BGH,
Beschl. v. 9.5.2001 - 2 StR 123/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 123/01
vom
9. Mai 2001
in der Strafsache gegen
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 9. Mai 2001 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn
vom 23. November 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als
Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer
Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Seine Revision hat mit der
Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Der Tatrichter
hat - worauf auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift
abstellt - das Mordmerkmal Heimtücke nicht rechtsfehlerfrei
bejaht.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte, dem die
Voraussetzungen des § 21 StGB zur Tatzeit zugebilligt wurden,
seiner schlafenden Frau in Tötungsabsicht mit einer
gußeisernen Bratpfanne auf den Kopf geschlagen und sie, als
der Griff der Pfanne abbrach, mit beiden Händen
erwürgt. Der Angeklagte, der die finanzielle Situation der
Familie als aussichtslos empfand, seiner stark alkoholkranken Frau
hiervon aber nichts mitgeteilt hatte, war entschlossen, sich selbst
umzubringen. Zugleich hatte er sich entschieden, auch seine Frau zu
töten. Denn er schämte sich vor ihr und hatte
große Angst, ihr die wahren Umstände zu offenbaren.
Er war zudem der Meinung, daß seine Frau es in dieser
desolaten finanziellen Situation nicht ohne ihn schaffen würde
und ihr Obdachlosigkeit und Verwahrlosung drohten. Nach der
Tötung seiner Frau unternahm der Angeklagte verschiedene
Selbsttötungsversuche, die aber alle scheiterten.
Ohne Rechtsfehler ist der Tatrichter davon ausgegangen, daß
der Angeklagte bei der Tötung bewußt die Arg- und
Wehrlosigkeit seiner Ehefrau ausgenutzt hat.
Die vom Landgericht für die - allerdings naheliegende -
Bejahung der erforderlichen feindlichen Willensrichtung gegebene
Begründung ist aber rechtlich nicht fehlerfrei. Zum einen ist
die Feststellung zu einem der Tatmotive nicht nachvollziehbar. Zum
anderen liegt ein Verstoß gegen den Zweifelssatz vor.
Der Tatrichter läßt zunächst die Frage
offen, ob die Befürchtung des Angeklagten, "seine Ehefrau
komme ohne ihn nicht zurecht, ihr drohe Obdachlosigkeit und
Verwahrlosung bereits objektiv nicht nachvollziehbar ist und ob hier
insoweit allein auf die subjektive Sichtweise des Angeklagten
abzustellen ist." Das Landgericht führt dann aus: "Denn
jedenfalls kann schon nicht festgestellt werden, daß das
´pseudoaltruistische´ Motiv, der Ehefrau ein Leben
in Obdachlosigkeit und Verwahrlosung zu ersparen, bei der
Tötung im Vordergrund stand. Wie bereits ausgeführt,
lag der Tat vielmehr ein Motivbündel zugrunde, das auch
eigensüchtige Beweggründe enthielt. Denn nach der
eigenen Einlassung des Angeklagten war ein weiteres wichtiges Tatmotiv,
daß er sich vor seiner Ehefrau schämte und
große Angst vor ihrer Reaktion hatte, wenn er ihr die
Kündigung und deren Hintergründe sowie die aktuelle
finanzielle Situation offenbaren würde. Er rechnete damit,
daß seine Frau ihm Vorwürfe machen würde,
zumal er ihr in der Vergangenheit immer Vorhaltungen wegen ihrer
Alkoholkrankheit gemacht hatte.
In den Fällen, in denen der Tat ein ganzes
Motivbündel zugrundeliegt, wobei nicht feststeht, welches
Motiv im Vordergrund stand, muß nicht zugunsten des
Täters angenommen werden, daß das
´pseudoaltruistische´ Moment leitend war. Das
Fehlen sicherer Erkenntnisse über die Beweggründe des
Angeklagten steht der Annahme einer feindseligen Willensrichtung nicht
entgegen (vgl. BGH MDR 1974, 366; NJW 1978, 709)."
Diese Überlegungen des Tatrichters sind schon deshalb nicht
tragfähig, weil das "weitere wichtige Tatmotiv" einer
unangenehmen Offenbarung der Ehefrau gegenüber kein Motiv
für die Tötung auch der Ehefrau sein konnte. Denn
bereits durch den beabsichtigten Selbstmord hätte der
Angeklagte sich etwaige Vorwürfe erspart. Seine Annahme, er
müsse hierzu - vorab - auch seine Ehefrau töten, ist
ohne nähere Darlegung nicht nachvollziehbar.
Es ist auch ein Verstoß gegen den Zweifelssatz gegeben.
Richtig ist zwar, daß der Zweifelssatz nicht bedeutet,
daß das Gericht von der dem Angeklagten jeweils (denkbar)
günstigsten Fallgestaltung auch dann ausgehen muß,
wenn hierfür keine Anhaltspunkte bestehen (st. Rspr. vgl.
hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO § 261 Rdn. 26).
Sind aber mehrere Tatmotive ausdrücklich als gegeben
festgestellt, gebietet es - nach Ausschöpfung aller
Aufklärungsmöglichkeiten - der Zweifelssatz, das
für den Angeklagten günstigste als leitend anzusehen.
Dem werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß auf diesen
rechtlich bedenklichen Feststellungen und Erwägungen die
Annahme des Mordmerkmales Heimtücke beruht. Das angefochtene
Urteil war daher mit den Feststellungen aufzuheben.
Der Senat kann weiter nicht ausschließen, daß ein
neuer Tatrichter aufgrund rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen
und Überlegungen erneut zu einem Schuldspruch wegen
Heimtückemordes gelangt. Es ist nämlich nicht ohne
weiteres ersichtlich, daß der Angeklagte begründet
meinte, zum Besten des Opfers zu handeln. Ein Fall des erweiterten
Selbstmordes (vgl. BGH NJW 1978, 709) scheidet aus, weil der Angeklagte
und seine Frau nicht übereinstimmend handelten. Vielmehr hat
der Angeklagte einseitig seiner Frau das Lebensrecht abgesprochen. Der
Senat ist daher nicht dem Antrag des Generalbundesanwalts auf
Schuldspruchänderung in Totschlag gefolgt, sondern hat die
Sache insgesamt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das
Landgericht zurückverwiesen.
Der neue Tatrichter wird auch zu beachten haben, daß eine
strafschärfende Wertung des Umstandes, daß der
Angeklagte nach dem Scheitern des ersten Angriffs mit der Pfanne sofort
hartnäckig nachgesetzt hat, besorgen läßt,
daß dem Angeklagten rechtsfehlerhaft (§ 46 Abs. 3
StGB) die Tatvollendung als solche zur Last gelegt wurde (vgl. auch
BGHR StGB § 46 Abs. 3 Vollendung 1).
Jähnke Bode Rothfuß
Fischer Elf
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