darf nicht etwa deswegen
abgesehen werden, weil eine Zurückstellung der
Strafvollstreckung nach § 35 BtMG ins Auge gefaßt
ist (vgl. BGH bei Holtz MDR 1992, 932; BGH, Beschl. vom 16. Juni 1998
- 4 StR 235/98).
Einer Nachholung der Unterbringungsanordnung steht nicht entgegen,
daß nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358
Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGHSt 37, 5). Er hat die Nichtanwendung des
§ 64 StGB auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff
ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).
Der Strafausspruch wird hierdurch nicht berührt. Der Senat
kann hier ausschließen, daß im Falle der
Unterbringung gegen den einschlägig vorbestraften Angeklagten
auf eine geringere Strafe erkannt worden wäre.
Rissing-van Saan Winkler Pfister von Lienen Becker |