BGH,
Beschl. v. 9.3.2010 - 3 ARs 3/10
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 ARs 3/10
vom
9. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten
hier: Anfragebeschluss des 5. Strafsenats vom 13. Januar 2010 - 5 StR
464/09 -
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. März 2010
beschlossen:
Der beabsichtigten Entscheidung des 5. Strafsenats steht Rechtsprechung
des 3. Strafsenats nicht entgegen.
Gründe:
1. Der 5. Strafsenat beabsichtigt zu entscheiden:
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"Auch bei fortbestehendem Verdacht einer Beteiligung an einer in
§ 138 Abs. 1 oder 2 StGB bezeichneten Katalogtat hindert der
Zweifelssatz eine Verurteilung wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten
nicht."
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Er hat deshalb bei den übrigen Strafsenaten angefragt, ob an
entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.
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2. Rechtsprechung des 3. Strafsenats steht der beabsichtigten
Entscheidung nicht entgegen. Soweit sich der Senat in der Vergangenheit
mit dem Problem befasst hat, ob bei fortbestehendem Tatverdacht der
Beteiligung an einer in § 138 Abs. 1 oder 2 StGB bezeichneten
Katalogtat der Zweifelssatz eine Verurteilung wegen Nichtanzeige
geplanter Straftaten hindert, waren seine Ausführungen nicht
tragend. In der im Anfragebeschluss genannten Entscheidung BGHSt 36,
167, 169 f. hatte die Strafkammer nach Abschluss der Beweisaufnahme
eine Beteiligung des Angeklagten an der nicht angezeigten Tat
ausgeschlossen, sodass die Verurteilung des Angeklagten wegen
Nichtanzeige geplanter Straftaten auch nach den Grundsätzen
der bisherigen Rechtsprechung rechtsfehlerfrei war.
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3. In der Sache bemerkt der Senat:
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Nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur
kann derjenige, der an der Katalogtat beteiligt ist, nicht wegen
Nichtanzeige dieser Tat verurteilt werden. Vielmehr setzt eine
Strafbarkeit nach § 138 StGB voraus, dass die nicht angezeigte
Katalogtat eine vollkommen fremde Tat ist (vgl. BGHSt 36, 167, 169; 39,
164, 167; BGH NStZ 1982, 244). Die unterschiedlichen
Begründungen für diese Voraussetzung lassen nicht
zweifelsfrei erkennen, ob es sich bei der Fremdheit der nicht
angezeigten Katalogtat um ein (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal oder
ein konkurrenzrechtliches Problem handelt (vgl. Hanack in LK 12. Aufl.
§ 138 Rdn. 43 m. w. N.). Auch der Anfragebeschluss
verhält sich hierzu nicht.
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Jedenfalls dann, wenn die Fremdheit der Katalogtat dogmatisch als
unrechtsbegründendes (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal des
§ 138 StGB einzuordnen sein sollte, erscheint es dem Senat
fraglich, ob ein Angeklagter wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten
verurteilt werden kann, wenn er nach Abschluss der Beweisaufnahme
weiterhin der Beteiligung an der nicht angezeigten Katalogtat
verdächtig ist. Dabei mag dahinstehen, ob zwischen der
Strafvorschrift des § 138 StGB und der nicht angezeigten
Katalogtat ein normativ-ethisches Stufenverhältnis anzunehmen
ist. Denn auch wenn das der Fall sein sollte, bedarf die Bestrafung
nach § 138 StGB des Nachweises aller tatbestandlichen
Voraussetzungen dieser Bestimmung. Dies kann nach Auffassung des Senats
nicht durch die Anwendung des Zweifelssatzes ersetzt werden. Vermag
sich das Tatgericht nicht davon zu überzeugen, dass der
Angeklagte mit Sicherheit eines von zwei in Betracht kommenden Delikten
begangen hat, weil für jede der beiden in Betracht kommenden
Strafvorschriften die Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals in
Zweifel bleibt, ist es sich aber sicher,
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dass der Angeklagte einen der beiden Tatbestände verwirklicht
hat, so liegt die typische Konstellation vor, in der eine
Wahlfeststellung in Betracht zu ziehen ist. Scheidet diese wegen
fehlender rechtsethischer und psychologischer Vergleichbarkeit der
alternativen Straftaten aus, so ist auch der Zweifelssatz nicht
geeignet, die Verurteilung wegen des weniger schwerwiegenden Delikts zu
tragen.
Der Senat lässt offen, ob die Verurteilung eines Angeklagten
nach § 138 StGB im Wege der sog.
Präpendenzfeststellung in Betracht gezogen werden
könnte (vgl. Joerden JZ 1998, 847, 852 f.; ders. Jura 1990,
663 ff., 640 f.), falls die Fremdheit der Katalogtat dogmatisch nur als
Frage der konkurrenzrechtlichen Abgrenzung zwischen § 138 StGB
und der nicht angezeigten Katalogtat einzustufen sein sollte (s.
Rudolphi/Stein in SK-StGB § 138 Rdn. 35).
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Becker Pfister RiBGH von Lienen befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
Becker
Hubert Schäfer |