BGH,
Beschl. v. 9.1.2008 - 5 StR 416/07
5 StR 416/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
9.1.2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betrugs
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9.1.2008
beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt (Oder) vom 2. Mai 2007 in den
Gesamtstrafenaussprüchen gemäß §
349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen Betrugs in 48
Fällen - unter Einbeziehung rechtskräftiger
Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde vom
12. August 2005 - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren
verurteilt. Die Angeklagte K. hat das Landgericht wegen Betrugs in 47
Fällen schuldig gesprochen. Gegen sie hat es - ebenfalls unter
Einbeziehung rechtskräftiger Strafen aus dem vorgenannten
Urteil - eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten
verhängt und diese Angeklagte in einem weiteren Fall
freigesprochen. Gegen dieses Urteil wenden sich beide Angeklagte mit
ihren Revisionen. Beide Rechtsmittel führen jeweils zur
Aufhebung der verhängten Gesamtstrafe; im Übrigen
sind die Revisionen aus den Gründen der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO.
1
- 3 -
Die Gesamtstrafenbildung hält im Hinblick auf den Angeklagten
P. rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das
Landgericht hat von einer Einbeziehung der am 16. Februar 2004 und am
18. März 2005 verhängten Geldstrafen, deren zugrunde
liegenden Tatzeiten es allerdings nicht mitteilt, aus
„erzieherischen Gründen“ abgesehen. Schon
dies begegnet grundlegenden Bedenken, weil „erzieherische
Gründe“ als Strafzumessungserwägung im
Erwachsenenstrafrecht nicht vorgesehen sind; auch erschließt
sich eine sinnvolle Einwirkung auf den Angeklagten durch eine
zusätzliche Geldstrafe neben einer zu
verbüßenden Freiheitsstrafe nicht ohne weiteres,
zumal der Angeklagte ersichtlich vermögenslos und
überschuldet ist (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 53
Rdn. 7). Vor allem hat das Landgericht aber übersehen, dass,
auch wenn es von der Möglichkeit des § 53 Abs. 2 Satz
2 StGB Gebrauch macht und die Geldstrafe gesondert bestehen
lässt, diese Verurteilung Zäsurwirkung entfaltet,
wenn sie - wie hier - nicht vollständig vollstreckt ist (BGHSt
44, 179, 184). Das bedeutet, dass aus den Einzelstrafen für
die nunmehr abgeurteilten Taten (Tatzeiten zwischen August 2003 und
Juni 2004), die vor der zäsurbegründenden
Verurteilung vom 16. Februar 2004 beendet waren (vgl. BGHSt 9, 370,
383; BGH NJW 1999, 1344, 1346), eine gesonderte Gesamtstrafe zu bilden
gewesen wäre.
2
Aus der noch nicht vollstreckten Verurteilung vom 16. Februar 2004
müsste deshalb eine Gesamtstrafe gebildet werden, die sich
zusammensetzt aus den Einzelstrafen für die dort abgeurteilten
Taten und denjenigen für die Taten, die der Verurteilung vom
12. August 2005 (Tatzeiten dort: zwischen Juli 2002 und August 2003)
zugrunde liegen sowie aus den hier verhängten Einzelstrafen,
soweit die Taten vor dem 16. Februar 2004 beendet worden sind. Sollten
die der Verurteilung vom 18. März 2005 zugrunde liegenden
Taten ebenfalls ganz oder teilweise vor dem 16. Februar 2004 begangen
worden sein, wären die hierfür verhängten
Einzelstrafen insoweit gleichfalls einzubeziehen, wie die der
Verurteilung vom 5. Dezember 2005 zugrunde liegenden Einzelstrafen,
falls auch die dort abgeurteilten Taten vor dem
3
- 4 -
16. Februar 2004 beendet worden sein sollten. Zu beiden Gesichtspunkten
trifft das landgerichtliche Urteil keine Feststellungen.
Das landgerichtliche Urteil verhält sich weiterhin nicht zu
der Verurteilung vom 19. Februar 2003 und teilt insbesondere nicht mit,
ob die Geldstrafe aus diesem Urteil vollständig vollstreckt
war. Diese Verurteilung könnte nämlich eine
zusätzliche (frühere) Zäsur bilden, weil die
Verurteilung an sich gesamtstrafenfähig ist mit einem Teil der
Taten aus der Verurteilung vom 12. August 2005. Sie könnte
weiterhin gesamtstrafenfähig sein mit Taten aus den
Verurteilungen vom 5. Dezember 2005, vom 18. März 2005 und vom
16. Februar 2004, deren Tatzeiten im landgerichtlichen Urteil jeweils
nicht genannt sind. Für die drei vorgenannten Verurteilungen
gilt allerdings ebenso wie für die Verurteilung vom 19.
Februar 2003, dass eine Gesamtstrafbildung nur in Betracht kommt, wenn
die zugrunde liegenden Taten nicht ihrerseits mit einer
früheren Verurteilung, hier der Verurteilung vom 25. Juni
2002, gesamtstrafenfähig wären. Insoweit
dürfte die Bildung einer Gesamtstrafe nur mit der jeweils
zeitlich früheren Strafe erfolgen (vgl. BGHSt 32, 190, 192;
BGHR StPO § 354 Abs. 1b Satz 1 Entscheidung 2). Sollte
hingegen eine Gesamtstrafenbildung wegen einer zwischenzeitlichen
Vollstreckung der Geldstrafe aus der Verurteilung vom 19. Februar 2003
nicht mehr möglich sein, wäre ein
Härteausgleich zu erwägen.
4
Schließlich käme sogar die Bildung einer weiteren
(unter Umständen sogar vierten) Gesamtstrafe in Betracht, wenn
Taten aus dem Urteil vom 5. Dezember 2005 nach der letzten zuvor
zäsurbegründenden Verurteilung begangen worden sein
sollten. All dies hätte die Strafkammer nachvollziehbar
darstellen müssen. Ihre Feststellungen zu den
Vorverurteilungen sind insgesamt so lückenhaft, dass der Senat
nicht beurteilen kann, ob die unterbliebene Bildung weiterer
Gesamtstrafen den Angeklagten P. - entgegen der Auffassung des
Generalbundesanwalts - nicht doch beschwert hat.
5
- 5 -
2. Die Gesamtstrafenbildung begegnet auch hinsichtlich der Angeklagten
K. durchgreifenden Bedenken. Eine Begründung der gegen sie
ausgesprochenen Gesamtfreiheitsstrafe fehlt; die Strafkammer verweist
lediglich allgemein auf die vorgenannten
Strafzumessungserwägungen. Dies ist zwar
grundsätzlich nicht zu beanstanden, hier lässt jedoch
die fehlende ausdrückliche Erwähnung besorgen, dass
die Strafkammer den ausgeprägten zeitlichen und situativen
Zusammenhang der im Wesentlichen gleichgelagerten Einzeltaten nicht
hinreichend bedacht hat. Im Hinblick auf den nicht allzu erheblichen
Gesamtschaden der ihr zuzurechnenden und hier abgeurteilten Taten
(9.800 Euro) hätte deshalb die erhebliche Erhöhung
der Einsatzstrafe (zehn Monate Freiheitsstrafe) weitergehend
begründet werden müssen.
6
7
Der neue Tatrichter wird zudem - was beide Angeklagte gerügt
haben - eine Anrechnung der bisher erfüllten
Bewährungsauflagen aus dem Urteil, hinsichtlich dessen
Einbeziehung erfolgt ist, vorzunehmen haben. Eine solche Anrechnung hat
im Urteil zu erfolgen (BGHR StGB § 58 Abs. 2 Satz 2 Anrechnung
2, 3, 4).
Basdorf Raum Brause
Schaal Jäger |