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BGH, Beschluss vom 9. Februar 2000 - 5 StR 616/99


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 9.2.2000 - 5 StR 616/99 (alt: 5 StR 602/95)     
5 StR 616/99
(alt: 5 StR 602/95)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 9. Februar 2000
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Februar 2000 beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 8. Februar 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO
1. im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der tateinheitlichen fahrlässigen Tötung zweier Menschen durch Unterlassen schuldig ist,
2. im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
II. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - allgemeine - Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, seinen Sohn M
zum Mord an zwei Menschen angestiftet zu haben. Von diesem Vorwurf ist der Angeklagte zunächst durch das Landgericht Lüneburg - Jugendkammer - freigesprochen worden. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat diesen Freispruch durch Urteil vom 20. Juni 1996 aufgehoben und die Sache an das Landgericht - Schwurgerichtskammer - zurückverwiesen. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten wegen Totschlags an zwei Menschen durch Unterlassen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat einen Teilerfolg.
I.
Die Verfahrensrüge ist unbegründet aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 13. Dezember 1999.
II.
Die Sachrüge führt zu einer Umstellung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs.
1. Das Landgericht hat im wesentlichen folgendes festgestellt:
Der zur Tatzeit 15jährige Sohn des Angeklagten, M , erschoß seine Schwester Me und deren Mann S A bei einem Besuch des Paares in dessen Wohnung. Hintergrund der Tat war, daß S A seine spätere Frau mit deren Einverständnis "entführt" hatte, um sie zu heiraten, und daß eine "Versöhnung" zwischen S A und der Familie seiner Frau gescheitert war. M wollte mit dieser Tat nach von ihm so verstandener kurdischer Sitte die Ehre seiner Familie wieder herstellen. Der Angeklagte hatte rechtzeitig die Gefahr erkannt, daß sein Sohn M diese Tat ausführen würde. Als Familienoberhaupt und Stifter der letztlich gescheiterten "Versöhnung" zwischen den Familien unterließ er es gleichwohl, die Tat zu verhindern. Solches war ihm möglich, sei es durch Einflußnahme auf seinen Sohn M sei es durch eine Warnung an seine Tochter und deren Mann.
2. Damit sind zwar die Garantenstellung des Angeklagten und die (hypothetische) Kausalität seines Unterlassens dargetan, zumal da nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen davon auszugehen ist, daß das Opferpaar den M nicht in die eigene Wohnung eingelassen hätte, wenn es durch den Angeklagten - wie diesem geboten und zumutbar - vor einem Tötungsanschlag des M gewarnt worden wäre.
Jedoch ist weder ausdrücklich festgestellt, noch etwa dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen zu entnehmen, daß der Angeklagte den Tod der beiden Tatopfer billigend in Kauf genommen hätte. Vielmehr spricht gegen einen solchen - bedingten - Vorsatz des Angeklagten sein zweimaliges, gescheitertes Bemühen, die beiden Tatopfer zu einer Ausreise nach Schweden zu seinem Bruder zu veranlassen (UA S. 11, 15).
Der Schuldspruch wegen Totschlags an zwei Menschen durch Unterlassen kann deshalb keinen Bestand haben.
3. Jedoch ergeben die Feststellungen, daß der Angeklagte den Tod des Paares fahrlässig durch Unterlassen verschuldet hat. Er hatte die Gefahr der Tatbegehung erkannt (UA S. 14, 15).
Der Senat stellt deshalb den Schuldspruch um.
Gesichtspunkte des § 265 StPO stehen der Umstellung des Schuldspruchs nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich gegen den Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen nicht anders als geschehen verteidigen können. Auch hatte der Senat bereits im Urteil vom 20. Juni 1996 auf die Möglichkeit einer Fahrlässigkeitstat hingewiesen.
4. Angesichts der Differenz zwischen den in Betracht kommenden Strafrahmen sieht der Senat sich gehindert, den Strafausspruch aufrechtzuerhalten. Es ist nicht auszuschließen, daß der Tatrichter wegen der geringeren Schuldform auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
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