BGH,
Beschl. v. 9.6.2004 - 5 StR 203/04
5 StR 203/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
9.06.2004
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9.06.2004
beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten R wird das
Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 9. Februar
2004 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) in den Schuldsprüchen - auch gegen den Angeklagten
L (§ 357 StPO) - dahin abgeändert, daß die
Verurteilung wegen tateinheitlicher (einfacher) Brandstiftung
jeweils entfällt;
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch gegen die Angeklagte
R mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der
Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat gegen die Angeklagte wegen gemeinschaftlich
mit dem Mitangeklagten begangener schwerer Brandstiftung in Tateinheit
mit
Brandstiftung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten
verhängt,
unter Einbeziehung rechtskräftiger Geldstrafen auf eine
Gesamtfrei-
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heitsstrafe von drei Jahren erkannt und die Unterbringung der
Angeklagten in
einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Mitangeklagte wurde
bei identischem Schuldspruch zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und
zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung
ausgesetzt
wurde. Die Revision der Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen
Teilerfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
bleiben insbesondere die Verfahrensrügen und die
sachlich-rechtlichen Angriffe
gegen die tatgerichtliche Beweiswürdigung erfolglos. Der
Schuldspruch
wegen schwerer Brandstiftung ist nicht zu beanstanden; auch der Senat
entnimmt
den Urteilsfeststellungen, daß die Tat zur Vollendung gelangt
ist.
Allerdings wird der Tatbestand der Brandstiftung nach § 306
Abs. 1
Nr. 1 StGB durch denjenigen der schweren Brandstiftung
gemäß § 306a
Abs. 1 Nr. 1 StGB verdrängt (BGHR StGB § 306 Abs. 1
Konkurrenzen 1). Die
vom Generalbundesanwalt deshalb zutreffend beantragte
Schuldspruchberichtigung
ist gemäß § 357 StPO auf den selbst nicht
revidierenden Mitangeklagten
zu erstrecken. Dessen vorheriger Anhörung bedarf es nicht, da
die
Schuldspruchberichtigung den Mitangeklagten lediglich
begünstigt, den
Strafausspruch gegen ihn indes unberührt
läßt und daher keine neue Verhandlung,
durch die er belastet werden könnte, nach sich zieht. Der
individuelle
Rechtsfehler im Zusammenhang mit § 21 StGB, der zur Aufhebung
des
Strafausspruchs bei der Angeklagten führt, berührt
den Mitangeklagten nicht.
2. Die Angeklagte betreffend hat die verhängte Strafe keinen
Bestand.
Das Landgericht hat die erhebliche Verminderung der
Steuerungsfähigkeit
der Angeklagten bei Tatbegehung im Sinne des § 21 StGB
zumindest nicht
ausgeschlossen. Gleichwohl läßt das Landgericht -
das auch nicht erörtert,
ob es diesen vertypten Milderungsgrund bei der Prüfung und
Ablehnung eines
minder schweren Falles nach § 306a Abs. 3 StGB mitbedacht hat
- unerwähnt,
ob es der Angeklagten eine Strafrahmenverschiebung nach
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§§ 21, 49 Abs. 1 StGB zugebilligt hat. Der allgemein
ausgeführten Berücksichtigung
der erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit
kann der Senat
dies ebenso wenig eindeutig entnehmen wie der erkannten
Strafhöhe,
auch unter Berücksichtigung der gegen den Mitangeklagten
verhängten
Strafe. Ein tragfähiger Ablehnungsgrund für eine
Strafrahmenverschiebung
ist nicht ersichtlich. Danach führen die Zweifel an einer
rechtsfehlerfreien
Strafrahmenfindung zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Der Senat weist ergänzend für die
nachträgliche Gesamtstrafbildung
darauf hin, daß bei der Einbeziehung von Geldstrafen nach
§§ 55, 54 StGB
der maßgebliche Zäsurzeitpunkt vollständig
- auch zur Frage etwa vorrangiger
anderweitiger Einbeziehbarkeit der einbezogenen Strafen in eine
vorausgegangene
Verurteilung - zu belegen ist. Ferner ist die Vorschrift des §
53
Abs. 2 Satz 2 StGB zu bedenken; deren Anwendung wird freilich - sofern
nicht nach der neuen Verhandlung eine Aussetzungsmöglichkeit
davon abhängen
sollte - besonders fernliegen, wenn eine auf die Gesamtstrafe
anzurechnende
weitgehende Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe
vorläge (auch
die vollständige stünde der erneuten Einbeziehung,
sofern die bisherige
rechtsfehlerfrei erfolgte, nicht entgegen; vgl. BGHR StGB § 55
Abs. 1 Satz 1
Erledigung 1 und 2).
3. Der Maßregelausspruch nach § 63 StGB hat schon
deshalb keinen
Bestand, weil das Urteil nicht, wie erforderlich (vgl. BGHR StGB
§ 63 Zustand
12; BGH NStZ 2004, 197 m.w.N.), deutlich macht, daß die
Angeklagte
die Tat mit Sicherheit im Zustand erheblicher Verminderung der
Schuldfähigkeit
begangen hat. Im Zusammenhang mit ihrer Alkoholisierung hat das
Landgericht dies lediglich nicht ausgeschlossen (UA S. 8). Die
Gesamtheit
der Urteilsgründe legt zwar nahe, daß das
Landgericht angesichts der festgestellten
Persönlichkeitsdefekte der Angeklagten letztlich doch zu einer
sicheren
Feststellung der Voraussetzungen des § 21 StGB gelangt ist;
die Urteilsgründe
lassen jedoch die für die einschneidende Maßregel
der Unterbringung
in einem psychiatrischen Krankenhaus unerläßliche
Klarheit ver-
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missen. Insoweit kommt hinzu, daß das Landgericht sich bei
der Anordnung
der Maßregel nach § 63 StGB gegen die
alkoholabhängige Angeklagte zwar
im Ansatz zutreffend an den Kriterien der Rechtsprechung für
Fälle einer die
Alkoholsucht verstärkenden schweren anderen seelischen
Abartigkeit
(BGHSt 44, 338; BGHR StGB § 63 Zustand 12, 18) orientieren
wollte, daß
aber die eher allgemein gehaltenen Diagnosen des psychiatrischen
Sachverständigen
- durch den chronischen Alkoholmißbrauch hervorgerufene
„psychische
und Verhaltensstörung“ sowie „emotional
instabile Persönlichkeitsstörung
vom impulsiven Typ“ - als Grundlage für die Annahme
der Voraussetzungen
des § 63 StGB jedenfalls hinsichtlich der Beschreibung des
für
eine relevante seelische Abartigkeit erforderlichen Schweregrades zu
vage
sind (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 34 und BGH NStZ 2004, 197).
Das neue Tatgericht muß die - gesicherten oder nur nicht
ausschließbaren
- Voraussetzungen des § 21 StGB und ihre Auswirkungen auf den
Strafausspruch, gegebenenfalls auch auf einen
Maßregelausspruch erneut
mit sachverständiger Hilfe überprüfen.
Für eine Maßregel nach § 63 StGB
bedürfte es einer im Vergleich zu den zitierten
Urteilsfeststellungen erheblich
eingehenderen Diagnose über einen feststehenden Zustand
gravierender
psychischer Störung der Angeklagten. Mit Hilfe des Gutachters
wird auch
erneut die Frage einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht
für eine Unterbringung
nach § 64 StGB zu prüfen sein. Angesichts der
zwischen der Angeklagten
und dem bisherigen psychiatrischen Sachverständigen deutlich
gewordenen
Spannungen (vgl. UA S. 16), deren Einfluß auf die
Vollständigkeit
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der zu erhebenden Befunde nicht ausgeschlossen erscheint, wäre
es hier
unter Umständen erwägenswert, einen weiteren
psychiatrischen Sachverständigen
zu Rate zu ziehen.
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