BGH,
Beschl. v. 9.6.2009 - 5 StR 394/08
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
StGB §§ 352, 353; § 263
1. Verdrängung von § 263 StGB durch
§§ 352, 353 StGB.
2. Ein Irrtum im Sinne des § 263 StGB liegt schon dann vor,
wenn der Anspruchsverpflichtete tatsächlich davon ausgeht,
eine Abrechnung sei ordnungsgemäß vollzogen worden,
auch wenn er deren Grundlagen nicht kennt.
BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 5 StR 394/08
LG Berlin -
5 StR 394/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 9. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juni 2009
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 3. März 2008 - soweit es diesen Angeklagten
betrifft - gemäß § 349 Abs. 4 StPO im
Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten G. wird nach § 349
Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen Betrugs zu einer
Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und
angeordnet, dass als Entschädigung für die
überlange Verfahrensdauer drei Monate der verhängten
Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Die umfassend eingelegte und
mit der Sachrüge geführte Revision dieses Angeklagten
hat nur im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte seit
Dezember 1995 Mitglied des Vorstands der B. S. (im Folgenden: BSR) und
dabei intern für die Ressorts
„kaufmännische Dienstleistungen“ und
„Reinigung“ zuständig. Die BSR war im
tatrelevanten Zeitraum eine Anstalt des öffentlichen Rechts,
die neben dem Vorstand auch über einen Aufsichtsrat
verfügte und der Rechtsaufsicht des Berliner Senats
unterstand. Der BSR oblag in ihrem hoheitlichen Bereich die
Straßenreinigung mit Anschluss- und Benutzungszwang
für die Eigentümer der Anliegergrundstücke.
Die Rechtsverhältnisse waren privatrechtlich ausgestaltet;
für die Bemessung der Entgelte galten die
öffentlich-rechtlichen Grundsätze der
Gebührenbemessung, wie etwa das Äquivalenz- oder das
Kostendeckungsprinzip. Insoweit unterlagen die von der BSR
festgesetzten Entgelte richterlicher Kontrolle nach § 315 Abs.
3 BGB.
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Nach den gesetzlichen Regelungen des Berliner
Straßenreinigungsgesetzes hatten die Anlieger 75 % der
angefallenen Kosten für die Straßenreinigung zu
tragen; 25 % der Kosten verblieben beim Land Berlin (§ 7 Abs.
1). Die Aufwendungen der Reinigung für Straßen ohne
Anlieger musste das Land Berlin in vollem Umfang tragen (§ 7
Abs. 6). Die Entgelte, die sich nach der Häufigkeit der
Reinigung in vier Tarifklassen unterteilten, wurden für den
Tarifzeitraum auf der Grundlage einer Prognose der voraussichtlichen
Aufwendungen festgesetzt. Die Tarifbestimmung erfolgte durch eine
Projektgruppe „Tarifkalkulation“. Infolge eines
Versehens wurden bei der Berechnung der Entgelte in der Tarifperiode
1999/2000 auch die Kosten für die Straßen zu 75 %
einbezogen, für die es keine Anlieger gab und die das Land
Berlin vollständig hätte tragen müssen.
Verantwortliches Vorstandsmitglied
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war der Angeklagte, der - als die Tarife bereits in Kraft waren -
über den Berechnungsfehler informiert wurde, diesen jedoch
nicht korrigieren ließ.
Für die Tarifperiode 2001/2002, den Tatzeitraum, wurde vom
Gesamtvorstand der BSR eine neue Projektgruppe eingesetzt, die
zunächst den Berechnungsfehler aus der vergangenen
Tarifperiode beheben wollte. Auf Weisung des Angeklagten wurde dies
jedoch unterlassen. Der Angeklagte beabsichtigte, zumal die BSR durch
eine am 6. Juli 2000 geschlossene Zielvereinbarung mit dem Land Berlin
sich zu Effizienzsteigerungen und erheblichen Zahlungen verpflichtet
hatte, den Fehler fortzuschreiben, um Kostenrisiken auszugleichen und
um den von ihm zu verantwortenden Fehler bei der vorherigen
Tarifkalkulation zu vertuschen. Der Tarif, in dessen
Berechnungsgrundlage auch die anliegerfreien Straßen
einbezogen worden waren, wurde vom Vorstand und Aufsichtsrat der BSR
gebilligt. Der Angeklagte stellte als verantwortlicher Vorstand den
Tarif dort jeweils zumindest in Grundzügen vor, ohne jedoch
die Entscheidungsträger auf die Einbeziehung der
anliegerfreien Straßen hinzuweisen. Die Senatsverwaltung
genehmigte den Tarif. Dabei verpflichtete sie die BSR allerdings im
Wege einer Auflage zu einer Nachkalkulation. Auf der Grundlage des
genehmigten Tarifs wurden von den Eigentümern der
Anliegergrundstücke höhere Entgelte in Höhe
von insgesamt etwa 23 Mio. Euro verlangt. Die geforderten Entgelte
wurden zu 98 % bezahlt. Die BSR machte mit einem vom Angeklagten
unterzeichneten Schreiben gegenüber dem Senat ebenfalls
Reinigungskosten in Höhe von 35 Mio. DM für
Straßen ohne Anlieger geltend.
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2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten im Hinblick auf
die gesamte Tarifperiode 2001/2002 als (einheitlichen) Betrug in
mittelbarer Täterschaft gewertet. Der Angeklagte habe sich
dabei der Mitarbeiter der Rechnungsstelle als gutgläubiger
Werkzeuge bedient, als diese in Unkenntnis der Unrichtigkeit der
Tarifberechnung die Entgelte von den Anliegern anforderten. Die
Eigentümer der Anliegergrundstücke bzw. deren
Verwalter seien getäuscht worden, weil sie davon ausgingen,
dass die Tarife ord-
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nungsgemäß festgesetzt worden seien. Damit
hätten sie sich in einem Irrtum befunden, weil ihnen die
Höhe der Reinigungstarife nicht gleichgültig gewesen
sei. Durch die Bezahlung der überhöhten Tarife sei
der Schaden eingetreten. Auch die noch notwendige Nachkalkulation habe
diesen nicht entfallen lassen, sondern berühre lediglich die
Kalkulation der nachfolgenden Tarife.
II.
Die Revision des Angeklagten ist nur im Hinblick auf die Strafzumessung
erfolgreich.
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1. Der Schuldspruch hält rechtlicher
Überprüfung stand.
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a) Einer Verurteilung wegen Betrugs stehen nicht die
spezialgesetzlichen Vorschriften der §§ 352, 353 StGB
entgegen.
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aa) Der Privilegierungstatbestand des § 352 StGB
schließt allerdings eine Strafbarkeit nach § 263
StGB jedenfalls dann aus, wenn zu der Täuschungshandlung, die
notwendig zu den Gebührenüberhebungen
gehört, keine weitere Täuschung hinzukommt (BGH NJW
2006, 3219, 3221). Hier scheidet aber eine Strafbarkeit nach §
352 StGB aus. Der Angeklagte hat als Organ einer Anstalt des
öffentlichen Rechts, die hier in einem durch einen Anschluss-
und Benutzungszwang in einem dem freien Markt entzogenen Bereich
tätig ist (vgl. BGH NJW 2007, 2932), zwar als
Amtsträger gehandelt. Er ist jedoch kein Amtsträger
im Sinne des § 352 StGB, der für seine Amtshandlungen
Gebühren oder andere Vergütungen zu seinem Vorteil
erheben darf. Nur solche Amtsträger, etwa Notare,
Gerichtsvollzieher oder beamtete Tierärzte (vgl.
Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27.
Aufl. § 352 Rdn. 3), die Vergütungen zu ihrem eigenen
Vorteil geltend machen dürfen, fallen unter diesen Tatbestand.
Es muss sich deshalb um ein eigenes Recht des Täters handeln,
für seine Tätigkeit Vergütungen nach
Vergü-
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tungsordnungen festsetzen zu können. Hieran fehlt es in Bezug
auf den Angeklagten, der für seine Tätigkeiten
gegenüber Dritten keine Vergütungen berechnen darf.
Gläubiger der Vergütungsansprüche ist
vielmehr die BSR, die der Angeklagte organschaftlich vertrat.
Die Strafvorschrift des § 352 StGB erfasst nicht die
gesetzwidrige Gebührenberechnung per se, sondern nur diejenige
bestimmter, abschließend benannter Berufsgruppen. Eine
Zurechnung besonderer persönlicher Merkmale nach § 14
Abs. 1 StGB ist deshalb nur dann möglich, soweit der
organschaftlich vertretene Rechtsträger selbst dem
(strafrechtlich privilegierten) Personenkreis angehört, wie
dies z. B. bei der Rechtsanwalts-GmbH nach §§ 59c ff.
BRAO der Fall ist. Eine Ausdehnung auf organschaftliche Vertreter
sämtlicher Rechtsträger, die Gebühren
für Amtshandlungen erheben dürfen, ist mit dem
Ausnahmecharakter der Vorschrift nicht zu vereinbaren (zur
rechtspolitischen Fragwürdigkeit dieser Bestimmung vgl. schon
BGH NJW 2006, 3219, 3221; Fischer, StGB 56. Aufl. § 352 Rdn.
2). Einer erweiternden Auslegung stehen der Wortlaut der
Strafvorschrift und vor allem ihr systematischer Zusammenhang entgegen.
Ein Fehlverhalten von Amtsträgern, die Gebühren nicht
für sich selbst, sondern für öffentliche
Kassen erheben, ist nämlich durch § 353 StGB
strafrechtlich erfasst. Die unterschiedliche Beschreibung des
Täterkreises der Sonderdelikte nach § 352 StGB und
§ 353 StGB spricht aber dafür, dass auch jeweils ein
unterschiedlicher Personenkreis bezeichnet ist und § 352 StGB
nur einen besonderen Teil von Amtsträgern erfassen soll,
nämlich diejenigen, die Gebühren für ihre
Verrichtungen zum eigenen Vorteil erheben dürfen (BGHSt 2, 35,
36; Träger in LK 11. Aufl. § 352 Rdn. 6).
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bb) Auch eine Strafbarkeit nach § 353 StGB, die gleichfalls
gegenüber dem Betrugstatbestand im Verhältnis der
Spezialität stünde (Träger in LK 11. Aufl.
§ 353 Rdn. 23), liegt nicht vor. Zwar ist eine
„Gebührenüberhöhung“
gegeben, es fehlt jedoch das zusätzliche Merkmal, dass die
(rechtswidrig) überhöhten Gebühren nicht
vollständig zur Kasse gebracht wurden. Da somit
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schon deshalb der Tatbestand des § 353 StGB nicht
erfüllt ist, kommt diesem Straftatbestand auch keine
Sperrwirkung zu.
cc) Die Privilegierungstatbestände der §§
352, 353 StGB können andererseits nicht als Beleg
dafür herangezogen werden, dass Täuschungshandlungen
im Zusammenhang mit Gebühren und öffentlichen Abgaben
nur unter den dort benannten Tatbestandsvoraussetzungen
überhaupt strafbar sind. Vielmehr stehen auch solche
Zahlungsverpflichtungen grundsätzlich unter dem
strafrechtlichen Schutz des § 263 StGB, wenn sich die
Täuschungshandlung auf sie bezieht. Die Pönalisierung
einer täuschungsbedingten Schädigung des
Vermögens Dritter entfällt nicht deshalb, weil
für Sonderformen des Betrugs überkommene
Privilegierungstatbestände zugunsten einzelner Berufsgruppen
fortbestehen (vgl. aber zur Strafzumessung unter 2. a) a. E.).
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14
b) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei eine vom Angeklagten in
mittelbarer Täterschaft begangene Täuschungshandlung
und eine damit korrespondierende Irrtumserregung bei den
Anspruchsverpflichteten angenommen.
aa) Zwar enthalten die an die Eigentümer gerichteten Schreiben
unmittelbar keine falsche Tatsachenbehauptung. In der Rechtsprechung
ist jedoch anerkannt, dass eine Täuschung im Sinne des
§ 263 Abs. 1 StGB auch konkludent erfolgen kann. Diese
Voraussetzung liegt vor, wenn der Täter die Unwahrheit zwar
nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der
Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt (BGHSt 51,
165, 169 f.; 47, 1, 3). Welcher Inhalt der Erklärung zukommt,
bestimmt sich ganz wesentlich durch den Empfängerhorizont und
die Erwartungen der Beteiligten. Diese werden
regelmäßig durch den normativen Gesamtzusammenhang
geprägt sein, in dem die Erklärung steht (vgl. BGHSt
51, 165, 170). Deshalb hat der Bundesgerichtshof auch entschieden, dass
ein Kassenarzt mit seiner Abrechnung gegenüber der Kasse nicht
nur erklärt, dass die abgerechnete Leistung unter die
Leistungsbeschreibung der Gebührennummer fällt, son-
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dern auch, dass seine Leistung zu den kassenärztlichen
Versorgungsleistungen gehört und nach dem allgemeinen
Bewertungsmaßstab abgerechnet werden kann (BGHR StGB
§ 263 Abs. 1 Täuschung 12; vgl. auch
Täuschung 9, 11).
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei dem Rechnungsschreiben der BSR die
(konkludent miterklärte) Aussage entnommen, dass die Tarife
unter Beachtung der für die Tarifbestimmung geltenden
Rechtsvorschriften ermittelt und sie mithin auch auf einer zutreffenden
Bemessungsgrundlage beruhen. Der Verkehr erwartet nämlich vor
allem eine wahrheitsgemäße Darstellung im
Zusammenhang mit der Geltendmachung eines zivilrechtlichen Anspruchs,
soweit die Tatsache wesentlich für die Beurteilung des
Anspruchs ist und der Adressat sie aus seiner Situation nicht ohne
weiteres überprüfen kann (BGHR StGB § 263
Abs. 1 Täuschung 22). Eine solche Möglichkeit, die
geltend gemachten Straßenreinigungsentgelte auf die
Richtigkeit ihrer Bemessungsgrundlage überprüfen zu
können, hat der Adressat der Rechnung praktisch nicht. Die BSR
nimmt deshalb zwangsläufig das Vertrauen der Adressaten in
Anspruch. Dies prägt wiederum deren
Empfängerhorizont. Da die Eigentümer damit rechnen
dürfen, dass die Tarife nicht manipulativ gebildet werden,
erklärt der Rechnungssteller dies in seinem Anspruchsschreiben
konkludent. Für die BSR gilt dies im besonderen
Maße, weil sie als öffentlich-rechtlich verfasster
Rechtsträger wegen ihrer besonderen Verpflichtung zur
Gesetzmäßigkeit gegenüber ihren Kunden
gehalten ist, eine rechtskonforme Tarifgestaltung vorzunehmen. Dass sie
diese Pflicht eingehalten hat, versichert sie stillschweigend, wenn sie
gegenüber ihren Kunden auf der Grundlage der Tarife abrechnet.
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bb) Einem entsprechenden Irrtum unterlagen auch die Adressaten der
Rechnungen. Der im Rahmen der Täuschungshandlung
maßgebliche Empfängerhorizont spiegelt sich
regelmäßig in dem Vorstellungsbild auf Seiten der
Empfänger wider. Deshalb kommt es - worauf das Landgericht
zutreffend hingewiesen hat - nicht darauf an, ob die Adressaten sich
eine konkrete
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Vorstellung über die Berechnung der Reinigungsentgelte und die
in Ansatz gebrachten Bemessungsgrundlagen gemacht haben. Entscheidend
ist vielmehr, dass die Empfänger der Zahlungsaufforderungen
sich jedenfalls in einer wenngleich allgemein gehaltenen Vorstellung
befanden, dass die Tarifberechnung „in Ordnung“
sei, zumal die Höhe der Tarife ihre eigenen finanziellen
Interessen unmittelbar berührte (vgl. BGHSt 2, 325; 24, 386,
389; Fischer, StGB 56. Aufl. § 263 Rdn. 35). Damit gingen sie
- jedenfalls in der Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins (vgl.
BGHSt 51, 165, 174) - davon aus, dass die Bemessungsgrundlage
zutreffend bestimmt und die Tarife nicht manipulativ zu ihren Lasten
erhöht wurden. Insofern ist bei ihnen ein Irrtum erregt
worden, weil sie auf eine ordnungsgemäße Abrechnung
vertrauten und in diesem Bewusstsein auch die Rechnungen der BSR als
gesetzeskonforme Zahlungsanforderung ansahen.
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cc) Ohne Rechtsverstoß hat das Landgericht bei dem
Angeklagten eine mittelbare Täterschaft im Sinne des
§ 25 Abs. 1 2. Alt. StGB angenommen. Der Angeklagte hat
dadurch, dass er den Entscheidungsgremien (einschließlich der
Senatsverwaltung als Genehmigungsbehörde) die
Tarifvorschläge unter Heranziehung falscher
(überhöhter) Bemessungsgrundlagen vorlegte, deren
Festlegung erreicht. Damit hat er aber zugleich die Grundlage
für einen weiteren von ihm ausgelösten Kausalverlauf
geschaffen, nämlich die Absendung der Zahlungsanforderungen an
die anspruchsverpflichteten Anlieger, die eigentliche Betrugshandlung
gegenüber den Eigentümern. Damit hat sich der
Angeklagte der mit der Rechnungsstellung und Forderungseinziehung
befassten (gutgläubigen) Mitarbeiter bedient, die er zu den
Täuschungshandlungen gegenüber den Anliegern
verleitet hat. Seine Position als Organ innerhalb der BSR und sein
besonderes Wissen darum, wie die Tarife zustande gekommen sind,
verschafften ihm die notwendige Tatherrschaft.
Es wäre allerdings auch denkbar, in der Tariffestsetzung
selbst die eigentliche Vermögensverfügung zu sehen.
Dann wäre der Angeklagte unmit-
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telbar Täter, der den Entscheidungsgremien die (falschen)
Bemessungsgrundlagen dargelegt oder in seinem Beisein hat darlegen
lassen. Da die BSR aufgrund ihrer Stellung zu einer einseitigen
Leistungsbestimmung gemäß § 315 BGB
berechtigt war, könnte aufgrund dieses hierin
begründeten Näheverhältnisses eine
vermögensschädigende Verfügung zu Lasten der
Eigentümer der Anliegergrundstücke zu sehen sein
(vgl. BGH NStZ 1997, 32; wistra 1992, 299; Hefendehl in
MünchKomm § 263 Rdn. 286 ff.). Die einzelnen
Rechnungsstellungen wären dann (mitbestrafte) Nachtaten. Dem
braucht allerdings nicht weiter nachgegangen zu werden, weil der
Angeklagte durch die Annahme eines Betrugs in mittelbarer
Täterschaft jedenfalls nicht beschwert ist.
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c) Aus Rechtsgründen ist gleichfalls nicht zu beanstanden,
dass das Landgericht bei dem Angeklagten eine Bereicherungsabsicht im
Sinne des § 263 StGB bejaht hat.
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aa) Eine solche Bereicherungsabsicht kann auch dann vorliegen, wenn der
Täter einem Dritten rechtswidrig einen Vorteil verschaffen
will. Hierfür genügt es, dass es dem
Täuschenden auf den Vermögensvorteil als sichere und
erwünschte Folge seines Handelns ankommt, mag der Vorteil auch
von ihm nur als Mittel zu einem anderweitigen Zweck erstrebt werden.
Nicht erforderlich ist, dass der Vermögensvorteil die
eigentliche Triebfeder oder das in erster Linie erstrebte Ziel seines
Handelns ist (BGHSt 16, 1; vgl. auch Cramer/Perron in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 263 Rdn.
176 f.). Diese Voraussetzung hat das Landgericht bejaht. Nach seinen
Feststellungen war die Tat in erster Linie zwar auf die Verdeckung des
Fehlers aus der Tarifperiode 1999/2000, aber zugleich auch auf eine
erneute, erweiterte Bereicherung der BSR gerichtet.
bb) Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist diese
Beweiswürdigung des Landgerichts zur inneren Tatseite des
Angeklagten nicht zu beanstanden. Nach den Urteilsgründen ging
es dem Angeklagten zwar vorwie-
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gend darum, den Fehler in der Tarifgestaltung 1999/2000 zu vertuschen;
er billigte die Mehreinnahmen der BSR aber nicht nur, sondern sie
stellten für ihn einen notwendigen, zudem nicht einmal
unerwünschten Nebeneffekt dar. Diese im Übrigen nahe
liegende Schlussfolgerung hat das Landgericht auf die finanziellen
Unsicherheiten wegen der zuvor abgeschlossenen Zielvereinbarung mit dem
Land Berlin gestützt sowie auf sein allgemeines von dem
Angeklagten selbst bekundetes Bestreben, zum Wohle des Unternehmens
tätig sein zu wollen. Das Landgericht hat damit seine Wertung
auch hinreichend mit Tatsachen belegt. Ein Rechtsfehler ist insoweit
nicht ersichtlich.
2. Dagegen hält die Strafzumessung rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
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a) Das Landgericht hat als ganz wesentlichen
Strafzumessungsgesichtspunkt die Schadenshöhe von weit
über 20 Mio. Euro angeführt. Es hat entscheidend
darauf abgestellt, dass eine mildere Bestrafung trotz mehrerer
gewichtiger Milderungsgründe (UA S. 58) wegen der
Schadenshöhe nicht in Betracht gezogen werden könne.
Dabei unterlässt das Landgericht jedoch die bei der gegebenen
besonderen Sachlage von vornherein gebotene Relativierung des Schadens.
Es hätte nämlich bei der hier gegebenen
Fallkonstellation in den Blick genommen werden müssen, dass
sich der Schaden nach dem gewöhnlichen Verlauf nachhaltig
reduziert hätte (vgl. BGH StV 2003, 446, 447; wistra 2006, 20;
Raum in Wabnitz/Janowski, Handbuch des Wirtschafts- und
Steuerstrafrechts 3. Aufl. S. 238 f.). Diese Besonderheiten ergeben
sich hier aus Folgendem:
Durch die zu hohe Bemessungsgrundlage, die auch Straßen ohne
Anlieger erfasste, hätte die BSR Einnahmen in einer
Größenordnung erzielt, die eine Absenkung der Tarife
in der nächsten Periode erforderlich gemacht hätte.
Da die BSR den allgemeinen öffentlich-rechtlichen
Gebührengrundsätzen unterlag, war sie an das
Kostendeckungsprinzip (vgl. BVerfGE 108, 1, 19 ff.) gebunden. Die
vereinnahmten Gebühren hätten mithin nicht zu einer
der
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BSR verbleibenden Gewinnsteigerung führen dürfen,
sondern hätten - wie das Landgericht an anderer Stelle
zutreffend ausgeführt hat (UA S. 52) -
periodenübergreifend ausgeglichen werden müssen.
Dadurch wäre eine deutliche Relativierung der
Schadenshöhe eingetreten. Im Rahmen der Nachkalkulation konnte
dies nur schneller aufgedeckt werden. Eine solche Schadensreduzierung
hat das Landgericht, auch wenn es die Schadenswiedergutmachung nach
Tataufdeckung berücksichtigt hat, nicht ausreichend
gewürdigt. Da das Landgericht ausdrücklich im
besonderen Maße auf die absolute Schadenshöhe
abgestellt hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass dies
die Strafzumessung beeinflusst hat.
Es kommt hinzu, dass im Bereich des Betrugs im Rahmen uneigentlicher
Gebührenüberhebungen der Blick auf die hier nicht
erfüllten, aber angesichts des verlangten materiellen
Eigennutzes verwerflicheres Handeln voraussetzende
Privilegierungstatbestände der §§ 352, 353
StGB für sich eine mildernde Berücksichtigung nahe
legt. Da der Senat den Strafausspruch schon aus diesem Grund aufhebt,
kann er offenlassen, ob die Höhe der gegen den Angeklagten
verhängten Strafe angesichts der konkreten Ahndung der
weiteren Tatbeteiligten in einem nicht mehr angemessenen
Verhältnis stand.
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b) Die Verhängung einer (gegebenenfalls zur Bewährung
ausgesetzten) Freiheitsstrafe scheint hier schon aus
Rechtsgründen unerlässlich. Daher lässt der
Senat die festgestellte Kompensation für die
rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bestehen. Ebenso
können die Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch aufrecht
erhalten bleiben. Der neue Tatrichter darf allerdings weitere
Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widerspre-
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chen. Ebenso ist, sollte eine weitere rechtsstaatswidrige
Verfahrensverzögerung eintreten, die bislang angesetzte
Kompensation zu erhöhen.
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