BGH,
Beschl. v. 9.5.2006 - StB 4/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
StB 4/06
vom
9.5.2006
in dem Strafverfahren
gegen
1.
2.
wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz u.
a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9.05.2006 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss
des Thüringer Oberlandesgerichts vom 1. März 2006
wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen
Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe:
I.
Der Generalbundesanwalt hat gegen die Angeklagten wegen
gemeinschaftlicher geheimdienstlicher Agententätigkeit in
Tateinheit mit einem Verstoß gegen das
Außenwirtschaftsgesetz Anklage zum Thüringer
Oberlandesgericht erhoben. Dem liegt der Vorwurf zugrunde, die
Angeklagten hätten als Geschäftsführer
(Angeklagter S. ) und Produktgruppenleiter für den Bereich
Schwingtechnik (Angeklagter K. ) der Firma T. GmbH zwei
Vibrationstestgeräte in den Iran geliefert, wo sie in der
Rüstungsproduktion zur Erprobung der Funktionssicherheit
einzelner Komponenten und Baugruppen von Raketen bei spezifischer
Schwingbeanspruchung unter simulierten Höhenbedingungen
eingesetzt werden sollten. Die Angeklagten, denen die beabsichtigte
Verwendung der Anlagen im Rahmen rüstungstechnologischer
Vorhaben bekannt gewesen sei, hätten im Zusammenwirken mit den
ihnen auf iranischer Seite gegenübertretenden Firmen und
Kontaktpersonen die Lieferung der beiden Anlagen in den Iran
planmäßig durch Vortäuschung eines
Exportgeschäftes an eine
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- von iranischen Stellen kontrollierte - Firma in Dubai verschleiert,
um so die deutsche Exportkontrolle zu täuschen, die die
Ausfuhr der Geräte in den Iran an die tatsächlichen
Abnehmer nach den einschlägigen außen-
wirtschaftlichen Bestimmungen nicht genehmigt hätte. Bei dem
Geschäft habe es sich auf iranischer Seite um eine
nachrichtendienstlich gesteuerte Beschaffungsaktion gehandelt, in die
sich die Angeklagten zumindest bedingt vorsätzlich
hätten einbinden lassen.
Das Oberlandesgericht hat die Anklage mit der Maßgabe zur
Hauptverhandlung zugelassen, dass die Angeklagten lediglich des
Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz
hinreichend verdächtig seien, und das Hauptverfahren vor der
Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mühlhausen
eröffnet. Für den strafrechtlichen Vorwurf
geheimdienstlicher Agententätigkeit fehle es an einem
hinreichenden Tatverdacht; nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei weder
der Nachweis hinreichend wahrscheinlich, dass es sich bei den auf
iranischer Seite tätigen Stellen um einen "Geheimdienst" im
Sinne des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB gehandelt hat, noch der
Nachweis, dass die Angeklagten eine geheimdienstliche
Tätigkeit ausgeübt haben.
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Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des
Generalbundesanwalts, mit der er die Zulassung der Anklage im vollen
rechtlichen Umfang des Anklagevorwurfs sowie die Eröffnung des
Hauptverfahrens vor dem Thüringer Oberlandesgericht erstrebt.
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II.
Das zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die Bewertung des Oberlandesgerichts, die den Angeklagten vorgeworfenen
Aktivitäten unterfielen, selbst wenn die im Iran bei Anbahnung
und Abwicklung des Geschäfts tätig gewordenen Stellen
als Geheimdienst im Sinne von § 99 Abs. 1
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StGB einzustufen sein sollten, jedenfalls nicht dem Begriff des
Ausübens geheimdienstlicher Tätigkeit, ist nicht zu
beanstanden; sie wird auch durch das Beschwerdevorbringen nicht
entkräftet. Mit der vom Oberlandesgericht ebenfalls verneinten
Frage, ob mit der von § 203 StPO vorausgesetzten
Wahrscheinlichkeit der Nachweis zu führen sein wird, dass es
sich bei diesen Stellen um Einrichtungen eines Geheimdienstes im Sinne
von § 99 Abs. 1 StGB handelte, muss sich der Senat daher nicht
befassen.
1. Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals des "Ausübens einer
geheimdienstlichen Tätigkeit", dem eine den Anwendungsbereich
des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB eingrenzende Bedeutung zukommt
(BVerfGE 57, 250, 265 ff.; BGHSt 24, 369, 370 f.; Träger in LK
11. Aufl. § 99 Rdn. 4; Lampe/Hegmann in MünchKomm
§ 99 Rdn. 9), muss sich, da die Vorschrift - abgesehen von der
Zielrichtung des inkriminierten Verhaltens - auf eine nähere
Beschreibung des strafbaren Tuns verzichtet, ausgehend von der
Wortbedeutung der zusammengesetzten Begriffselemente namentlich am Sinn
und tatbestandsbegrenzenden Zweck dieses Merkmals orientieren.
Abgesehen von den Fällen klassischer Agententätigkeit
ist hierbei allerdings, da die Tatbeschreibung als "Ausüben
geheimdienstlicher Tätigkeit" ihrerseits einen sehr weiten
Bedeutungsgehalt umfassen kann und für sich keine scharfe
Grenzziehung zu straflosem Tun ermöglicht, eine abstrakte
Bestimmung in Betracht kommender Tathandlungen kaum möglich.
Daher sind in den Fällen, die nicht diesem Kernbereich der
Norm unterfallen, alle maßgeblichen Umstände der
jeweiligen Sachverhaltsgestaltung in eine Gesamtwürdigung des
Verhaltens des Betroffenen einzustellen; auf dieser Grundlage muss in
wertender, am Normzweck ausgerichteter Betrachtung entschieden werden,
ob das Geschehen dem Tatbestand des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu
subsumieren ist (BGHSt 24, 369, 373; 30, 394, 397; BGH NJW 1977, 1300
f., insoweit in BGHSt 27, 133 nicht abgedruckt).
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Hierbei sind folgende Auslegungskriterien zu beachten: Die
Charakterisierung der tatbestandlich vorausgesetzten Handlung als
geheimdienstliche Tätigkeit zeigt, dass nicht jedes Handeln
für einen fremden Geheimdienst den Tatbestand
erfüllt, sondern es einer gewissen Mindestqualität
des Tuns bedarf (Träger aaO); diese ist dann erreicht, wenn
sich der Täter zumindest funktionell - also nicht zwingend
durch formelle oder stillschweigende Verpflichtung oder vorheriges
Sich-Bereiterklären im Sinne des § 99 Abs. 1 Nr. 2
StGB (vgl. BGHSt 24, 369, 372; 25, 145) - in die
Ausforschungsbemühungen des Geheimdienstes der fremden Macht,
wenn auch nicht notwendig in dessen Organisation, eingliedert (BVerfGE
57, 250, 267; BGHSt 24, 369, 372 f.; 30, 294, 297; BGH NJW 1977, 1300,
insoweit in BGHSt 27, 133 nicht abgedruckt).
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Das ist zunächst regelmäßig dann der Fall,
wenn - entsprechend dem engeren Sinn, der der Umschreibung der
Tathandlung als "Ausübung geheimdienstlicher
Tätigkeit" inne wohnt - ein über den Einzelfall
hinausreichendes, auf gleichartige Tatwiederholung gerichtetes
Verhalten des Täters gegeben ist (vgl. BGHSt 43, 1, 4 f.).
Liegt dagegen nur eine Einzelhandlung im Sinne eines auf die einmalige
Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder
Erkenntnissen abzielenden Tuns vor, so schließt dies zwar die
Verwirklichung des Tatbestandes des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB
nicht aus (vgl. BGHSt 31, 317, 318 ff.); jedoch bedarf es hier - so
sich dieses Verhalten nicht als klassische Agententätigkeit im
herkömmlichen, allseits anerkannten Sinne darstellt -
besonders sorgfältiger, näherer Prüfung
anhand der hinzutretenden weiteren Umstände, ob die
Tätigkeit als "geheimdienstliche" qualifiziert werden kann und
zu einer Eingliederung in die Ausforschungsbemühungen des
fremden Geheimdienstes geführt hat. Maßgebliche
Bedeutung kann hierbei zunächst einer konspirativen, auf
Verdeckung des eigenen Verhaltens und der Verbindung zu dem fremden
Geheimdienst abzielenden Vorgehensweise des Täters zukommen.
Eine solche ist zwar nicht notwendige Voraussetzung geheimdienstlicher
Tätig-
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keit (BGHSt 24, 369, 372; Rudolphi in SK-StGB § 99 Rdn. 5),
stellt aber grundsätzlich ein gewichtiges Indiz für
diese dar (Träger aaO Rdn. 7). Anders kann es jedoch
insbesondere dann liegen, wenn das Verhalten des Täters
unabhängig von seiner Beziehung zu einem fremden Geheimdienst
nach Strafvorschriften außerhalb des 2. Abschnitts des
Besonderen Teils des StGB strafbar ist, daher für ihn ohnehin
Anlass besteht, sein Tun zu verschleiern und sich das Konspirative
seines Verhaltens im Wesentlichen in dieser Verschleierung
erschöpft.
Weiter in Betracht zu ziehen ist, ob die Verbindung des fremden
Geheimdienstes zu dem Täter maßgeblich der Gewinnung
von Informationen dient, die auch bei der Lieferung von
Gegenständen im Sinne des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB den
eigentlichen Zweck von Ausforschungsbemühungen bildet
(Lampe/Hegmann aaO Rdn. 14), oder sie vorrangig darin
begründet ist, dass die für den Täter schon
aus anderen Gründen als der Vermittlung von Informationen
verbotene Lieferung von Gegenständen getarnt werden muss, was
sich durch den Staat, an den die Lieferung gelangen soll,
möglicherweise am besten durch Einschaltung seiner
über entsprechende Erfahrungen verfügenden
geheimdienstlichen Einrichtungen erreichen lässt.
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2. Nach diesen Maßstäben ist es nicht zu
beanstanden, dass es das Oberlandesgericht bei Bewertung der den
vorliegenden Sachverhalt prägenden Umstände als nicht
hinreichend wahrscheinlich angesehen hat, den Angeklagten
könne aufgrund einer Hauptverhandlung das Ausüben
geheimdienstlicher Tätigkeit nachgewiesen werden:
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Die ihnen nach der Anklage vorgeworfenen Aktivitäten
beschränkten sich auf die Umsetzung des der T. GmbH von
iranischer Seite angedienten Exportgeschäfts. Eine solche
"einmalige" Leistung hat das Oberlandesgericht zu
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Recht als Indiz gegen ein Sich-Eingliedern der Angeklagten in
Ausforschungsbemühungen der Gegenseite gewertet. Hierbei ist
es für die rechtliche Beurteilung ohne maßgebliche
Bedeutung, dass die Abwicklung des Geschäfts längere
Zeit in Anspruch nahm sowie eine Mehrzahl von Einzelhandlungen der
Angeklagten erforderte und diese während des Laufs der
Verhandlungen davon erfuhren, dass ihre langjährige
Repräsentanz im Iran, die Firma P. der
Beschaffungstätigkeit im "rüstungs- und
proliferationsrelevanten Bereich" verdächtigt wurde. Letzteres
mag auf ihren Vorsatz hinsichtlich des Zuwiderhandelns gegen das
Außenwirtschaftsgesetz schließen lassen;
für die Frage, ob sie sich in geheimdienstlicher Weise in
fremde Ausforschungsbemühungen eingliederten, kann hieraus
demgegenüber nichts Entscheidendes abgeleitet werden.
Dass die Angeklagten sich bemühten, den wahren Abnehmer ihrer
Lieferung gegenüber den für die Ausfuhrkontrolle
zuständigen deutschen Behörden zu verschleiern, kann
- wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat - schon
darin seine Erklärung finden, dass ihnen die fehlende
Erlaubnis für das Geschäft sowie die daraus folgende
Strafbarkeit der Lieferung an diesen Abnehmer und damit die
Notwendigkeit der Tarnung bewusst war; einen nahe liegenden Schluss auf
"geheimdienstliche" Tätigkeit begründet ihr in Teilen
auf Verheimlichung gerichtetes Verhalten daher ebenfalls nicht.
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Zudem war die Lieferung der Vibrationstestgeräte erkennbar
nicht auf die heimliche Vermittlung des in den Geräten
verkörperten Know-hows gerichtet; vielmehr handelte es sich um
sogenannte dual-use-Anlagen, deren Ausfuhr in den Iran zur zivilen
Nutzung keinen Beschränkungen unterlag und von der T. GmbH an
einen iranischen Automobilhersteller bereits offen angeboten worden
war, mag es sich hierbei auch um Anlagen von deutlich geringerer
Leistungsstärke gehandelt haben. Verschleiert werden sollte
der im Rüstungsbereich tä-
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tige Abnehmer der Anlagen, nicht die Übermittlung von in den
Geräten enthaltenen technischen Informationen.
All dies trägt die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die
Angeklagten seien der Ausübung geheimdienstlicher
Tätigkeit nicht hinreichend verdächtig im Sinne des
§ 203 StPO. Soweit der Generalbundesanwalt
demgegenüber einwendet, das Oberlandesgericht habe nicht
bedacht, dass durch die Angeklagten auch Informationen zur Umgehung der
deutschen Ausfuhrkontrolle sowie zur Bedienung der Anlagen durch
Entsendung eines Monteurs in den Iran vermittelt worden seien, vermag
dies der sofortigen Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dem
Informationsaustausch über den gegen die Firma P. entstandenen
Verdacht, an den auch der Generalbundesanwalt nach dem Anklagesatz
keinen gesonderten Tatvorwurf nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB
anknüpft, kommt für die Frage der Eingliederung in
fremde Ausforschungsbemühungen kein Indizwert zu, der
über denjenigen hinausginge, der schon den - bereits zuvor
angelaufenen - Aktivitäten der Angeklagten zur Verschleierung
des wahren Abnehmers der Anlagen zukommt; er musste daher vom
Oberlandesgericht nicht gesondert erörtert werden und
führt nicht zu einer abweichenden Würdigung der
Gesamtumstände. Die Informationsweitergabe durch den Monteur
der T. GmbH an die Bedienungskräfte der Anlagen im Iran ist
schon deswegen ohne Belang, weil keine Anhaltspunkte dafür
vorhanden sind, dass diese in irgendeiner Form einer geheimdienstlichen
Organisation des Irans angehörten; das Einweisen in die
Bedienung der Anlagen und damit auch der Auftrag zu dieser Einweisung
kann daher nicht mehr als Tätigkeit für den
möglicherweise bei der Beschaffung der Anlagen
tätigen Geheimdienst einer fremden Macht begriffen werden.
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3. Letztlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass das
Oberlandesgericht die Anklage nicht unter dem Aspekt einer
möglichen Beihilfe der Angeklag-
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ten zur geheimdienstlichen Tätigkeit ihrer iranischen
Kontaktpersonen zugelassen und jedenfalls deswegen das Hauptverfahren
vor sich eröffnet hat. Der Senat hält an seiner - an
den Willen des Gesetzgebers anknüpfenden - Ansicht fest, dass
eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur geheimdienstlichen
Tätigkeit jedenfalls nicht an die Haupttat der Mitarbeiter des
fremden Geheimdienstes anknüpfen kann, zu denen der
Täter in Kontakt tritt (BGHSt 24, 369, 378; BGH NStZ 1986, 165
f.); denn derartige Beihilfehandlungen sind in § 99 Abs. 1 Nr.
1 StGB bereits als täterschaftliches Handeln erfasst und daher
keiner gesonderten Beihilfestrafbarkeit mehr zugänglich. Eine
abweichende Betrachtungsweise würde dazu führen, dass
die strafbarkeitseinschränkende Wirkung des Merkmals
"Ausüben einer geheimdienstlichen Tätigkeit" nicht
erreicht würde.
Die sofortige Beschwerde bleibt demgemäß ohne Erfolg.
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Tolksdorf Winkler von Lienen Becker Hubert |