BGH,
Beschl. v. 9.2.2010 - 4 StR 556/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 556/09
vom
9. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 9. Februar 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Marburg (Lahn) vom 4. Mai 2009 dahingehend abgeändert, dass im
Fall II. 2 der Urteilsgründe die tateinheitliche Verurteilung
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr
entfällt.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher
Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall
(II. 1 der Urteilsgründe) in Tateinheit mit Beleidigung,
Nötigung und Bedrohung, im anderen Fall (II. 2 der
Urteilsgründe) in Tateinheit mit gefährlichem
Eingriff in den Straßenverkehr und Bedrohung, zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung
es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil wendet
sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung
sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zum
Wegfall der Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den
Straßenverkehr; im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben, soweit das Landgericht ihn im Fall II. 1 der
Urteilsgründe wegen vorsätzlicher
Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung,
Nötigung und Bedrohung zu der Geldstrafe von 80
Tagessätzen verurteilt hat. Angesichts der Besonderheiten des
festgestellten Sachverhalts ist auch nicht zu beanstanden, dass das
Landgericht in diesem Fall keine Gesetzeskonkurrenz von
Nötigung und Bedrohung (vgl. Fischer StGB 57. Aufl. §
240 Rdn. 63 m.N.) angenommen, sondern beide Delikte als tateinheitlich
verwirklicht angesehen hat.
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Ebenso hat das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 2 der
Urteilsgründe rechtsfehlerfrei der vorsätzlichen
Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung für
schuldig befunden und ihn zu der Einsatzstrafe von zehn Monaten
Freiheitsstrafe verurteilt.
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2. Dagegen kann der Schuldspruch keinen Bestand haben, soweit das
Landgericht den Angeklagten im Fall II. 2 auch des
vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den
Straßenverkehr für schuldig befunden hat.
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a) Das Landgericht hat insoweit festgestellt:
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Aus Wut, Enttäuschung und Verzweiflung verfolgte der
Angeklagte mit seinem Pkw seine Ehefrau, die sich von ihm trennen
wollte und sich auf dem Heimweg zu ihrer Wohnung im Haus ihrer Eltern
befand. Dieses Haus befindet sich am Ende eines Stichweges. Der
Angeklagte erblickte seine Ehefrau, als er in den Stichweg einbog. Er
beschleunigte seinen Pkw innerhalb von zwei Sekunden und einer Strecke
von 20 m auf 45 bis 48 km/h. Er wollte seiner Ehefrau den Weg in ihr
Elternhaus abschneiden und sie noch einmal wegen der Tren-
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nung zur Rede stellen. Nach zwei Sekunden maximaler Beschleunigung
leitete der Angeklagte jedoch eine Vollbremsung ein, "um - was zu
seinen Gunsten unterstellt werden muss - seine Ehefrau nicht weiter zu
gefährden". Weiter heißt es in dem Urteil: "Der
Angeklagte erkannte dabei, dass er seine Ehefrau durch sein hoch
riskantes Fahrmanöver konkret gefährdete, wollte
diese indes nicht verletzten und vertraute darauf, dass sie von dem Pkw
nicht erfasst würde.“ Sie hatte die Gefahr
rechtzeitig erkannt und konnte dem von hinten herannahenden Fahrzeug
des Angeklagten ausweichen und sich auf das Grundstück ihrer
Eltern flüchten. Der Pkw des Angeklagten kam nur wenige
Zentimeter vor dem Jägerzaun dieses Grundstücks zum
Stehen. Der Angeklagte stieg aus, lief seiner Ehefrau hinterher und
schlug sie an der Haustür zu Boden.
b) Diese Feststellungen rechtfertigen die Verurteilung des Angeklagten
wegen vollendeten vorsätzlichen gefährlichen
Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315 b StGB
nicht. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 17.
November 2009 zutreffend ausgeführt hat, ergeben die
Feststellungen nicht, dass Leib oder Leben der Ehefrau des Angeklagten
(oder fremde Sachen von bedeutendem Wert) bereits konkret
gefährdet worden sind, wie dies § 315 b Abs. 1 StGB
voraussetzt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 20. Oktober 2009 - 4
StR 408/09, vom 3. November 2009 - 4 StR 373/09 - und vom 10. Dezember
2009 - 4 StR 503/09).
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Davon abgesehen, scheitert eine Verurteilung des Angeklagten nach
§ 315 b StGB unter den hier gegebenen Umständen
bereits am subjektiven Tatbestand. Denn nach den Feststellungen des
Landgerichts hat der Angeklagte nur mit Gefährdungsvorsatz
gehandelt, der hier nicht genügt. Nach der neueren
Rechtsprechung des Senats (BGHSt 48, 233) setzt die Strafbarkeit bei
einem sog. verkehrsfeindlichen Inneneingriff, wie ihn das Landgericht
hier festge-
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stellt hat, voraus, dass zu dem bewusst zweckwidrigen Einsatz des
Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzu kommt, dass es der
Täter mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz -
etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug - missbraucht; erst dann liege
eine - über den Tatbestand des § 315 c hinausgehende
und davon abzugrenzende - verkehrsatypische "Pervertierung" des
Verkehrsvorgangs zu einem gefährlichen "Eingriff" in den
Straßenverkehr im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB vor
(ebenso Senat, Beschlüsse vom 16. Oktober 2003 - 4 StR 275/03
-, DAR 2004, 230, und vom 1. September 2005 - 4 StR 292/05 -, DAR 2006,
30).
Soweit in BGHSt 48, 233, 238 ausgeführt wird, das
Nötigungselement allein mache ein Verkehrsverhalten noch nicht
zu einem gefährlichen Eingriff in den
Straßenverkehr, wenn das eigene Fortkommen primäres
Ziel einer gewollten Behinderung sei, ist diese Formulierung nicht im
Sinne einer Einschränkung des oben ausgeführten
Grundsatzes zu verstehen. Der Senat stellt vielmehr klar, dass ein
vorschriftswidriges Verkehrsverhalten bei sog. Inneneingriffen im
fließenden Verkehr grundsätzlich nur dann von
§ 315 b Abs. 1 StGB, erfasst wird, wenn der
Fahrzeugführer nicht nur mit Gefährdungsvorsatz,
sondern mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz handelt.
Eine Differenzierung der Fälle danach, ob der Täter
seine Fahrt nach dem gefährlichen Eingriff fortsetzen will
oder nicht, würde nicht nur zu Abgrenzungsschwierigkeiten,
sondern auch zu schwer nachvollziehbaren unterschiedlichen Ergebnissen
bei gleichem Unrechtsgehalt der Tat führen.
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c) Der Senat ändert deshalb im Fall II. 2 der
Urteilsgründe den Schuldspruch dahin, dass die tateinheitliche
Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in
den Straßenverkehr entfällt.
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3. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher
ausgeführt hat, wird der Strafausspruch im Fall II. 2 der
Urteilsgründe durch die Schuldspruchänderung nicht
berührt. Das Landgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des
§ 223 Abs. 1 StGB entnommen. Der Schuldgehalt der Tat hat sich
durch den Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung nach § 315
b StGB nicht wesentlich geändert. Der Senat schließt
deshalb aus, dass das Landgericht ohne den Schuldspruch nach §
315 b StGB auf eine (noch) niedrigere Einzel- und Einsatzstrafe erkannt
hätte.
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Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer |